Regie: Chloé Zhao, Drehbuch: Chloé Zhao, Patrick Burleigh, Ryan Firpo und
Kaz Firpo, Musik: Ramin Djawadi
Darsteller: Gemma
Chan, Richard Madden, Salma Hayek, Angelina Jolie, Kumail Nanjiani,
Lia McHugh, Don Lee, Barry Keoghan, Lauren Ridloff, Brian Tyree
Henry, Kit Harington, Harish Patel, David Kaye (Stimme), Bill Skarsgård
(Stimme), Haaz Sleiman, Esai Daniel Cross, Patton
Oswalt, Harry Styles, Mahershala Ali (Stimme)
FSK: 12, Dauer: 156
Minuten.
Vor 7000 Jahren
wurden von Arishem, einem Mitglied der uralten und gottgleichen
Celestials, zehn sogenannte Eternals zur Erde geschickt, alterslose
und mit Superkräften ausgestattete humanoide Wesen. Ihre Aufgabe war und ist
es, die Menschen vor den Deviants zu schützen, gefährlichen außerirdischen Predatoren. Nachdem es den von der Heilerin Ajak (Salma Hayek, "Killer's Bodyguard") angeführten Eternals
im 16. Jahrhundert gelang, die letzten Deviants zu töten, gingen sie
ihrer Wege und verteilten sich über die ganze Erde. Doch nun müssen
sich Sersi (Gemma Chan, "Maria Stuart, Königin von
Schottland"), Ikaris (Richard Madden, TV-Serie "Bodyguard"),
Thena (Angelina Jolie, "Maleficent"), Kingo (Kumail
Nanjiani, "The Big Sick") und die anderen wieder
zusammenschließen, denn die Deviants sind zurück und
richten wiederum große Zerstörung an, zumal sie stärker denn je
zuvor zu sein scheinen. Als wäre das nicht schon schlimm genug,
stellt sich heraus, daß nicht weniger als die Zerstörung des
gesamten Planeten Erde unmittelbar bevorsteht und den Eternals von
Arishem befohlen wird, keinesfalls einzugreifen. Während einige von ihnen sich an
den Befehl halten wollen, suchen andere nach einem Weg, die über die
Jahrtausende hinweg und trotz allem doch irgendwie
liebgewonnene Menschheit vor dem schlagartigen Aussterben zu bewahren
...
Kritik:
Kritiker
des Marvel Cinematic Universe – speziell solche aus der Filmbranche
selbst – werfen diesem erfolgreichsten Kino-Franchise aller Zeiten
gerne vor, die einzelne Teile seien alle gleich und die Figuren und
ihre Schicksale würden kaum Emotionen beim Publikum hervorrufen.
Nun, gerade Letzteres ist ein Vorwurf, den jeder nur lächerlich
finden kann, der etwa "Avengers: Endgame" in
einem vollbesetzten Kinosaal gesehen hat – emotionaler kann ein
Kinoerlebnis kaum ausfallen! Aber das läßt sich eben kaum
nachvollziehen, wenn man nur ein paar MCU-Filme gesehen hat und somit
nicht die jahrelange, von Marvel-Mastermind Kevin Feige penibel
gestaltete gemeinsame Reise von Superhelden, ihren menschlichen
Helfern und den Millionen Zuschauern weltweit angetreten hat. Zudem
zeichnet sich das MCU gerade durch den großen
Abwechslungsreichtum aus, so werden zahlreiche Genres
abgedeckt vom Kriegsfilm ("Captain America") über
Heistkomödien ("Ant-Man"), Fantasy- ("Shang-Chi"),
SciFi- ("Guardians of the Galaxy") und Mysteryfilmen
("Doctor Strange") bis hin zu klassischem
Superhelden-Actionkino (z.B. "Iron Man"). Dennoch sind die
Vorwürfe zugegebenermaßen nicht komplett von der Hand zu weisen,
ist eine gewisse Marvel-Formel doch klar erkennbar, deren einzelne
Elemente sich in allen oder sehr vielen MCU-Vertretern wiederfinden –
allen voran der Humor, der selbst in den düstersten Werken nie zu
kurz kommt, und leider auch die Tatsache, daß fast jeder MCU-Film
mit einer spektakulären Finalschlacht endet (Ausnahmen wie "Doctor
Strange" gibt es). Aber ganz offensichtlich kommt das
bei einem Großteil des Publikums hervorragend an, das sowohl das
Gewohnte als auch die regelmäßigen neuen Facetten zu schätzen
weiß. Zu denen trägt "Eternals" von der OSCAR-Gewinnerin
Chloé Zhao ("Nomadland") bei, denn hier erfahren wir im
Grunde genommen, wie ein Marvel-Film aussähe, hätte ihn William
Shakespeare geschrieben. Zugegeben, die Handlung wäre dann sicherlich
komplexer, dennoch wirkt "Eternals" wie eine
Shakespeare-Version des MCU, was Zhao mit einer betont
melodramatischen Inszenierung unterstreicht. Das Resultat ist leider nicht ganz rund und bescherte dem MCU die bis dahin
schwächsten Kritiken, unterhält aber trotz nicht wirklich nötiger
Überlänge die meiste Zeit über gut.
