Regie: Cate Shortland, Drehbuch: Eric Pearson, Musik: Lorne Balfe
Darsteller: Scarlett
Johansson, Florence Pugh, David Harbour, Rachel Weisz, Ray Winstone,
William Hurt, O-T Fagbenle, Olga Kurylenko, Ever Anderson, Violet
McGraw, Jade Xu, Michelle Lee, Olivier Richters, Julia Louis-Dreyfus,
Jeremy Renner (Stimme)
Rotten Tomatoes: 79%
(6,9); weltweites Einspielergebnis: $379,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 134
Minuten.
Ohio, 1995: Die
gerade am Anfang ihrer Pubertät stehende Natasha (Ever Anderson,
„Resident Evil: The Final Chapter“) führt mit ihrer kleinen
Schwester Yelena (Violet McGraw) und ihren Eltern Melina (Rachel
Weisz, „Das Bourne Vermächtnis“) und Alexei (David Harbour,
„Zeiten des Aufruhrs“) ein glückliches Kleinstadtleben –
zumindest vorgeblich. In Wirklichkeit sind die Wissenschaftlerin Melina
und der einzige russische Supersoldat Alexei alias „Red Guardian“
Schläfer-Agenten des ehrgeizigen Generals Dreykov (Ray Winstone,
„Noah“), die von kleinauf als Killerin ausgebildete Natasha
und Yelena sind ihren echten Eltern geraubte Kinder – wobei
einzig die 6-jährige Yelena nichts davon weiß. Umso erschütternder
ist es, als Alexei auffliegt und die Scheinfamilie überhastet und
verfolgt von S.H.I.E.L.D.-Agenten nach Kuba fliehen muß, wo Dreykov sie trennt und fortan für andere Zwecke verwendet. 21 Jahre
später ist Natasha Romanoff (Scarlett Johannson, „Marriage Story“)
längst aus Dreykovs „Obhut“ ausgebrochen und in den Westen
übergelaufen, wo sie als Black Widow zur bewunderten Superheldin und
ersten weiblichen Avenger wurde. Doch dann haben die dramatischen
Ereignisse aus „The First Avenger: Civil War“ die Avengers
gespalten und Black Widow befindet sich auf der Flucht vor General Ross
(William Hurt, „Robin Hood“). Als sie den General und
seine Leute abgeschüttelt hat, wird Natasha sehr schnell von
ihrer Vergangenheit eingeholt, denn ihre Schein-Schwester Yelena
(Florence Pugh, „Little Women“) hat ihr ein geheimnisvolles
Päckchen geschickt, hinter dem ebenfalls der furchteinflößende
maskierte "Taskmaster" her ist. Es stellt sich heraus, daß Dreykov
hinter der Sache steckt und um an ihn heranzukommen, müssen Natasha
und Yelena sich mit ihren Fake-Eltern vereinen …
Kritik:
Der von der
australischen Regisseurin Cate Shortland ("Lore")
inszenierte "Black Widow" wirkt ein bißchen, als würde
Marvel Cinematic Universe-Chef Kevin Feige ein Versäumnis in letzter
Minuten noch schuldbewußt wiedergutmachen wollen. Immerhin war
Natasha Romanoff alias Black Widow der erste und jahrelang auch einzige
weibliche Superheld im MCU, ein Avenger der ersten Stunde und
folgerichtig eine der beliebtesten Figuren im Marvel-Kosmos – trotzdem bekam sie in den fast zehn Jahren
zwischen ihrem ersten Auftritt im MCU (2010 in "Iron Man 2")
und ihrem chronologisch letzten (2019 in "Avengers: Endgame")
keinen Solofilm spendiert. Gut, dieses Schicksal teilt sie sich mit Hulk, Scarlet Witch oder Hawkeye, außerdem spielte sie in vielen MCU-Filmen eine große
Rolle; trotzdem wirkt es merkwürdig und ungerecht, daß der erste
Solofilm einer Marvel-Superheldin an die debütierende "Captain Marvel" ging
und nicht an sie. Mit "Black Widow" erhält sie immerhin
den zweiten, der Phase IV des MCU einläutet und chronologisch
zwischen "Captain America 3" und "Avengers: Infinity
War" angesiedelt ist, also nach dem Bruch zwischen den Avengers,
der Natasha zu einer Flüchtigen macht. Diese Prämisse nutzt das
Drehbuch von Eric Pearson ("Thor 3") geschickt, um dem
Publikum endlich etwas mehr über Natashas Vergangenheit zu erzählen
(die bis dahin nur kurz angeschnitten worden war)
und zugleich in Person ihrer Ziehschwester Yelena ihre potentielle
Nachfolgerin im MCU einzuführen. Daß die Story eher
zweckmäßig und nicht übermäßig spektakulär ausfällt, ist zwar
schade, trotzdem macht "Black Widow" viel richtig und
bereitet seiner titelgebenden Heldin nachträglich jenen würdigen
Abschied, den sie sich wahrlich verdient hat, nachdem sie in
"Avengers: Endgame" eher stiefmütterlich behandelt worden
war (was jedoch angesichts der umwälzenden Ereignisse dieses Films schwer zu vermeiden war).
