Donnerstag, 18. April 2024

BOSTON STRANGLER (2023)

Regie und Drehbuch: Matt Ruskin, Musik: Paul Leonard-Morgan
Darsteller: Keira Knightley, Carrie Coon, Chris Cooper, Alessandro Nivola, David Dastmalchian, Morgan Spector, Bill Camp, Rory Cochrane, Robert John Burke, Peter Gerety, Ryan Winkles, Luke Kirby
Boston Strangler (2023) on IMDb Rotten Tomatoes: 68% (6,3); Altersempfehlung: 12, Dauer: 112 Minuten.
Boston, 1962: Zum Unverständnis des Großteils ihres Umfeldes arbeitet die dreifache Mutter Loretta McLaughlin (Keira Knightley, "Stolz und Vorurteil") als Reporterin beim "Boston Record-American". Dort soll sie sich nur um "Frauenthemen" kümmern, obwohl sie die investigative Kriminalberichterstattung viel mehr interessiert. Als in der Stadt innerhalb kurzer Zeit mehrere Frauen in ihren Wohnungen brutal erwürgt werden, recherchiert Loretta zunächst auf eigene Faust und schafft es so schließlich, ihren Chefredakteur Jack MacLaine (Chris Cooper, "Little Women") dazu zu bringen, sie mit der Geschichte zu betrauen. Zwar wird ihr zu ihrem Unwillen die erfahrene Kollegin Jean Cole (Carrie Coon, "Ghostbusters: Legacy") zur Seite gestellt, aber die beiden Frauen erweisen sich schnell als ein gutes Team, das nicht nur Spuren zum Täter findet, sondern auch grobe Fehler und Nachlässigkeiten der Polizei aufdeckt – womit sie sich natürlich nicht nur Freunde machen ...

Kritik:
Wer meinem Blog schon länger folgt, dem ist bestimmt irgendwann aufgefallen, daß ich ein großer Fan von Keira Knightley bin. Dies ist bereits sage und schreibe meine 18. "Kinogänger"-Rezension eines Films mit der britischen Aktrice, womit sie lediglich von Scarlett Johansson (24), Willem Dafoe (20) und Chris Hemsworth (19) übertroffen wird. Doch als ich mir den für den US-Pay-TV-Sender Hulu produzierten "Boston Strangler" angesehen habe, kam mir eine Frage in den Sinn: Ist Keira Knightleys Karriere in einer Krise? Wenn man einmal ihren Mini-Auftritt in "Pirates of the Caribbean: Salazars Rache" außer Acht läßt, liegt ihr letzter richtiger Hit mit "The Imitation Game" bereits zehn Jahre in der Vergangenheit. Zwar war sie seitdem immer gut beschäftigt und hat Hauptrollen in vielen ordentlichen ("Der Nußknacker und die vier Reiche", "Niemandsland") bis guten ("Colette", "Official Secrets", "Die Misswahl") Filmen gespielt, aber viele Zuschauer hat keiner davon in die Kinos gelockt und auch bei den Preisverleihungen herrscht seit "The Imitation Game" weitgehend Ebbe. Und jetzt sogar ein TV-Film? Müssen ihre Fans sich ernsthaft Sorgen machen um die Karriere der immer noch nicht einmal 40 Jahre alten Keira Knightley? Ich weiß es nicht, aber vielleicht hat sie ja auch einfach keine Lust mehr auf große Blockbuster und spielt lieber in kleineren Produktionen mit? Hierzu zählt definitiv "Boston Strangler", dem man sein TV-Film-Dasein durchaus ansieht und der als größerer, teurerer Kinofilm mit Sicherheit noch deutlich mehr hätte bieten können. Aber auch so ist er ein guter True Crime-Journalisten-Krimi geworden, der in erster Linie von seiner guten Besetzung profitiert.

