Regie: Peter Jackson, Drehbuch: Fran Walsh, Philippa Boyens,
Guillermo del Toro und Peter Jackson, Musik: Howard Shore
Darsteller: Martin Freeman, Sir Ian McKellen, Richard
Armitage, Andy Serkis, Manu Bennett, Sylvester McCoy, Ken Stott, James Nesbitt,
Aidan Turner, Graham McTavish, Stephen Hunter, William Kircher, Dean O'Gorman,
John Callen, Peter Hambleton, Jed Brophy, Mark Hadlow, Adam Brown, Cate
Blanchett, Hugo Weaving, Sir Christopher Lee, Sir Ian Holm, Elijah Wood, Barry
Humphries, Brett McKenzie, Lee Pace, Benedict Cumberbatch
Rotten Tomatoes: 64% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $1017,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 169 Minuten.
FSK: 12, Dauer: 169 Minuten.
Der junge Bilbo Beutlin (Martin Freeman) lebt in
seiner gemütlichen Hobbit-Höhle in Hobbingen, als eines Tages der Zauberer
Gandalf (Sir Ian McKellen) bei ihm auftaucht, den er flüchtig aus seiner
Kindheit kennt. Gandalf will ihn zur Teilnahme an einem Abenteuer überreden,
doch Bilbo lehnt vehement ab, schließlich will er einfach nur seine Ruhe haben.
Der Zauberer gibt jedoch nicht klein bei und lädt eigenmächtig 13 Zwerge unter der Führung
des grimmigen Thorin Eichenschild (Richard Armitage) zu Bilbos Behausung ein.
Der überrumpelte Hobbit bewirtet die munteren Gesellen notgedrungen und
erfährt, daß sie ihre vor vielen Jahren von dem furchtbaren Drachen Smaug zu seinem neuen Schatzhort erkorene Bergheimat Erebor endlich zurückerobern wollen. Dafür benötigen sie
allerdings dringend einen Meisterdieb, der sich relativ gefahrlos in der Nähe des Drachen bewegen kann, wofür Gandalf ein leichtfüßiger Hobbit prädestiniert
erscheint. Schließlich siegt in Bilbo tatsächlich die Neugier über die Faulheit
und er macht sich gemeinsam mit Gandalf und den Zwergen auf den langen und
gefährlichen Weg, der ihn unter anderem mit Elben, Trollen und Orks in
Berührung bringen wird ...
Kritik:
Es gibt grob gerechnet zwei Möglichkeiten, wie man an den
ersten Teil von Peter Jacksons Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Vorgeschichte zu
seinem Fantasy-Epos "Der Herr der Ringe" herangehen kann. Als
Tolkien-Fan oder als ganz normaler Zuschauer. Als Tolkien-Fan ist die
Chance groß, daß man begeistert oder zumindest sehr erfreut ist von der Rückkehr nach Mittelerde, die Peter
Jackson ausführlichst zelebriert und wie von ihm gewohnt mit unzähligen
kleinen, liebevollen Details schmückt (Tolkien-Puristen, die sich über jede
Abweichung zur Vorlage aufregen, klammere ich einfach mal aus, denn es gibt
etliche solcher Änderungen). Zuschauer ohne literarische Vorkenntnisse werden
wahrscheinlich nicht ganz so begeistert sein, da vor allem die erste Hälfte des
nahezu dreistündigen Films ein sehr bedächtiges Tempo anschlägt und sich
stärker auf die prächtige Fantasy-Welt und ihre Bewohner konzentriert als auf
die (entsprechend der ursprünglich als Kinderbuch gedachten Vorlage) recht
geradlinige und wenig raffinierte Handlung. Die viel rasantere zweite
Hälfte, die mit stärkerer Orkpräsenz, dem mächtigen Goblinkönig (per Motion
Capture verkörpert vom australischen Kultkomiker und Travestiestar Barry
Humphries alias "Dame Edna") und der ersten Begegnung mit Gollum
(Andy Serkis, der diesmal zusätzlich als 2nd Unit Director und somit eine Art Stellvertreter von Peter Jackson in die Dreharbeiten involviert war) aufwartet, sollte jedoch die meisten Wünsche erfüllen.