Die
wohl größte Leistung von Regisseurin Chloé Zhao ist es, eine
Handlung, die 7000 Jahre und ein zehnköpfiges zentrales
Figurenensemble umspannt, kohärent in zweieinhalb Stunden zu packen
und dabei sogar jedem einzelnen Charakter gerecht zu werden. Die zehn
Eternals sind dabei weitgehend gleichgestellt, lediglich Sersi und
Ikaris stechen erkennbar hervor. Es erweist sich als clever, daß die
Eternals zwar gemeinsam vorgestellt werden (als sie erstmals auf die
Erde kommen), die Handlung dann aber in die Gegenwart springt, als
sie sich über den gesamten Planeten verstreut haben – denn auf
diese Weise kommt es zu einem klassischen "Wir stellen das Team
zusammen"-Handlungsstrang á la "The Avengers", in dessen Verlauf wir die
außerirdischen Superhelden besser kennenlernen. Und die sind mit
ihren unterschiedlichen Kräften allesamt spannend: Sersi kann
Materie durch Berührung verwandeln (z.B. einen Bus in Rosenblüten),
Ikaris erweist sich als Superman-Pendant, das fliegen kann und aus den
Augen Laserstrahlen verschießt, Kingo – der seine "Freizeit"
genutzt hat, um gefeierter Bollywood-Star zu werden –
attackiert Feinde mit Energieprojektilen. Die jugendliche Sprite (Lia
McHugh, "The Lodge") erschafft meisterhafte Illusionen, die
gehörlose Makkari (Lauren Ridloff, TV-Serie "The Walking Dead")
ist rasend schnell, Druig (Barry Keoghan, "The Green Knight")
könnte theoretisch die gesamte Menschheit gleichzeitig gedanklich
beherrschen und Phastos (Brian Tyree Henry, "Hotel Artemis")
ist ein Technikgenie. Dann sind da noch Thena – die griechische
Kriegsgöttin Athene höchstpersönlich! –, ihr superstarker
Begleiter Gilgamesh (Don Lee, "Train to Busan", wo er unter seinem koreanischen Namen Ma Dong-seok agierte) und die
Anführerin Ajak, die über außergewöhnliche
(Selbst-)Heilungskräfte verfügt. Ein äußerst vielseitiges Team also,
das gegen jegliche Gefahren gewappnet sein sollte – gäbe es da nicht
durchaus gewisse interne Spannungen, speziell hinsichtlich des
Schicksals der Menschheit. Besonders Druig ist vom
"Nichteinmischungsbefehl" schon seit Jahrhunderten genervt,
aber auch Sersi und Makkari würden das Ende der Menschheit gern
verhindern, wohingegen Ikaris, Sprite und Kingo dafür plädieren,
einfach weiterhin Arimeshs Befehlen zu folgen (zumal das Überleben
der Menschheit sehr wohl auch negative Konsequenzen nach sich ziehen
würde).
Die
Schauspieler sind allesamt gut ausgewählt, wobei Angelina Jolie als
antike Kriegsgöttin Athene eine besonders gute Idee war und Kingo mit
seinem menschlichen Butler Karun (Harish Patel, "Run Fatboy
Run") für den Großteil des Humors sorgt. Man
kann darüber diskutieren, wie gut dieser zum sonst bierernsten Ton der
wie gesagt offen shakespearesken Inszenierung paßt, für sich
genommen geraten die einzelnen Szenen aber ziemlich amüsant (und natürlich hat der Barde seine Dramen auch oft mit komischen Nebenfiguren gewürzt). Rein
logisch ist es außerdem fragwürdig, warum der gottgleiche
Arimesh Eternals kreiert, die einen schottischen oder hispanischen
Akzent haben oder gehörlos sind oder sogar ein niemals alterndes
Kind – Antworten darauf erhalten wir leider nicht, wobei den
Filmemachern die Problematik zumindest klar zu sein scheint, immerhin
darf Sprite einmal die gleiche Frage stellen. Letztlich ist es ja
auch kein Problem und man kann sich über die in jeder Hinsicht
vielfältige Zusammenstellung des Teams freuen, aber unerwähnt
sollte der Logik- und Glaubwürdigkeitsmangel nicht bleiben. Dafür
ist es umso schöner, daß Gemma Chan und Richard Madden als die
beiden noch etwas zentraleren Protagonisten so gut
funktionieren. Gerade ob des sonstigen hochkarätigen Casts
ist es schon bemerkenswert, zwei speziell im Kino deutlich
unbekannteren Schauspielern die wichtigsten Rollen zu überlassen,
doch Gemma Chan – die hiermit bereits ihren zweiten
Auftritt im MCU hat, denn in "Captain Marvel" spielte sie
die ebenfalls außerirdische Nebenrolle der Minn-Erva – gibt als
empathische Sersi eine exzellente Identifikationsfigur für das
Publikum ab, während Richard Madden als strahlender, edler Held überzeugt
und sich durchaus nicht hinter dem "echten" Superman Henry
Cavill verstecken muß. Mein persönlicher Favorit ist allerdings der
von Barry Keoghan schön miesepetrig, aber dennoch charismatisch
verkörperte Druig.
