Regie: Sam Raimi, Drehbuch: Michael Waldron, Musik: Danny Elfman
Darsteller: Benedict
Cumberbatch, Elizabeth Olsen, Rachel McAdams, Benedict
Wong, Xochitl Gomez, Chiwetel Ejiofor, Patrick Stewart, John Krasinski, Lashana
Lynch, Hayley Atwell, Anson Mount, Sheila Atim, Adam Hugill (Stimme),
Michael Stuhlbarg, Bruce Campbell, Julian Hilliard, Jett Klyne, Topo
Wresniwiro, Ross Marquand (Stimme), Michael Waldron, Charlize Theron
FSK: 12, Dauer: 126
Minuten.
Eigentlich dachte
Doctor Strange (Benedict Cumberbatch, "The Power of the Dog") ja, nach seinen jüngsten
Abenteuern mit Spider-Man wäre die Konfrontation mit dem
Multiversum vorbei – weit gefehlt! Ausgerechnet während der
Hochzeit von Stranges großer Liebe Dr. Christine Palmer (Rachel
McAdams, "Game Night") – mit einem anderen Mann – erscheint ein
riesiges Seemonster in New York und sorgt für Chaos. Offenbar
hat das Monster namens Gargantos es auf eine Jugendliche abgesehen,
die Strange zu seinem Erstaunen aus seinen (Alp-)Träumen
wiedererkennt! Gemeinsam mit dem Obersten Zauberer Wong (Benedict
Wong, "Prometheus") gelingt es Strange letztlich, die Kreatur zu besiegen. Es
stellt sich heraus, daß sie aus einem anderen Universum kam, ebenso
wie ihr Ziel. America Chavez (Xochitl Gomez, TV-Serie "Der Babysitter-Club") verfügt nämlich über
die Fähigkeit, zwischen den Universen zu reisen – nur kann
sie die Fähigkeit leider (noch) nicht kontrollieren. Da Gargantos durch Hexerei beeinflußt war, sucht Strange Rat bei der
einzigen Hexe, die erkennt: Wanda Maximoff (Elizabeth Olsen, "Godzilla"). Was er
nicht ahnt: Die immer noch vom Tod von Vision im Kampf gegen Thanos
schwer traumatisierte Wanda war es, die Gargantos America auf die
Spur gesetzt hat, da sie America ihre Kraft abnehmen und für sich
nutzen will, um in ein Universum zu gelangen, in dem ihre beiden
Kinder mit Vision real und am Leben sind ...
Kritik:
Einer
der entscheidenden Faktoren für den anhaltenden riesigen Erfolg
des Marvel Cinematic Universe ist bekanntlich, daß die einzelnen
Filme (zumeist) so eng miteinander verwoben sind, daß man sich als Fan
irgendwann beinahe zwangsläufig wie ein Mitglied dieser großen und
ein wenig dysfunktionalen Superhelden-Familie fühlt. Diesem
Erfolgsrezept wohnt allerdings auch eine gewisse Gefahr inne, denn
für Quereinsteiger wird es immer schwieriger, in dieses
Comic-Filmuniversum hereinzufinden – und erst einmal über 20 Filme
nachzuholen, wird auch nicht jeder auf sich nehmen wollen. Bisher
funktioniert es aber offensichtlich noch einwandfrei, selbst die
große Zäsur nach Phase 3 mit dem Sieg über Thanos mitsamt
der Verabschiedung etlicher Heroen der ersten Stunde in "Avengers: Endgame" hat dem MCU
nicht geschadet, auch die Corona-Pandemie wurde einigermaßen schadlos
überstanden – vermutlich auch deshalb, weil der hauseigene
Streamingdienst Disney+ es jedem Interessierten denkbar einfach
macht, für vergleichsweise geringes Geld verpaßte Filme
nachzuholen. Trotzdem ist es bemerkenswert, daß Marvel-Mastermind
Kevin Feige die internen Verbindungen nun sogar noch ausbaut, indem
"Doctor Strange in the Multiverse of Madness" als erster
MCU-Vertreter direkt auf einer der Disney+-exklusiven Serien aufbaut,
nämlich auf "WandaVision". Zwar achtet Drehbuch-Autor
Michael Waldron – der mit "Loki" bereits für eine andere populäre
Disney+-Serie verantwortlich zeichnete –
darauf, daß der Film auch ohne "WandaVision"-Vorkenntnisse gut verständlich ist; wenn man die Serie jedoch gesehen hat,
wird man speziell Wandas Beweggründe erheblich besser nachvollziehen
können. Doch Fakt ist: Auch diese Erweiterung der MCU-Formel auf die
Serien funktioniert mit dem ersten Versuch, denn "Doctor
Strange 2" ist ein weiterer globaler Monsterhit.
