Regie und Drehbuch: Adam McKay, Musik: Nicholas Britell
Darsteller: Leonardo
DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett, Mark
Rylance, Rob Morgan, Jonah Hill, Timothée Chalamet, Melanie Lynskey,
Ariana Grande, Scott Mescudi, Tyler Perry, Ron Perlman, Paul
Guilfoyle, Himesh Patel, Robert Joy, Tomer Sisley, Michael Chiklis,
Liev Schreiber (Stimme), Sarah Silverman, Chris Evans
Rotten Tomatoes: 55%
(6,3); weltweites Einspielergebnis: $0,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 142
Minuten.
Als die
Astronomie-Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence, "Red
Sparrow") einen neuen Kometen entdeckt, ist die
Freude bei ihr und ihrem Chef Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio,
"The Revenant") zunächst groß – bis ihre Berechnungen
ergeben, daß der fast zehn Kilometer große Komet in etwas mehr als
sechs Monaten auf der Erde einschlagen und voraussichtlich alles
Leben vernichten wird! Natürlich schlagen Kate und Dr. Mindy sofort
Alarm und nachdem die Entdeckung von einigen Kollegen bestätigt
wird, wollen die skandalgeplagte US-Präsidentin Janie Orlean
(Meryl Streep, "Die Verlegerin") und der visionäre, exzentrische
IT-Unternehmer Peter Isherwell (Mark Rylance, "Bridge of
Spies") den Kometen mit Atombomben von seinem Kurs ablenken.
Die vielversprechende Mission wird jedoch in letzter Minute abgebrochen,
als Isherwood entdeckt, daß der Komet aus wertvollen "Seltenen
Erden" und anderen Mineralien besteht. Daraufhin plant Isherwell
gegen den vehementen Widerstand von Dr. Mindy, Kate, dem zuständigen
NASA-Experten Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan, "The Last Black Man in San Francisco")
und der meisten wissenschaftlichen Experten, den Kometen in einer
hochriskanten Aktion in viele kleine Teile zu sprengen, die daraufhin vergleichsweise ungefährlich auf der Erde aufkommen sollten und
weiterverwertet werden könnten. Die Gefährlichkeit des Plans
wird von der Präsidentin und ihren Gefolgsleuten in Politik
und Medien systematisch heruntergespielt, um die Bevölkerung ruhig
zu halten, während Dr. Mindy, Kate und andere verzweifelt versuchen,
noch zu retten, was zu retten ist ...
Kritik:
Man könnte meinen,
Adam McKay habe mit "Don't Look Up" eine schnelle
satirische Reaktion auf die weltweite Corona-Pandemie abgeliefert,
aber in Wirklichkeit waren es der Klimawandel und der bislang viel zu
langsame, halbherzige und schwerfällige Kampf dagegen, welche den
Satire-Spezialisten ("Anchorman", "The Big Short",
"Vice") zu seinem Werk inspirierten. Daß dieses während einer Pandemie veröffentlicht wird, bringt Vor- und Nachteile mit
sich. Größter Vorteil ist, daß "Don't Look Up" unfaßbar
zeitgemäß wirkt und den Nerv einer von Corona und den wankelmütigen
politischen Maßnahmen dagegen (die einigen viel zu weit
gehen und vielen anderen nicht ansatzweise weit genug, wobei das natürlich von Land zu Land unterschiedlich ist) traumatisierten
Gesellschaft trifft, weshalb wirklich jeder bei der Thematik mitreden
kann. Eher nachteilig ist, daß genau deshalb sehr offensichtlich
ist, wo sich McKays in den meisten Ländern bei Netflix
veröffentlichter Film als prophetisch erweist und wo er in
seiner überzogenen Darstellung doch eher einfach nur albern ist.
