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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Donnerstag, 18. Juli 2024

DIE FRAU, DIE VORAUSGEHT (2017)

Originaltitel: Woman Walks Ahead
Regie: Susanna White, Drehbuch: Steven Knight, Musik: George Fenton
Darsteller: Jessica Chastain, Michael Greyeyes, Sam Rockwell, Chaske Spencer, Bill Camp, Ciarán Hinds
Woman Walks Ahead (2017) on IMDb Rotten Tomatoes: 59% (5,9); weltweites Einspielergebnis: $0,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 103 Minuten.
Im Jahr 1889 entschließt sich die seit knapp einem Jahr (nicht unglücklich) verwitwete New Yorker Malerin Catherine Weldon (Jessica Chastain, "Molly's Game") dazu, in den Westen zu reisen, um den legendären Indianerhäuptling Sitting Bull (Michael Greyeyes, "The New World") zu portraitieren. Als sie per Zug im Standing Rock-Reservat ankommt, wird Catherine auf dem Militärstützpunkt Fort Yates nicht gerade herzlich willkommen geheißen – genaugenommen schicken sie der für die Indianer-Angelegenheiten zuständige US-Beamte James McLaughlin (Ciarán Hinds, "Die Frau in Schwarz") und der im gleichen Zug angekommene Colonel Silas Grove (Sam Rockwell, "See How They Run") direkt zurück nach New York. Neben einer ganz grundsätzlichen Abneigung des Militärs – speziell nach der demütigenden Niederlage in der Schlacht am Little Bighorn – gegen die Ureinwohner romantisierende Ostküsten-Aktivisten liegt das auch daran, daß eine Abstimmung unter diesen über ein Landzuteilungsgesetz unmittelbar bevorsteht, das ihnen noch einmal etwa die Hälfte ihres verbliebenen Landes nehmen würde. Der für die Armee arbeitende Lakota Chaske (Chaske Spencer, TV-Miniserie "The English"), Neffe von Sitting Bull, führt Catherine aber heimlich zu seinem Onkel, der sich inzwischen als Kartoffelbauer zurückgezogen hat. Nach anfänglicher Skepsis stimmt Sitting Bull zu, sich von Catherine malen zu lassen, die wiederum zunehmend entsetzt ist über die Zustände, in denen die Indigenen leben müssen ...

Kritik:
Im Kern erzählt dieses wenig aufregende, jedoch durchaus sehenswerte Western-Biopic der britischen Regisseurin Susanna White ("Verräter wie wir") eine wahre Geschichte. Allerdings nehmen sie und Drehbuch-Autor Steven Knight (TV-Serie "Peaky Blinders") sich dabei einige künstlerische Freiheiten. So war die echte Caroline (nicht Catherine) Weldon nicht verwitwet, sondern nur geschieden und hatte zudem einen kleinen Sohn, den sie auf ihre Reise zu Sitting Bull mitnahm. Dieser wiederum war anders als im Film keineswegs allein, sondern hatte eine Familie – daß es wie im Film zu romantischen Anbandlungen zwischen Catherine und Sitting Bull kam, dürfte also ziemlich unwahrscheinlich sein (obwohl entsprechende Gerüchte vom echten McLaughlin gestreut wurden). Zudem war die echte Mrs. Weldon bereits vor ihrer Reise eine Aktivistin für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner, wogegen sie sich im Film erst durch ihre Begegnung mit Sitting Bull und die Konfrontation mit den katastrophalen Zuständen vor Ort dazu entwickelt. Oh, und natürlich sind die Darsteller dieser beiden historischen Figuren erheblich fotogener als ihre Vorbilder, aber das ist in Hollywood ja ganz normal. Trotz dieser Abweichungen funktioniert "Die Frau, die vorausgeht" als empathischer Blick auf eine sehr unrühmliche amerikanische Ära ziemlich gut, was auch den schauspielerischen Leistungen zu verdanken ist, allen voran jener von Hauptdarstellerin Jessica Chastain.

Die OSCAR-Gewinnerin (für "The Eyes of Tammy Faye") dominiert "Die Frau, die vorausgeht" mit ihrer sehr einnehmenden Darstellung der Malerin, ohne den übrigen Ensemble-Mitgliedern die Luft zum Atmen zu nehmen. Wie sich ihre Catherine von der idealistisch-naiven, betont apolitischen, jedoch – auch aufgrund ihrer wenig glamourösen Vergangenheit, von der wir im Verlauf der Handlung etwas mehr erfahren – willensstarken Witwe zu einer sich nur schwer an die im Vergleich zur Ostküsten-Metropole ganz anderen Umstände gewöhnenden, jedoch auch zielstrebig um ihre selbst gewählte Mission kämpfenden Aktivistin entwickelt, ist überzeugend geschildert und noch besser gespielt. Natürlich geht Catherines Wandlung ein wenig schnell vonstatten, aber das läßt sich bei einem gut eineinhalbstündigen Film nunmal kaum vermeiden. Nicht unproblematisch ist dabei, daß wir hier letztlich eine weitere Variation der berüchtigten "White Saviour"-Trope zu Gesicht bekommen, denn ohne Catherine hätte Sitting Bull gemäß Film wohl alles passiv hingenommen, was die Armee und die Politiker den Indigenen zumuten. Da sich Catherines Einfluß im Grunde genommen auf ein leichtes (wenn auch entscheidendes) Anstupsen beschränkt, läßt sich das aber verschmerzen.

Etwas ärgerlich ist zudem, daß bis auf Catherine und Sitting Bull die Figuren arg oberflächlich bleiben. Zumindest bemüht sich das Skript, Charakteren wie McLaughlin, Grove und General Crook (Bill Camp, "Seitenwechsel") eine gewisse Ambivalenz einzuimpfen und wird dabei durch die Schauspielkunst der Darsteller – allen voran des immer zuverlässigen, aber unterforderten Sam Rockwell – gestützt; sie bleiben aber doch die klaren Antagonisten der Geschichte – was historisch gesehen natürlich auch gerechtfertigt ist. Wer angesichts des "Western"-Etiketts viel Action erwartet, wird derweil enttäuscht werden – "Die Frau, die vorausgeht" ist erklärtermaßen ein einfühlsames Charakterdrama und hat kaum Handfestes zu bieten. Dafür gibt es aber eine schöne Kameraarbeit, eine passende musikalische Untermalung durch George Fenton ("Lady Henderson präsentiert") und gut geschriebene, gewitzte Dialoge. "Die Frau, die vorausgeht" ist sicherlich kein Meisterwerk und über die künstlerischen Freiheiten kann man geteilter Meinung sein, aber wer sich für die Thematik interessiert, kann sich über einen sehr ordentlichen, gut gespielten Film freuen, der das Herz erkennbar am rechten Fleck hat.

Fazit: "Die Frau, die vorausgeht" ist ein solides, dialoggetriebenes Western-Biopic, das sich ganz auf die beiden stark gespielten Hauptfiguren konzentriert.

Wertung: 7 Punkte.


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