"Boston Strangler" hat etliche Stärken, aber leider auch zwei große Schwächen. Die erste ist weitgehend genreimmanent, denn bei True Crime-Geschichten (wie auch bei Biopics) ist die kreative Freiheit zwangsläufig eingeschränkt, solange man die Realität halbwegs authentisch abbilden will. Das bedeutet häufig, so auch in diesem Fall, daß es eine große Anzahl an mehr oder wichtigen Figuren im Film gibt, von denen aber die wenigsten eine so große Rolle spielen, daß man als Zuschauer eine echte Verbindung zu ihnen aufbauen kann. Selbst ein David Fincher konnte das in seinem themenverwandten "Zodiac" nicht gänzlich kompensieren, der ziemlich unbekannte "Boston Strangler"-Regisseur und -Autor Matt Ruskin kann es erst Recht nicht. Richtig nahe kommt das Publikum daher nur den beiden zentralen Journalistinnen – bei den übrigen Figuren (gerade jenen aus dem Polizeiapparat) hat man dagegen schon einmal Schwierigkeiten, sie auseinanderzuhalten. Dem kann man mit der Besetzung bekannter und/oder markanter Gesichter etwas entgegenwirken und das versucht auch "Boston Strangler". Es funktioniert dank Schauspielern wie David Dastmalchian ("The Suicide Squad"), Rory Cochrane ("Oculus") oder Alessandro Nivola ("A Beautiful Day") sogar ziemlich gut, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Besser sieht es erwartungsgemäß bei den beiden Protagonistinnen aus, die von Keira Knightley und Carrie Coon überzeugend und sehr nahbar verkörpert werden. Die Einbeziehung von Lorettas Privatleben geschieht zwar eher halbherzig, aber zumindest wird auf diese Weise ansatzweise vermittelt, wie ungewöhnlich ihre Berufswahl (als verheiratete Mutter) zu dieser Zeit war.

Die zweite große Schwäche von "Boston Strangler" liegt darin begründet, daß er ein TV-Film ist. Damit meine ich gar nicht mal das im Vergleich zu einem Kinofilm überschaubare Budget. Zwar merkt man die niedrigen Produktionskosten dem Film durchaus an, das wird insgesamt aber recht gekonnt kaschiert durch gute Handwerksarbeit bei Kamera, Kostümen et etera. Erheblich problematischer ist aber die offensichtlich verordnete Familienfreundlichkeit des beim Streamingdienst Disney+ richtigerweise bereits ab 12 Jahren empfohlenen Werks. Wenn man einen Film über einen der brutalsten und berüchtigsten Serienmörder der US-Historie drehen will, sollte man das nicht dadurch konterkarieren, daß man die Besonderheiten dieses Killers so gut wie möglich ignoriert. Ja, vor allem zu Beginn wird das Vorgehen des Stranglers recht anschaulich verbal geschildert, weshalb man wenigstens ansatzweise eine Ahnung vom wahren Ausmaß seiner Verbrechen bekommt – aber der weitestgehende Verzicht auf deren optische Präsentation führt auf Dauer dazu, daß man nie ein Gespür für die Dringlichkeit der Jagd auf dieses menschliche Monster entwickelt, das die Frauen von Boston in Angst und Schrecken versetzt. Das haben frühere Adaptionen wie Richard Fleischers "Der Frauenmörder von Boston" (1968) deutlich besser hinbekommen.

Lange Zeit plätschern die immerhin lobenswert authentisch wirkenden Ermittlungen von Loretta und Jean eher so vor sich hin und wenn Regisseur Raskin mal versucht, doch etwas Spannung aufzubauen, dann wirkt es mitunter albern und tut den Charakteren unrecht (so doof kann die echte Loretta doch gar nicht gewesen zu sein, nachts alleine einen Verdächtigen aufzusuchen – auch wenn sie das immerhin selbst noch bemerkt). Erst im letzten Filmdrittel dreht "Boston Strangler" dann fast schon unerwartet richtig auf mit einem ziemlich furiosen dritten Akt, der auch spannende Aspekte (leider nur) streift, die über die reine Kriminalistik hinausgehen – etwa die Rolle der Polizei, der Politik und der Presse, die letztlich alle nur schnell einen Sündenbock wollen, um die Menschen in Sicherheit zu wiegen und von der düsteren Wahrheit abzulenken, daß es in unserer Gesellschaft viel zu viele Frauenmörder und sonstige Gewalttäter gibt. Etwas ungünstig empfand ich zudem, daß die hier als am wahrscheinlichsten präsentierte Lösung des Rätsels um den Boston Strangler – abschließend wurde die Mordserie nie geklärt – in meinen Augen sehr früh logisch erkennbar ist. Ich will natürlich nicht spoilern, aber es handelt sich um einen Ansatz, auf den die Ermittler in Kino- und TV-Krimis komischerweise fast immer erst sehr spät kommen – man kann nur hoffen, daß das in der Realität besser aussieht … Doch davon abgesehen ist "Boston Strangler" ein sehr solider Film geworden, der aber auch verdeutlicht, daß Keira Knightley eigentlich immer noch für deutlich Größeres gemacht ist.

Fazit: "Boston Strangler" ist ein authentisch inszenierter True Crime-Journalisten-Krimi, der dem Fall des titelgebenden Serienmörders formatbedingt nicht gerecht werden kann, aber dank einer starken Besetzung und eines guten letzten Drittels dennoch überzeugt.

Wertung: 7 Punkte.

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