Regie: Enrico Casarosa, Drehbuch: Jesse Andrews und Mike Jones,
Musik: Dan Romer
Sprecher der
Originalfassung: Jacob Tremblay, Jack Dylan Grazer, Emma Berman, Saverio Raimondo, Maya
Rudolph, Jim Gaffigan, Marco Barricelli, Saverio Raimondo, Lorenzo Crisci, Peter
Sohn, Sandy Martin, Giacomo Gianniotti, Sacha Baron Cohen
Rotten Tomatoes: 91%
(7,3); weltweites Einspielergebnis: $51,1 Mio.
FSK: 0, Dauer: 96
Minuten.
Die italienische
Riviera Ende der 1950er Jahre: In der Nähe der Küste der Kleinstadt
Portorosso leben auf dem Meeresboden weitgehend unbehelligt von
den Menschen intelligente humanoide Wesen, die sich, sobald nicht von Wasser berührt werden, in Menschen
verwandeln (respektive zumindest wie Menschen aussehen). Eines dieser
Seemonster – wie sie bei den Menschen genannt werden, für die sie
aber mehr Legende als Realität sind – ist der etwa 12-jährige
Luca (Sprecher in der Originalfassung: Jacob Tremblay, "Raum"),
der fasziniert ist von den immer
wieder von Booten herabfallenden Gegenständen aus der Menschenwelt. Seinen Eltern Daniela (Maya
Rudolph, "Ganz weit hinten") und Lorenzo (Comedian Jim
Gaffigan), die sehr besorgt um Lucas Sicherheit sind, gefällt das
überhaupt nicht, und so wollen sie ihn deshalb zu seinem in der
Tiefsee lebenden Onkel Ugo (Sacha Baron Cohen, "The Trial of the Chicago 7")
schicken. Als Luca dem etwas älteren Artgenossen Alberto (Jack Dylan
Grazer, "Es") begegnet, der Luca kurzerhand mit an Land
nimmt und zu einem verfallenen Turm bringt, in dem er in Abwesenheit
seines Vaters lebt, beschließt Luca, an Land zu bleiben.
In Portorosso treffen Luca und Alberto das ungefähr gleichaltrige lebhafte
Menschen-Mädchen Giulia (Emma Berman), das unbedingt einen lokalen
Wettkampf gewinnen will, der aus Schwimmen, Essen und Radfahren
besteht. Die drei freunden sich an, Luca und Alberto finden
bei Giulia und ihrem grobschlächtigen und wortkargen, jedoch
gutherzigen Vater Massimo (Marco Barricelli) Unterschlupf und
gemeinsam will das Trio den Wettkampf gewinnen, dessen erster Preis eine nagelneue, von Luca und Alberto heiß begehrte Vespa ist – muß sich dabei
allerdings gegen den fiesen, ein paar Jahre älteren Titelverteidiger
Ercole (Saverio Raimondo) und seine zwei Helfershelfer behaupten.
Und bei alledem müssen die beiden Seemonster stets darauf achten,
niemals naß zu werden und somit ihre wahre Identität zu verraten …
Kritik:
Die Werke der
Animations-Künstler von Pixar hat – neben der immer sehr hohen
technischen und meist auch inhaltlichen Qualität – seit jeher
ausgezeichnet, daß sie häufig eher kleine und bodenständige, aber
sehr persönliche Geschichten erzählen statt auf klassische
Weltrettungs-Storys oder böse Superschurken zu setzen. Die gibt es vereinzelt auch ("Die Unglaublichen"), aber viel
häufiger geht es ums Erwachsenwerden ("Toy Story"-Reihe),
um die Familie ("Coco", "Findet Nemo", "Onward"),
um das menschliche Innenleben ("Alles steht Kopf") oder
auch um nicht weniger als den Sinn des Lebens ("Ratatouille", "Soul",
"WALL*E"). Enrico Casarosas Langfilm-Regiedebüt (er
arbeitete zuvor u.a. an "Ice Age" und "Oben" mit
und wurde für seinen animierten Kurzfilm "La Luna" 2012
für einen OSCAR nominiert) "Luca" fügt sich wunderbar in
diese Reihe ein, indem es eine betont unspektakuläre Coming of Age-
und (fast buchstäblich) "Fish out of Water"-Geschichte
vor dem idyllischen Hintergrund der Urlaubsregion Riviera in den
1950er Jahren erzählt – daß zwei der drei zentralen
Protagonisten Seemonster sind, verleiht dem Film einen gewissen
außergewöhnlichen Touch, ist im Grunde genommen aber fast schon
nebensächlich, weil sich die Seemonster innerlich kaum von den
Menschen unterscheiden und eher als generelle Metapher für
Außenseiter dienen. Im Vordergrund stehen die Geschichte
einer engen, klassenüberschreitenden Freundschaft sowie eine
phasenweise fast utopisch anmutende Ode auf die (nicht nur
verwandtschaftliche) Familie und auf Toleranz und friedliches
Zusammenleben. Das Ganze ist verpackt in einer herzerwärmende
kleine Sommergeschichte voller liebevoll gezeichneter Charaktere, die
man schnell ins Herz schließt. Kurzum: Der wegen der Corona-Pandemie
leider in den meisten Ländern statt im Kino direkt beim
Streamingdienst Disney+ veröffentlichte "Luca" ist ein
Pixar-Film im besten Sinne!