Interessanterweise ergibt sich hier wieder einmal ein deutlicher
Unterschied zwischen Kritiker- und Zuschauermeinungen. Während
"Don't Look Up" bei vielen Kritikern nur mittelmäßig
abschneidet, scheint er beim "normalen" Publikum viel
besser anzukommen. Bedauerlicherweise muß
ich den Kritikern zustimmen, denn obgleich der
stargespickte "Don't Look Up" seine starken Momente hat,
enttäuscht er vor allem in der ersten Hälfte mit allzu plakativ
präsentierten Storysträngen, die kaum interessante Ideen
enthalten und im Wesentlichen das Offensichtliche betonen.
Möglicherweise begründet sich die sehr positive Aufnahme bei vielen
Zuschauer darauf, daß der Film einfach genau ihre
Meinung bebildert und sie ihn deshalb für besser halten als er ist –
aber vielleicht trifft "Don't Look Up" ja auch einfach
nicht meinen Humorgeschmack. Jedenfalls reicht McKays neues Werk
in meinen Augen nicht ansatzweise an seinen OSCAR-gekrönten "The
Big Short" oder den ebenfalls sehr gelungenen
(aber geschichtsverfälschenden) "Vice" heran, sondern
zählt zu den größeren Enttäuschungen des Jahres 2021.
Gerade die erste
Hälfte des mit fast zweieinhalb Stunden sowieso etwas lang geratenen
Films kann die Erwartungen nicht erfüllen. Zwar ist die Beschreibung
des behördlichen Chaos nach der Entdeckung des Kometen und des
inkompetenten, rein auf den eigenen Vorteil bedachten Weißen Hauses
ziemlich treffend (es ist klar erkennbar, daß McKay sein Drehbuch
während der Trump-Administration verfaßte), aber die Darstellung
läßt jegliche Subtilität vermissen und der Humor kommt arg platt
daher. Dabei hat "Don't Look Up" ein wenig Pech, daß durch
die reale Pandemie, während der er veröffentlicht wurde,
viele parodistische Elemente an Effektivität verlieren. Adam McKay will die Absurdität der immer weiter verzögerten
politisch-wirtschaftlich-gesellschaftlichen Reaktionen auf den
Klimawandel – vor dessen Folgen Experten buchstäblich seit
Jahrzehnten warnen – herausarbeiten, indem er mit dem Kometen eine im
Kern ähnliche, aber deutlich unmittelbarere Gefahr präsentiert und
die Aktionen und Reaktionen verschiedener Gruppen darauf überhöht.
Dadurch, daß wir selbst gerade eine ähnliche Situation
durchleben, funktioniert das weniger gut als gewünscht, weil
wir inzwischen wissen, daß die Absurdität der Realität teilweise
noch drastischer ist als alles, was sich ein Drehbuch-Autor
ausdenken kann. Dabei muß man McKay in einigen Bereichen sehr wohl
für seine Weitsicht loben: Daß 23% der Amerikaner schlichtweg die
Existenz des Kometen verleugnen und die trumpistische Regierung dies mit ihrer in ihrer hirnrissigen Schlichtheit erschreckend realistisch wirkenden "Don't
Look Up"-Bewegung noch unterstützt, nimmt die Corona-Leugner
beispielsweise sehr treffend und zielgenau vorweg (oder auch den beträchtlichen Teil der amerikanischen Rechten, der entgegen aller Fakten und Gerichtsurteile bis heute Trumps Abwahl für Betrug hält, worauf es im Film ein paar dezente Anspielungen gibt). Neben diesen
gelungenen Einfällen – die sich größtenteils auf die zweite
Filmhälfte konzentrieren – gibt es aber auch viele
unoriginelle und arg offensichtliche Gags, wobei ich insgesamt
sowieso nur einen (immerhin mehrstufigen) Gag richtig gut fand, der
mit dem von "CSI"-Veteran Paul Guilfoyle gespielten General
Themes zusammenhängt und vor allem deshalb so gut funktioniert, weil
Jennifer Lawrence ihn grandios verkauft.
