Originaltitel: Woman Walks Ahead
Regie: Susanna
White, Drehbuch: Steven Knight, Musik: George Fenton
Darsteller: Jessica
Chastain, Michael Greyeyes, Sam Rockwell, Chaske Spencer, Bill Camp,
Ciarán Hinds
FSK: 12, Dauer: 103
Minuten.
Im Jahr 1889
entschließt sich die seit knapp einem Jahr (nicht unglücklich)
verwitwete New Yorker Malerin Catherine Weldon (Jessica Chastain,
"Molly's Game") dazu, in den Westen zu reisen, um den
legendären Indianerhäuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes,
"The New World") zu portraitieren. Als sie per Zug im
Standing Rock-Reservat ankommt, wird Catherine auf dem Militärstützpunkt
Fort Yates nicht gerade herzlich willkommen geheißen –
genaugenommen schicken sie der für die Indianer-Angelegenheiten zuständige US-Beamte James McLaughlin
(Ciarán Hinds, "Die Frau in Schwarz") und der im gleichen
Zug angekommene Colonel Silas Grove (Sam Rockwell, "See How They Run") direkt zurück nach New York. Neben einer
ganz grundsätzlichen Abneigung des Militärs – speziell nach der
demütigenden Niederlage in der Schlacht am Little Bighorn – gegen
die Ureinwohner romantisierende Ostküsten-Aktivisten
liegt das auch daran, daß eine Abstimmung unter diesen
über ein Landzuteilungsgesetz unmittelbar bevorsteht, das ihnen noch
einmal etwa die Hälfte ihres verbliebenen Landes nehmen würde. Der für die Armee arbeitende Lakota Chaske (Chaske Spencer, TV-Miniserie "The
English"), Neffe von Sitting Bull, führt Catherine aber heimlich zu
seinem Onkel, der sich inzwischen als Kartoffelbauer zurückgezogen
hat. Nach anfänglicher Skepsis stimmt Sitting Bull zu, sich von Catherine malen zu lassen, die wiederum
zunehmend entsetzt ist über die Zustände, in denen die Indigenen
leben müssen ...
Kritik:
Im Kern erzählt
dieses wenig aufregende, jedoch durchaus sehenswerte Western-Biopic der
britischen Regisseurin Susanna White ("Verräter wie wir")
eine wahre Geschichte. Allerdings nehmen sie und Drehbuch-Autor
Steven Knight (TV-Serie "Peaky Blinders") sich dabei einige künstlerische Freiheiten. So war die echte Caroline (nicht
Catherine) Weldon nicht verwitwet, sondern nur geschieden und hatte
zudem einen kleinen Sohn, den sie auf ihre Reise zu Sitting Bull
mitnahm. Dieser wiederum war anders als im Film keineswegs allein, sondern hatte eine Familie – daß es wie im Film zu romantischen Anbandlungen zwischen Catherine und
Sitting Bull kam, dürfte also ziemlich unwahrscheinlich sein (obwohl
entsprechende Gerüchte vom echten McLaughlin gestreut wurden). Zudem
war die echte Mrs. Weldon bereits vor ihrer Reise eine Aktivistin für
die Rechte der amerikanischen Ureinwohner, wogegen sie sich im Film
erst durch ihre Begegnung mit Sitting Bull und die Konfrontation mit
den katastrophalen Zuständen vor Ort dazu entwickelt. Oh, und
natürlich sind die Darsteller dieser beiden historischen Figuren
erheblich fotogener als ihre Vorbilder, aber das ist in Hollywood ja ganz normal. Trotz
dieser Abweichungen funktioniert "Die Frau, die vorausgeht"
als empathischer Blick auf eine sehr unrühmliche amerikanische Ära
ziemlich gut, was auch den schauspielerischen Leistungen zu verdanken
ist, allen voran jener von Hauptdarstellerin Jessica Chastain.
Die
OSCAR-Gewinnerin (für "The Eyes of Tammy Faye") dominiert
"Die Frau, die vorausgeht" mit ihrer sehr
einnehmenden Darstellung der Malerin, ohne den übrigen
Ensemble-Mitgliedern die Luft zum Atmen zu nehmen. Wie sich ihre
Catherine von der idealistisch-naiven, betont apolitischen, jedoch –
auch aufgrund ihrer wenig glamourösen Vergangenheit, von der wir im
Verlauf der Handlung etwas mehr erfahren – willensstarken Witwe zu
einer sich nur schwer an die im Vergleich zur Ostküsten-Metropole ganz
anderen Umstände gewöhnenden, jedoch auch zielstrebig um ihre selbst gewählte Mission kämpfenden Aktivistin
entwickelt, ist überzeugend geschildert und noch besser gespielt.
Natürlich geht Catherines Wandlung ein wenig schnell vonstatten,
aber das läßt sich bei einem gut eineinhalbstündigen Film nunmal
kaum vermeiden. Nicht unproblematisch ist dabei, daß wir hier
letztlich eine weitere Variation der berüchtigten "White
Saviour"-Trope zu Gesicht bekommen, denn ohne Catherine hätte
Sitting Bull gemäß Film wohl alles passiv hingenommen, was die
Armee und die Politiker den Indigenen zumuten. Da sich Catherines
Einfluß im Grunde genommen auf ein leichtes (wenn auch
entscheidendes) Anstupsen beschränkt, läßt sich das aber verschmerzen.
Etwas
ärgerlich ist zudem, daß bis auf Catherine und Sitting Bull die
Figuren arg oberflächlich bleiben. Zumindest bemüht sich das Skript, Charakteren wie McLaughlin, Grove und General Crook (Bill
Camp, "Seitenwechsel") eine gewisse Ambivalenz
einzuimpfen und wird dabei durch die Schauspielkunst der Darsteller –
allen voran des immer zuverlässigen, aber unterforderten
Sam Rockwell – gestützt; sie bleiben aber doch die klaren
Antagonisten der Geschichte – was historisch gesehen natürlich
auch gerechtfertigt ist. Wer
angesichts des "Western"-Etiketts viel Action erwartet,
wird derweil enttäuscht werden – "Die Frau, die vorausgeht"
ist erklärtermaßen ein einfühlsames Charakterdrama und hat kaum Handfestes zu
bieten. Dafür gibt es aber eine schöne Kameraarbeit, eine
passende musikalische Untermalung durch George Fenton ("Lady
Henderson präsentiert")
und gut geschriebene, gewitzte Dialoge. "Die
Frau, die vorausgeht" ist sicherlich kein Meisterwerk und über
die künstlerischen Freiheiten kann man geteilter Meinung sein, aber
wer sich für die Thematik interessiert, kann sich über einen sehr
ordentlichen, gut gespielten Film freuen, der das Herz erkennbar am
rechten Fleck hat.
Fazit:
"Die Frau, die
vorausgeht" ist ein solides, dialoggetriebenes Western-Biopic,
das sich ganz auf die beiden stark gespielten Hauptfiguren
konzentriert.
Wertung:
7 Punkte.
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