Die Handlung von
"Luca" ist, wie erwähnt, wenig spektakulär,
aber um doch etwas Spannung und Aufregung reinzubringen, gibt es den
fiesen Ercole als Gegenspieler von Luca, Alberto und Giulia. Ercole
ist mit Sicherheit nicht die bestgestaltete Figur des Films, eher klischeehaft und man kann durchaus argumentieren, daß ein
Fiesling für eine so rundum nette Story wie die von "Luca" gar nicht nötig ist. Zur Wahrheit gehört aber auch, daß der für
seinen Film vor allem von Federico Fellini und Hayao Miyazaki
inspirierte Regisseur Casarosa und die beiden Drehbuch-Autoren Jesse
Andrews ("Ich und Earl und das Mädchen") und Mike Jones
("Soul") Ercole und seine beiden willfährigen Helfer
sinnvoll einsetzen, indem sie sie zum Mittelpunkt einiger sehr lustiger Gags machen – zudem ist es natürlich immer eine
(Schaden-)Freude, wenn Fieslingen etwas (in diesem Fall stets
harmloses) nicht so Schönes widerfährt. Im Zentrum steht jedoch
natürlich das jugendliche Trio, bei dem sich eine erfreulich
komplexe, glaubwürdige Dynamik entwickelt. Denn während Luca
sehr von der energetischen Giulia eingenommen ist, fühlt sich
Alberto deshalb zunehmend ausgeschlossen und reagiert sehr eifersüchtig
(manche meinen darin übrigens homosexuelle Untertöne zu erkennen –
Regisseur Casarosa selbst hatte diese Interpretationsmöglichkeit nicht eingeplant, findet sie aber gerechtfertigt). Das führt
zu einigen Schwierigkeiten zwischen den drei Freunden, deren Überwindung
sie allerdings einander noch näherbringen und nebenbei erwachsener werden
lassen könnte.
Der laut Casarosa
(der die Storyidee hatte, welche dann Andrews und Jones in ein
Drehbuch überführten) autobiographisch angehauchte und
auf seiner Kindheit in Genua basierende "Luca" ist, wie
eigentlich immer bei Pixar, wunderschön animiert mit gemäldeartigen
Panoramen und stilistisch an die Knetgummi-Figuren von Aardman
Animation ("Shaun das Schaf") erinnernden Personen.
Auffällig ist, wie viel Wert auf nette Details und "Nebenbei-Gags"
gelegt wird, wenn etwa Luca und Alberto auf ihrem Fahrrad
unkontrolliert eine steile, enge Gasse herabrasen und dabei zwei
ältere Männer beim Mühle-Spiel passieren – was derjenige, der wohl am Verlieren ist, gedankenschnell ausnutzt, um unbemerkt das Spielbrett umzudrehen, während der andere noch
den beiden Kindern hinterhersieht … Erfreulich sind außerdem die vielen
liebenswerten und interessanten Nebenfiguren wie Giulias einarmiger
Vater Massimo und sein miesepetriger, durchaus passend benannter
Kater Machiavelli. Begleitet wird das Sommerabenteuer
derweil von einem betont italienischen Soundtrack, der neben
zeitgenössischen, fröhlichen Songs auch einige Opernarien von
Puccini oder Rossini umfaßt. Die Sprecher sind in der
Originalfassung ebenfalls gut ausgewählt – gerade die drei
jugendlichen Hauptsprecher –, wobei abgesehen vom nur kurz in
Erscheinung tretenden Sacha Baron Cohen weitgehend auf Stars
verzichtet wurde und in den Nebenrollen viele italienische Sprecher
zu hören sind. Ein wenig kritisieren kann man vielleicht das Ende
der Geschichte, das zwar sehr schön ausfällt, aber womöglich ein bißchen zu märchenhaft, um gänzlich glaubwürdig zu wirken. Das ist
aber ein minimaler Kritikpunkt (den zudem sicher nicht jeder
teilt) an einem äußerst liebenswerten Gute-Laune-Film, der
insgesamt zwar nicht herausragend ist, dafür aber einfach nur schön.
Fazit: Der
Pixar-Animationsfilm "Luca" erzählt mit viel Herz eine Story vom Erwachsenwerden und von wahrer Freundschaft, die sich
durch viele gut gezeichnete Figuren und das originelle
Italien-Setting in den 1950er Jahren von vergleichbaren Werken
abhebt.
Wertung: 8,5
Punkte.
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