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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Dienstag, 23. Juli 2013

A SINGLE MAN (2009)

Regie: Tom Ford, Drehbuch: David Scearce und Tom Ford, Musik: Abel Korzeniowski und Shigeru Umebayashi
Darsteller: Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, Matthew Goode, Ginnifer Goodwin, Lee Pace, Jon Kortajarena, Ryan Simpkins, Teddy Sears, Paulette Lamori
A Single Man
(2009) on IMDb Rotten Tomatoes: 86% (7,4); weltweites Einspielergebnis: $25,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 101 Minuten.

Los Angeles, 1962: Der Literaturprofessor George Falconer (Colin Firth, "Dame, König, As, Spion") ist ein gebrochener Mann. Seit vor ein paar Monaten sein junger Lebensgefährte Jim (Matthew Goode, "Match Point") mit dem Auto tödlich verunglückt ist, zwingt George sich nur noch, gegenüber Kollegen, Studenten und Nachbarn eine gefaßte äußere Fassade aufrecht-zuerhalten. Nicht einmal seine einzige echte Freundin Charlie (Julianne Moore, "Crazy, Stupid, Love.") kann ihn wirklich aufheitern, weshalb George inzwischen ernsthaft an Selbstmord denkt. Doch dann macht ihm der attraktive Student Kenny (Nicholas Hoult, "Jack and the Giants") Avancen ...

Kritik:
Wer jemals bezweifelt hat, daß Filme Kunst sind (oder zumindest sein können), der sollte sich unbedingt "A Single Man" ansehen. Denn der amerikanische Modeschöpfer Tom Ford hat in seinem Regiedebüt ein absolutes Gesamtkunstwerk geschaffen, das es wahrlich in sich hat. Seine Verfilmung des Romans "Der Einzelgänger" von Christopher Isherwood (der bereits die Vorlage für das achtfach OSCAR-prämierte Musical "Cabaret" mit Liza Minnelli lieferte) ist aber keine einfache Kost für den durchschnittlichen Multiplex-Besucher – dafür ist die gesamte, von Ford und seinem katalonischen Kameramann Eduard Grau über weite Strecken in unterkühlten Sepiafarben gehaltene Inszenierung viel zu unrealistisch, undurchsichtig und artifiziell geraten und die (grandiose) Filmmusik von Abel Korzeniowski ("Terra") und Shigeru Umebayashi ("The Grandmaster") zu überbordend und dominant.
"A Single Man" ist aber auch ein Rätsel. Ein expressionistisches, mit Symbolen geradezu überladenes Werk (wenn etwa, nachdem George per Telefon die Nachricht vom Tod seines Lebensgefährten erhalten hat, das Prasseln des Regens unvermittelt so stark anschwillt, daß es alle anderen Geräusche vollständig erstickt), das Interpretationen nicht nur zuläßt, sondern ganz offensiv zu ihnen auffordert. Um ehrlich zu sein, war es für mich sogar ein Heidenspaß (auch bei wiederholter Sichtung des Films), zu versuchen, die unzähligen symbolischen Bilder und Szenen zu interpretieren – oder auch nur herauszufinden, was Ford überhaupt symbolisch gemeint haben könnte und was nicht. Die Künstlichkeit des gesamten Projekts läßt sich neben diversen formalen Stilmitteln (etwa häufigen Zeitlupen oder Schwarz-Weiß-Rückblenden, die wie Calvin-Klein-Werbespots wirken) auch daran erkennen, daß jede einzelne Einstellung bis ins kleinste Detail hinein durchkomponiert ist, beinahe wie bei Stanley Kubrick oder Terrence Malick. Lebensecht wirkt hier kaum etwas abgesehen von der sehr einfühlsam präsentierten Gefühlswelt der zentralen Figuren –, doch das macht "A Single Man" keinesfalls weniger beeindruckend. Eher im Gegenteil.
Beispielsweise ist es sehr augenfällig, daß so gut wie alle Neben- und Statistenrollen von äußerlich makellos erscheinenden Menschen verkörpert werden, die allesamt aussehen wie Models (gekleidet in entsprechende Designer-Klamotten, versteht sich). Was sie vermutlich zumindest teilweise auch sind. Aber liegt das nun darin begründet, daß Ford als Modedesigner daran gewöhnt ist, nur mit den (zumindest nach den nicht immer nachvollziehbaren Maßstäben der Modeindustrie) schönsten Menschen zusammenzuarbeiten und er diese Gewohnheit auf sein Filmdebüt übertragen hat? Oder – noch banaler – steht Tom Ford schlicht und ergreifend auf ausnehmend schöne Menschen und will deshalb nur sie in seinem Film haben? Oder hat diese Besetzungspolitik doch einen etwas tieferen Sinn und soll den Kontrast zwischen all den schönen Menschen und dem so erbarmungswürdigen Innenleben der Hauptfigur des George Falconer betonen? Oder gar ganz allgemein den Kontrast zwischen schönen Menschen und ihren (im Film ebenfalls wiederholt angedeuteten) unschönen Eigenarten von Homophobie über Ignoranz bis hin zu schlichter Destruktivität? Oder vielleicht alles zusammen? Antworten darauf muß jeder für sich selbst finden, aber das macht einen Teil des großen Reizes von Tom Fords Regiedebüt aus.
Ja, "A Single Man" ist ohne Zweifel ein Gesamtkunstwerk. Ein in der heutigen Kinolandschaft außergewöhnliches Erlebnis. Und ein Meisterwerk. Ein Meisterwerk, das nach seinem ebenso überraschenden wie genialen Ende – auch dank Colin Firths begeisternder, einfühlsamer darstellerischen Leistung, die ihm seine erste OSCAR-Nominierung einbrachte und in diesem Text eigentlich viel zu kurz kommt – tief und lange nachhallt. Sofern man willens und in der Lage ist, sich auf den unkonventionellen, durchaus prätentiösen Stil Tom Fords einzulassen.

Fazit: "A Single Man" ist ein sehr spezielles Arthouse-Melodram, das mit seiner virtuos zelebrierten Künstlichkeit ebenso fasziniert wie mit seiner sorgsamen Figurenzeichnung und Colin Firths intensiver Schauspielkunst.

Wertung: 10 Punkte.


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