Nachdem
ich nun ganze zwei Abschnitte auf die Figuren verwendet habe, dürfte
implizit auch schon klar sein, warum "Eternals" trotzdem
nicht zu den besten MCU-Filmen zählt: Wer so viel Zeit für die
Vorstellung seines Ensembles benötigt, der hat nicht mehr allzu viel
Raum für eine spannende Story. Selbst die Figurenzeichnung bleibt
letztlich notgedrungen recht oberflächlich, eine eindeutige
Entwicklung durchläuft kaum einer der Superhelden innerhalb der 150
Minuten – und bei der Handlung sieht es noch schlechter aus. Denn so
unterhaltsam das Rekrutieren der einzelnen Eternals an den
verschiedensten Orten auch ausfällt, kann es die ausgesprochen dünne
Kernhandlung doch nicht überdecken und die zu Beginn häufigen
Rückblenden bremsen das sowieso überschaubare Erzähltempo
zusätzlich aus (speziell den wenig erhellenden Blick auf die
Eternals in Babylon hätte man auch komplett streichen können). Die
Bedrohung ist zwar unmittelbar und gewaltig, aber zugleich sehr
abstrakt. Einen richtigen Bösewicht, auf den man sich konzentrieren
könnte, gibt es nicht, dafür sind die Deviants als persönlichkeitslose Alien-Raubtiere zu generisch. Immerhin gibt es
einige überraschende Wendungen, die sogar ziemlich gut
funktionieren, dennoch ist die Geschichte weit davon entfernt,
komplex oder auch nur ansatzweise originell zu sein. Und natürlich
mündet alles auch hier in eine fulminante finale Schlacht, die jedoch wirklich spektakulär und abwechslungsreich ausfällt –
den verschiedenen Fähigkeiten der Eternals sei es gedankt. Generell
sieht "Eternals" ausgesucht edel aus und Chloé Zhao und ihr
Kameramann Ben Davis ("Three Billboards ...") haben zahlreiche grandiose Bilder geschaffen,
die man idealerweise auf der größtmöglichen Kinoleinwand genießen
sollte; zur melodramatischen shakespearesken Überhöhung trägt außerdem
die schöne Filmmusik von "Game of Thrones"-Komponist Ramin
Djawadi bei. Grundsätzlich können sich wie erwartet auch die
zahllosen Spezialeffekte der $200 Mio.-Produktion sehen lassen, nur
das Design der allzu offensichtlich computergenerierten Deviants
erreicht meines Erachtens nicht das übliche Marvel-Niveau. Alles in allem
ist "Eternals" ein ambitioniertes
Superhelden-Actiondrama, das fraglos seine Schwächen hat und
überlang geraten ist, aber einen ganzen Haufen spannender neuer
Figuren mit enornem Potential für zukünftige Abenteuer einführt
(in den zusätzlichen Szenen im Abspann kommen sogar noch weitere
dazu!), optisch und akustisch auf der ganzen Linie überzeugt und
letztlich auch ordentlich unterhält. Und wir wollen nicht vergessen,
daß die Einführung neuer Superhelden im MCU häufig ein wenig zäh
gerät ("Thor", "Captain America", "Ant-Man")
und diese erst in den folgenden Filmen zu großer Form auflaufen.
Hoffen wir, daß dies auch bei den Eternals der Fall ist.
Fazit:
Chloé Zhaos "Eternals" ist ein überambitioniertes,
überlanges Superhelden-Actiondrama mit ungewohnt ernstem Tonfall,
grandioser Technik und einem überzeugenden Ensemble, das aber von einer allzu
generischen Story ausgebremst wird.
Wertung:
7 Punkte.
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