Regie: Tom George, Drehbuch: Mark Chappell, Musik: Daniel Pemberton
Darsteller: Sam
Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, Ruth Wilson, Harris Dickinson,
David Oyelowo, Reece Shearsmith, Shirley Henderson, Charlie Cooper,
Pippa Bennett-Warner, Sian Clifford, Pearl Chanda, Tim Key, Paul
Chahidi, Lucian Msamati, Angus Wright, Jacob Fortune-Lloyd, Oliver
Jackson
FSK: 12, Dauer: 98
Minuten.
London, 1953: Als
nach der 100. Aufführung von Agatha Christies sehr erfolgreichem
Whodunit-Theaterstück "Die Mausefalle" der Regisseur der
geplanten Hollywood-Verfilmung ermordet und auf der Bühne plaziert
wird, wird der desillusionierte Inspector Stoppard (Sam Rockwell,
"Three Billboards ...") mit dem Fall betraut. Da der größte Teil der Polizei gerade mit der Jagd nach einem Serienmörder
beschäftigt ist, bekommt Stoppard zur Unterstützung nur die
unerfahrene und etwas übereifrige Constable Stalker (Saoirse Ronan,
"Grand Budapest Hotel") zur Seite gestellt. Schnell finden
sie heraus, daß der ermordete Leo Köpernick (Adrien Brody,
"Darjeeling Limited") reichlich unbeliebt war und es so
genügend Verdächtige mit überzeugenden Motiven gibt – darunter
den Filmproduzenten John Woolf (Reece Shearsmith, "A Field in
England"), den mit Leo über Kreuz liegenden Drehbuch-Autor
Mervyn Cocker-Norris (David Oyelowo, "Selma") und den
Hauptdarsteller des Theaterstücks, Richard "Dickie"
Attenborough (Harris Dickinson, "The King's Man") ...
Kritik:
Das Theaterstück
"Die Mausefalle" zählt zu den bekanntesten und
erfolgreichsten Werken der britischen Krimilegende Agatha Christie –
seit seiner Uraufführung Ende 1952 wird es bis heute täglich in
London aufgeführt (außer während der COVID-19-Pandemie) und ist
das am längsten laufende Theaterstück der Welt. Daß es, anders als etwa bei den Poirot-Krimis "Mord im Orient Express" oder "Tod auf dem Nil", dennoch bis
heute keine Verfilmung davon gibt, mutet daher merkwürdig an,
hat aber einen einfachen Grund: Christie verkaufte die Filmrechte
(allerdings erst 1956) an den echten John Woolf unter der Bedingung,
daß frühestens ein halbes Jahr nach dem Ende der Aufführungen ein
Film produziert werden dürfe – was bis heute nicht möglich
ist und nun die Produktion von "See How They Run" zur Folge
hatte, welcher "Die Mausefalle" zu einem Teil der Geschichte
macht und die Christie-Whodunits liebevoll persifliert. Das Ergebnis
ist eine vergnügliche Krimikomödie mit vielen Anspielungen, deren
Drehbuch es aber an echten Höhepunkten mangelt. Somit wird "See
How They Run" der hochklassigen Besetzung zwar nicht ganz
gerecht, erfreut Genrefreunde aber doch mit eineinhalb Stunden guter
Unterhaltung.
Es
hat Tradition, daß Filme und TV-Serien mit "Behind the
Scenes"-Thematik bei Kritikern und Filmschaffenden selbst häufig
viel besser ankommen als beim "normalen" Publikum. Das ist
gar nicht so überraschend, immerhin ist ein Teil des Reizes der
Traumfabrik Hollywood, daß die Zuschauer nicht genau wissen, wie
die Kinomagie fabriziert wird – durch "Hinter den
Kulissen"-Produktionen wird das ein Stück weit konterkariert
(obgleich sie oft humoristisch überspitzen). Gleichzeitig
erkennen naturgemäß Kritiker und Filmschaffende viel mehr
Insidergags, Zitate, Anspielungen, Parodien und dergleichen als die breite
Masse. Und das schlägt sich dann eben in überdurchschnittlich guten
Kritikerbewertungen und Auszeichnungen für Filme und Serien
aus, die in Sachen Publikumsinteresse eher Nischenprodukte sind (aus
den letzten Jahren ist Lin-Manuel Mirandas für zwei OSCARs
nominiertes, aber dennoch weitestgehend unbekannt gebliebenes Musical
"tick, tick… BOOM!" ein perfektes Beispiel dafür). Auch
"See How They Run" scheint davon betroffen zu sein,
jedenfalls schnitt der Film bei den Kritikern überwiegend gut ab,
wogegen die Zuschauerbewertungen ziemlich durchschnittlich ausfielen.
Ich persönlich habe als bekennender Cineast "Behind the
Scenes"-Produktionen derweil schon immer sehr interessant
gefunden – vermutlich gerade deshalb, weil ich schon so viele Filme
und Serien gesehen habe. Und das trägt auch dazu bei, daß mir "See
How They Run" gut gefällt, wenn er historische Persönlichkeiten
wie die spätere Filmlegende Sir Richard Attenborough ("Jurassic Park"), den Produzenten
John Woolf und Agatha Christie selbst (schön exzentrisch
verkörpert von Shirley Henderson, "Das Märchen der Märchen")
leichtfüßig in die Handlung integriert oder Klischees parodiert,
indem er etwa Drehbuch-Autor Mervyn in einer Rückblende sich über
das Stilmittel der Rückblenden echauffieren läßt ...
So gut die
Whodunit-Persiflage funktioniert, kann sie eine der beiden
größeren Schwächen von "See How They Run" doch nicht zur
Gänze ausgleichen: Das zentrale "Murder Mystery" ist
sehr mittelmäßig geraten. Zwar ist die Auflösung
erfreulicherweise nicht allzu vorhersehbar, dafür schwächelt das
Drehbuch aber auf dem Weg dorthin (trotz einiger durchaus gelungener
stilistischer Anleihen bei Wes Anderson sowie der lebhaften
musikalischen Begleitung durch "Molly's Game"-Komponist
Daniel Pemberton). In Kombination mit der zweiten Schwäche – einer
weitestgehend sehr flachen Figurenzeichnung – sorgt das dafür, daß
Tom Georges Kino-Regiedebüt zwar jederzeit gut unterhält, dem
großen Vorbild Agatha Christie aber nicht das Wasser reichen kann.
Immerhin werden diese Problemfelder durch die exzellente
Besetzung gut kaschiert, denn wenngleich ein David Oyelowo, eine Ruth
Wilson, ein Adrien Brody oder ein Harris Dickinson fraglos schauspielerisch
unterfordert sind, gelingt es ihnen doch, ihre recht klischeehaften
Charaktere einigermaßen interessant zu gestalten. Und das gilt
natürlich erst Recht für die Hauptdarsteller Sam Rockwell
und Saoirse Ronan, zumal deren Figuren immerhin etwas mehr Tiefe
entwickeln dürfen. Sam Rockwell ist als chronisch genervter
Polizeiveteran mit trockenem Humor eine Idealbesetzung, Saoirse Ronan
sorgt als etwas zu enthusiastische Nachwuchs-Polizistin für die
meisten der spärlich verteilten größeren Lacher (und
empfiehlt sich damit dringend für mehr komödiantische Rollen!). Von diesem Duo würde man gerne mehr sehen ...
Fazit:
"See How They Run" ist eine vergnügliche, hochkarätig
besetzte britische Krimikomödie, die gekonnt, wenn auch ohne große
Höhepunkte, die klassischen Agatha Christie-Whodunits parodiert.
Wertung:
7,5 Punkte.
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