Für
die Regie heuerte Marvel diesmal nicht eine relativ unbekannte, junge
Person an, sondern mit Sam Raimi, dem Regisseur der
"Spider-Man"-Trilogie mit Tobey Maguire, einen Branchen- und Genreveteranen. Raimi ersetzt Scott Derrickson, der nach dem sehr gelungenen "Doctor Strange" eigentlich
auch die Fortsetzung inszenieren sollte, sich aufgrund der
obligatorischen kreativen Differenzen aber verabschiedete. Gemeinsam
mit Raimi wurde Waldron als Drehbuch-Autor verpflichtet, der dem Projekt
eine neue Richtung gab (die ursprünglich geplante Handlung hätte
wohl stärker an den ersten Teil und dessen Mordo-Cliffhanger
angeschlossen und nichts mit dem Multiversum zu tun gehabt). Raimis
Einfluß ist dem Film deutlich anzusehen, und das ist eine gute
Sache, denn von einem Sam Raimi braucht man keinen
konventionellen Film zu erwarten. Glücklicherweise ließ Marvel
Raimi offensichtlich weitgehend freie Hand, was dieser nutzte, um
zahlreiche herrlich schräge Einfälle umzusetzen und "Doctor
Strange 2" die bislang mit Abstand stärksten Horrorelemente des
MCU zu injizieren. Das führte in den USA sogar zu
Diskussionen über die Altersfreigabe, während es in Deutschland bei
der üblichen FSK 12-Freigabe blieb, die Raimi aber ziemlich
ausreizt. Auch auf einen klassischen Spannungsbogen legen Raimi und
Waldron wenig Wert, stattdessen beginnen sie einfach mit einem
typischen, episch inszenierten Endkampf zwischen Doctor Strange, America und Gargantos – der sich wenig später als
vermeintlicher Alptraum entpuppt. Nur um sich dann durch den Übergang
von America und Gargantos in "unser" Universum (MCU-Erde
616) in abgewandelter Form gleich zu wiederholen. Nein, zu Atem kommen läßt
uns "Doctor Strange 2" in
den ersten Minuten so gut wie gar nicht. Zugegebenermaßen ist diese
Vorgehensweise nicht ganz unproblematisch, denn nach diesen
frühen Adrenalinschüben fällt die Spannung erst einmal ab und
obwohl die Story ein unglaublich hohes Tempo hält und dabei eine
beeindruckende, teilweise erfreulich innovative Actionsequenz an die nächste reiht, fehlt es auf
Dauer doch ein wenig an echten Höhepunkten – der Spannungsbogen
ist eben eher eine Zickzacklinie, deren Ausschläge in der Höhe
nicht allzu sehr voneinander abweichen.
Es
ist ja generell ein Problem etlicher MCU-Vertreter (und im Grunde
genommen fast aller Big Budget-Superhelden-Filme), daß die Handlung
meist zulasten der Action zu kurz kommt, und "Doctor Strange 2"
ist hierfür ein Paradebeispiel. Die atemlose Hatz von
Actionhöhepunkt zu Actionhöhepunkt läßt die sehr dünne
Kernhandlung zwar fast vergessen, aber eben nur fast. Zum Glück gibt
es mit Benedict Cumberbatch und Elizabeth Olsen gleich zwei herausragende
Hauptdarsteller, denen es auch mit wenigen ruhigen Szenen und Dialogen gelingt,
ihren Figuren und deren emotionalem Zwiespalt Authentizität und
Gewicht zu verleihen. Gerade Olsen glänzt als Wanda aka Scarlet
Witch, die eigentlich seit ihrem Einstieg ins MCU wahrscheinlich mehr
Leid erfahren mußte als all ihre Mit-Avengers (wir erinnern uns:
gleich bei ihrem ersten großen Auftritt in "Avengers: Age of Ultron"
verlor sie ihren Bruder) und deren Trauma und Leid, deren Getriebenheit
bis an den Rand des Wahnsinns – und vielleicht auch darüber hinaus
– sie mit einer Intensität verkörpert, daß man ihren Schmerz als
Zuschauer regelrecht mitfühlt. Vor allem gilt das, wenn man "WandaVision"
gesehen hat, denn ansonsten kommt die Sache mit ihren magisch
erzeugten Kindern wohl zu sehr aus dem Nichts, um ihre ganze
emotionale Wirkung zu erzielen.