Inhaltlich wäre die
Realisierung von "Black Widow" eigentlich nicht nötig
gewesen, da er eine Lücke füllt, von der das Publikum
ohne den Film gar nichts gewußt hätte. Zumindest gilt das nach
jetzigem Stand, denn es kann gut sein, daß man die Bedeutung von
"Black Widow" für das MCU erst im Nachhinein wird
vollständig begreifen können – so ähnlich wie bei "Avengers:
Age of Ultron", der mehr wichtige Fährten und Grundsteine für
die kommenden Jahre legte, als man beim Release erahnen konnte. Ich
glaube zwar nicht, daß das bei "Black Widow" ähnlich sein
wird, ein paar mögliche Ansätze gibt es aber sehr wohl
(etwa hinsichtlich der "Widows" – mitsamt eines
kurzen Auftritts einer Figur, die wenig später in "Shang-Chi"
wieder auftauchen sollte – oder der von Olga Kurylenko verkörperten
Figur, über die ich aus Spoilergründen nicht mehr verraten will).
Unabhängig davon haben sich Scarlett Johansson und Black Widow als
ein Stützpfeiler des momumentalen MCU-Erfolgs diese Ehrenrunde
natürlich mehr als verdient und erfreulicherweise fällt sie
gewohnt unterhaltsam aus und dabei sogar humorvoller
als es wohl zu erwarten war. Die Rückblenden in Natashas Kindheit (in der sie von Milla Jovovichs Tochter Ever Anderson gespielt wird) und
auf ihre zusammengeschusterte und entsprechend
dysfunktionale, aber irgendwie trotzdem halbwegs funktionierende
Patchwork-Familie sind sinnvoll und geben Natasha mehr
charakterliche Tiefe, auch wenn das natürlich ziemlich spät kommt.
Nebenbei bereichert "Black Widow" das MCU auch genremäßig
um eine weitere Facette, wobei sich Shortlands Film über weite
Strecken gar nicht wie ein typisches Marvel-Superhelden-Abenteuer
anfühlt, sondern wie ein (abseits der Superkräfte) relativ
klassischer, eigenständiger Spionage-Actionthriller. So etwas gab es
zwar bereits mit "Captain America 2",
dennoch fühlt sich "Black Widow" bodenständiger
an – Natashas Kräfte reichen nunmal nicht an die des fast
unbesiegbar erscheinenden Supersoldaten Steve Rogers aka Captain
America heran.
Die an
Genreklassiker wie "Die drei Tage des Condor" oder den wie "Black Widow" auf viel Humor setzenden "Sneakers" erinnernden Spionageelemente funktionieren gut, besonders viel Spaß macht aber Natashas dysfunktionale Fake-Familie, wobei die teilweise
selbstironischen Frotzeleien zwischen den Ziehschwestern
(wenn sich beispielsweise Yelena über Natashas ikonische Kampfposen lustig
macht) ebenso für Lacher sorgen wie der etwas einfältige, jedoch
liebenswerte "Vater" Alexei. "Mutter" Melina ist
eher für den ernsten Part zuständig, zumal ihre Rolle die
ambivalenteste ist und es lange unklar bleibt, was sie wirklich im
Schilde führt. Man würde dieses wunderbar harmonierende und mit
Johansson, Florence Pugh (die sich garantiert als
hervorragende Johansson-Nachfolgerin erweisen wird), Rachel Weisz
und David Harbour toll besetzte Quartett gerne auch künftig öfter
in Aktion sehen, aber das wird nach Black Widows Abschied vom MCU
wohl höchstens als Trio möglich sein (wobei man im
Superhelden-Genre bekanntlich niemals nie sagen wollte, zumal
angesichts der Einführung des Multiversums …). Wenngleich der
Humor oft im Vordergrund steht, ist die Action in "Black Widow"
von gewohnt hoher Qualität: Die Kämpfe und Verfolgungsjagden
sind so hochwertig wie abwechslungsreich choreographiert und explosiv
in Szene gesetzt, außerdem gibt es mit dem Taskmaster einen
durchaus beeindruckenden und selbst für Black Widow ernstzunehmenden
Gegenspieler, der deutlich mehr Laune macht als der recht
klischeehafte (wenngleich nicht zu unterschätzende) Hauptantagonist
General Dreykov. Alles in allem stellt "Black Widow" also
trotz der nicht allzu bemerkenswerten Kernstory eine sehenswerte
Abschiedsvorstellung für seine Titelheldin dar, der er ein letztes
großes Abenteuer und einige spannende Einblicke in ihre
Vergangenheit und Familie gönnt. Man wird Black Widow vermissen, so
viel ist sicher!
Fazit: "Black
Widow" ist ein wenig originelles, jedoch sehr
unterhaltsames, actionreiches und humorvolles
Spionage-Abenteuer, das vor allem von seiner charismatischen
Hauptdarstellerin und ihrer ähnlich hochkarätigen Co-Besetzung
lebt.
Wertung:
Knapp 8 Punkte.
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