In der Tat wirkt die erste Filmhälfte streng genommen wie
ein überlanger Prolog, denn neben der wichtigen Einführung der 13 Zwerge (die
erst in den kommenden beiden Filmen richtig Früchte tragen wird)
dominieren diverse lange Rückblenden. Darin wird unter anderem Smaugs Angriff
auf das Zwergen-Königreich Erebor gezeigt, wobei Jackson natürlich klug genug
ist, den Drachen Smaug noch nicht in Gänze zu enthüllen – lediglich die Beine und den
Schwanz des gewaltigen Ungetüms bekommt das Publikum zu diesem Zeitpunkt zu
Gesicht. Außerdem wird aus dramaturgischen Gründen ein Gegenspieler der Helden
eingeführt, der in Tolkiens Buch nur eine kurze Erwähnung findet, hier jedoch
als Erzfeind Thorins fungiert: der riesige bleiche Ork Azog der Schänder,
Mörder von Thorins Großvater Thráin II., König Erebors.
Die angesprochenen Tolkien-Puristen werden das wohl
anders sehen, aber in dramaturgischer Hinsicht ist die Verwendung des von dem
Maori-Schauspieler Manu Bennett (Crixus in der TV-Serie "Spartacus")
gespielten Azog ausgesprochen schlau. Das größte Problem dieses ersten Teils der
"Hobbit"-Trilogie im Vergleich zu "Der Herr der Ringe" ist
nämlich das Fehlen eines großen Action-Highlights. In "Die Gefährten" gab es
Moria, in "Die zwei Türme" die Schlacht um Isengart und in "Die
Rückkehr des Königs" die Schlacht um Gondor. Im gesamten Buch "Der
Hobbit" gibt es nur einen Konflikt in ähnlicher Größenordnung und der wird voraussichtlich den Höhepunkt des dritten Films mit dem Untertitel "Die Schlacht der fünf Heere" bilden. Für den zweiten Teil
"Smaugs Einöde" wird als Ersatz sicher die Konfrontation
mit dem gigantischen Drachen einwandfrei funktionieren, für den Auftakt in "Eine
unerwartete Reise" gibt das Buch aber einfach nichts auch nur halbwegs
Vergleichbares her. Also führte Jackson (gemeinsam mit seinen drei Co-Drehbuch-Autoren)
Azog den Schänder und als kleineren "Zwischenbösewicht" den Goblinkönig
ein. Das reicht zwar nicht ganz für einen so epischen Höhepunkt wie in den "Der
Herr der Ringe"-Filmen, aber es führt "Eine unerwartete Reise"
zu einem guten Schluß und sollte vor allem diejenigen zufriedenstellen, die von
einer Tolkien-Verfilmung von Peter Jackson einfach düstere Schlachtenbilder
erwarten, ohne sich dabei allzu weit von der literarischen Vorlage zu
entfernen. Am Kreaturendesign läßt sich mitunter übrigens auch noch der Einfluß
des ursprünglich als Regisseur vorgesehenen und am Skript beteiligten
Guillermo del Toro ("Pans Labyrinth", "Hellboy") ablesen.
Generell gelingt es Jackson wieder einmal hervorragend, die
häufigen und im Vergleich zu "Der Herr der Ringe" extremeren
Stimmungsschwankungen zwischen fröhlicher Reisegesellschaft und dramatischen
Szenen in Einklang zu bringen. Dabei ist das diesmal eine sehr schwierige
Angelegenheit, sind doch einige der berühmtesten Begebnisse zu Beginn des Buches
eindeutig kindgerecht beschrieben und passen deshalb nicht wirklich in die
erwachsene "Der Herr der Ringe"-Filmwelt. Speziell die Begegnung mit
den drei gefräßigen Trollen bereits kurz nach dem Aufbruch von Hobbingen ist in
dieser Hinsicht zu nennen. Jackson meistert diese Aufgabe, indem er sich zwar
ziemlich genau an Tolkiens Beschreibung der Szene hält, sie aber doch
einigermaßen ernsthaft und relativ kurz umsetzt. Sehr erfreulich für
Mittelerde-Fans ist zudem, daß Jackson diesmal stärker als speziell in den
Kinofassungen der "Der Herr der Ringe"-Trilogie die für Tolkiens Werke so
wichtigen Lieder und Gedichte einsetzt. So gibt es bereits früh im Film eine
herrliche, spielerische Szene, in der die Zwerge zu einer Art Geschirr-Ballett
den verzweifelten Hausherren Bilbo mit einem neckischen Spottlied triezen. Für
die "normalen" Zuschauer mögen solche Zwergenlieder vielleicht etwas
befremdlich wirken, für Tolkien-Fans sind sie ein wahres Freudenfest.