Trotz
des von mir kritisierten Spannungsbogens gibt es sehr wohl einen
großen Höhepunkt, der für viel Gesprächsstoff gesorgt hat –
allerdings nicht unbedingt inhaltlich, sondern wegen seiner
Besetzung. Denn bei der Flucht auf die MCU-Erde 838 treffen Strange
und America (die von Newcomerin Gomez sympathisch verkörpert wird)
auf die Illuminati, die so etwas wie deren Variante der Avengers
sind. Dabei gibt es einige für Fans spektakuläre Gastauftritte
bekannter Gesichter (sowie eines Neulings), die ich an dieser Stelle
schweren Herzens nicht spoilern will. Nur so viel: Die Bandbreite
dieser angemessen episch in Szene gesetzten Gastauftritte ist
beachtlich und umfaßt sogar den Protagonisten einer selbst unter
Marvel-Fans wenig beliebten und sehr kurzlebigen TV-Serie, der sich
aber nahtlos einfügt. Auch gewisse Verbindungen zur animierten
Disney+-Serie "What if …" gibt es und natürlich hat das
Ganze ein bißchen was von "Was wäre, wenn dieser Superheld
gegen jenen kämpfen würde"-Fan Fiction, aber Sam Raimi macht mit
seiner ganzen Routine das Beste daraus. Eine erfreulich große Rolle
spielt übrigens Christine Palmer, deren Darstellerin Rachel McAdams
laut eigener Aussage überrascht war, überhaupt wegen einer Rückkehr
angefragt zu werden. Aber man hat sie sinnvoll in die Story
integriert und ihre Rolle ist wahrscheinlich sogar größer und
wichtiger als im Vorgänger. Dann gibt es natürlich noch den
beliebten Wong, der dank Thanos inzwischen Oberster
Zauberer ist (Strange war ja fünf Jahre lang "weg") und
diese Rolle sichtlich genießt, sie aber auch sehr kompetent
ausfüllt. Die zahlreichen Kampf- und Actionsequenzen sind derweil
wie gewohnt erstklassig gemacht und profitieren hier zusätzlich
davon, daß Raimis alter Weggefährte Danny Elfman ("Hellboy 2") seinen besten
Score seit Jahren abliefert und gerade die Horrorelemente mit
einfallsreichen und atmosphärisch stimmigen Melodien untermalt. Was man bei allem
Lob in Sachen Unterhaltsamkeit und Fanservice definitiv an "Doctor Strange 2" kritisieren muß,
das ist und bleibt die Handlung. So wichtig der Film speziell für
die Entwicklung von Wanda ist, ändert sich im MCU letztlich nur
wenig und der sowieso noch sehr diffuse Kernplot von Phase 4 bleibt
undeutlich – so langsam müßte sich da wirklich mal etwas tun! Auch
ist es schade, daß Stranges Rivale Mordo durch die
Multiversums-Story zwar nicht komplett vergessen wird, aber stark an den Rand rückt (in "unserer" MCU-Erde 616 taucht
er gar nicht auf). Seine Geschichte ist definitiv noch nicht
auserzählt und es bleibt zu hoffen, daß man sie nicht doch
irgendwann einfach fallen läßt. Spannend bleibt natürlich auch, wie es mit dem Multiversum weitergeht ...
Fazit:
"Doctor Strange in the Multiverse of Madness" kann mit der selbst für Genreverhältnisse sehr dünnen Story nicht
glänzen, überzeugt dafür aber mit den gewohnten MCU-Stärken, zwei
exzellenten Hauptdarstellern, einer erfreulich ungezügelten
Inszenierung sowie spektakulären Gastauftritten.
Wertung:
Knapp 8 Punkte.
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