Ansonsten
gibt es einiges zum Schmunzeln – wie Ron Perlmans ("Hellboy") zutiefst politisch
unkorrekten Redneck-Piloten, der die Mission zur Umleitung des Kometen
durchführen soll –, aber sonderlich lustig ist das meiste nicht.
Vielmehr setzt McKay zu häufig auf Holzhammer-Humor und
Albernheiten, die mitunter dermaßen überzogen und unrealistisch sind,
daß man sie kaum noch als satirisch durchgehen lassen kann. Zudem
erweist sich "Don't Look Up" als ausgesprochen USA-lastig –
der Rest der Welt wird zwar nicht komplett ignoriert, jedoch nur
alibihaft am Rande erwähnt, was speziell in der ersten Hälfte (als
der Komet entdeckt ist, die US-Regierung es aber vorzieht, ihn
zu ignorieren) einige Logikschwächen mit sich bringt. Aber
zum Glück hat McKay wieder einmal ein grandioses Schauspielensemble
zusammengestellt, das über einige Defizite hinwegtäuscht. Der MVP
des Films ist zweifellos Leonardo DiCaprio, dessen Figur des Dr.
Randall Mindy als einzige eine nennenswerte Entwicklung durchläuft und sich vom
wohlmeinenden, aber weltfremden, naiven und leicht manipulierbaren
Wissenschaftler zum Medienstar (mitsamt Affäre mit der von Cate
Blanchett verkörperten TV-Moderatorin Brie) entwickelt, um dann in einer
eindrucksvollen Wutrede im Live-TV doch die Kurve hin zu jenem
verantwortungsvollen Wissenschaftler und Mensch zu kriegen, der er
eigentlich ist. Ansonsten kann einzig Jennifer Lawrence als
geradlinige Kate etwas Tiefe entwickeln, während die
übrigen Charaktere primär personifizierte Klischees sind.
Das ist in einer Satire nicht notwendigerweise schlecht und in der
Tat macht es Laune, Meryl Streep die US-Präsidentin als
furchterregende Mischung aus Sarah Palin und Donald Trump spielen zu
sehen oder Jonah Hill ("The Wolf of Wall Street") ihren Sohn und Stabschef Jason als
inkompetenten, ödipalen Donald Trump Jr.-Verschnitt. Für
deutschsprachige Zuschauer gibt es sogar noch ein kleines
Extra-Schmankerl, da Mark Rylances schauerlicher – aber letztlich
erstaunlich inkompetenter und als angebliche Tech-Legende damit nur wenig glaubwürdiger – Steve Jobs/Mark Zuckerberg-Mix Isherwell dem deutschen Komiker Johann König nicht nur ähnlich
sieht, sondern (jedenfalls im Originalton) genau so klingt wie dieser
… Technisch gibt es derweil wenig an "Don't Look Up"
auszusetzen: Der drohende Weltuntergang sieht richtig gut aus,
die Musik von Nicholas Britell ("Moonlight") untermalt ihn
hörenswert, wenn auch ohne Höhepunkte. Unterm Strich
bleibt eine Satire, die das Herz erkennbar am rechten Fleck hat und
deren inhaltlichen Aussagen ich persönlich zu nahezu 100% zustimme –
zu einem guten Film reicht das aber nicht, da es der Story an Ideen
und der Satire trotz des gelungenen Endes (das aber kaum jemanden
mehr überraschen dürfte) oft an Schärfe fehlt und sich "Don't
Look Up" letztlich in erster Linie an jene Zuschauer richtet,
die McKays Ansichten sowieso teilen.
Fazit:
"Don't Look Up" ist eine durchaus gut beobachtete,
teils prophetische Politik-, Medien- und Gesellschaftssatire mit
Star-Besetzung, die ihr Potential aber weitgehend brachliegen läßt
und inhaltlich zu einfallslos ist, um voll überzeugen zu können.
Wertung:
6 Punkte.
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