Gleiches gilt für eine neue Figur, deren Aussparung in
"Der Herr der Ringe" von vielen bedauert wurde. Die Rede ist von dem
etwas wunderlichen, naturverbundenen Zauberer Radagast der Braune
(Ex-"Doctor Who" Sylvester McCoy), dem Jackson diesmal eine größere
Nebenrolle gönnt, obwohl er im Buch nur kurz erwähnt wird. Zudem sorgen etliche
Rückkehrer für viel Wiedersehensfreude im Publikum. Ich will nicht explizit auf
alle diese Gastauftritte eingehen, um nicht zu viel zu verraten, aber drei
Namen möchte ich dennoch nennen. Da ist zum einen natürlich Gollum, der seinen
berühmten Rätselwettstreit mit Bilbo ausführt und sofort wieder jene
Faszination ausübt, die ihn schon in "Der Herr der Ringe" zum
heimlichen Star der Filme gemacht hat. Und wir haben den alten Bilbo und seinen
Neffen Frodo. Sobald bekannt wurde, daß Sir Ian Holm und Elijah Wood ihre
ikonischen Rollen für die "Hobbit"-Verfilmung wieder übernehmen würden,
wurde naheliegenderweise vermutet, daß Bilbos Erzählung von seinen Erlebnissen
die Filme umklammern würde. Im Grunde genommen stimmt das auch, doch ganz
so einfach macht es sich ein Peter Jackson natürlich nicht. Stattdessen startet
sein Prolog mit Bilbo und Frodo wenige Stunden vor den ersten Szenen von
"Die Gefährten". Der noch ahnungslose Frodo bereitet Bilbos große
Geburtstagsfeier vor, während sein Onkel sich heimlich auf seinen Aufbruch aus
dem Auenland vorbereitet und noch schnell sein Buch beenden will, in dem er
Frodo von seinen frühen Abenteuern und dem Fund des Einen Ringes erzählt. Auf
diese Weise schlägt Jackson einen wunderbar runden Bogen zwischen den beiden
Trilogien, selbstverständlich einschließlich diverser Anspielungen und Szenenzitate.
Der neue Hauptdarsteller Martin Freeman ("Shaun of the Dead", "Tatsächlich ... Liebe") macht sich
ausgezeichnet. Er ähnelt seinem älteren Ich
optisch und macht sich sogar bestimmte Bewegungen und Manierismen seines
Vorgängers zu eigen. Sir Ian McKellen ("X-Men") füllt seine OSCAR-nominierte Rolle als
gutmütiger, aber mächtiger Gandalf erneut mit Charisma und Gravitas aus. Leider
mußte er zwangsläufig einen neuen Synchronsprecher erhalten, da Joachim Höppner
vor einigen Jahren verstorben ist – sein Nachfolger Eckart Dux klingt aber ähnlich, weshalb man sich schnell an seine Stimme gewöhnt. Unter den
Zwergendarstellern können vor allem Richard Armitage (bekannt aus britischen TV-Serien wie "Spooks", "Strike Back" und "Robin Hood") als grimmiger, aber
aufrichtiger Thorin Eichenschild, Ken Stott ("Casanova") als ebenso
alter wie weiser Zwergenkrieger Balin (ja, der aus Moria in "Die
Gefährten") und der Ire Aidan Turner (TV-Serie "Being Human
(UK)") als draufgängerischer junger Kili überzeugen, aber Jackson gönnt
allen 13 Zwergen ihre kleinen Momente, in denen sie glänzen können. Schön ist
auch die nicht zu übersehende Ähnlichkeit von Gloin (Peter Hambleton) zu seinem
Sohn Gimli in "Der Herr der Ringe". Und in Kurzauftritten bekommen
die Zuschauer auch bereits Lee Pace ("The Fall", TV-Serie
"Pushing Daisies") als Elbenkönig Thranduil und Benedict Cumberbatch
("Dame, König, As, Spion", TV-Reihe "Sherlock") als
finsterer Nekromant zu Gesicht, die im zweiten Teil bedeutende Rollen spielen
werden.
In technischer Hinsicht ist "Der Hobbit"
erwartungsgemäß wieder eine Wucht. Bereits die "Der Herr der Ringe"-Filme
haben einen neuen Standard für die Qualität von computergenerierten
Spezialeffekten gesetzt, und das Prequel muß sich davor keinesfalls verstecken.
Auch der erstmalige 3D-Einsatz funktioniert einwandfrei. Zwar fällt das
Ergebnis nicht so spektakulär aus wie bei James Camerons "Avatar",
aber die Dreidimensionalität bereichert das Filmerlebnis eindeutig und kommt besonders in
einigen epischen Einstellungen voll zur Geltung. Austattung, Kostüme,
Bühnenbild, Kreaturen-Makeup etc. stehen dem in nichts nach und auch die Musik
von Howard Shore ist wieder sehr schön geworden. Gekonnt ruft Shore im Publikum
immer wieder wohlige Erinnerungen wach, indem er kurz einprägsame Motive aus
der "Der Herr der Ringe"-Trilogie in die neuen, atmosphärischen
Kompositionen integriert. Deren Highlight ist sicherlich das (allerdings nicht von Shore komponierte) majestätische
Zwergen- bzw. "Misty Mountains"-Motiv, das auch den während des Abspanns laufenden, äußerst stimmungsvollen "Song of the Lonely Mountain" von
Crowded House-Sänger Neil Finn prägt.
Eine besondere und ebenso viel wie kontrovers diskutierte
technische Neuerung kann ich leider noch nicht beurteilen. Peter Jackson hat
mit "Der Hobbit" den ersten Film geschaffen, der (in ausgewählten
Kinos) mit einer Framerate von 48 statt 24 FPS (frames per seconds) gezeigt
wird. Durch diese verdoppelte Geschwindigkeit soll sich ein besonders klares,
gestochen scharfes Bild ergeben. Peter Jackson und James Cameron halten das für die
Technologie der Zukunft, etliche Zuschauer und Kritiker bemängeln jedoch, daß
durch diese ultrarealistische Darstellung gerade einem Film wie "Der
Hobbit" die fantastische Atmosphäre verloren gehe. Mein Stammkino zeigt "Der Hobbit" zwar in einem Saal mit 48
FPS (mit einem Euro Aufpreis zusätzlich zu den 1,50 Euro 3D-Aufpreis plus 1
Euro Überlängen-Aufpreis ...), ich wollte ihn aber ganz bewußt
"altmodisch" genießen, um mich voll auf den Inhalt konzentrieren zu
können. Möglicherweise hole ich das 48 FPS-Erlebnis in den nächsten Wochen noch
nach, in diesem Fall werde ich diese Rezension entsprechend ergänzen.
Fazit: "Der Hobbit – Eine unerwartete
Reise" ist eine bildschöne Rückkehr ins Fantasyreich Mittelerde, die mit
ihrer ausschweifenden Erzählweise vor allem Tolkien-Fans glücklich machen
sollte. Für Zuschauer ohne literarische Vorkenntnisse dürfte das sehr
bedächtige Tempo der ersten Filmhälfte mit vielen Rückblenden und einer eher
gering ausgeprägten dramaturgischen Stringenz etwas zäh sein, dafür geht es in
der zweiten Hälfte dann aber so richtig rund und das Fundament für die beiden
Fortsetzungen wird gelegt.
Wertung aus Sicht eines Tolkien-Fans: 9 Punkte. Ohne Mittelerde-Kenntnisse wären es wohl 8 Punkte.
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