Donnerstag, 30. Dezember 2021

DON'T LOOK UP (2021)

Regie und Drehbuch: Adam McKay, Musik: Nicholas Britell
Darsteller: Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep, Cate Blanchett, Mark Rylance, Rob Morgan, Jonah Hill, Timothée Chalamet, Melanie Lynskey, Ariana Grande, Scott Mescudi, Tyler Perry, Ron Perlman, Paul Guilfoyle, Himesh Patel, Robert Joy, Tomer Sisley, Michael Chiklis, Liev Schreiber (Stimme), Sarah Silverman, Chris Evans
Don't Look Up (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 55% (6,3); weltweites Einspielergebnis: $0,8 Mio.
FSK: 12, Dauer: 142 Minuten.
Als die Astronomie-Doktorandin Kate Dibiasky (Jennifer Lawrence, "Red Sparrow") einen neuen Kometen entdeckt, ist die Freude bei ihr und ihrem Chef Dr. Randall Mindy (Leonardo DiCaprio, "The Revenant") zunächst groß – bis ihre Berechnungen ergeben, daß der fast zehn Kilometer große Komet in etwas mehr als sechs Monaten auf der Erde einschlagen und voraussichtlich alles Leben vernichten wird! Natürlich schlagen Kate und Dr. Mindy sofort Alarm und nachdem die Entdeckung von einigen Kollegen bestätigt wird, wollen die skandalgeplagte US-Präsidentin Janie Orlean (Meryl Streep, "Die Verlegerin") und der visionäre, exzentrische IT-Unternehmer Peter Isherwell (Mark Rylance, "Bridge of Spies") den Kometen mit Atombomben von seinem Kurs ablenken. Die vielversprechende Mission wird jedoch in letzter Minute abgebrochen, als Isherwood entdeckt, daß der Komet aus wertvollen "Seltenen Erden" und anderen Mineralien besteht. Daraufhin plant Isherwell gegen den vehementen Widerstand von Dr. Mindy, Kate, dem zuständigen NASA-Experten Dr. Teddy Oglethorpe (Rob Morgan, "The Last Black Man in San Francisco") und der meisten wissenschaftlichen Experten, den Kometen in einer hochriskanten Aktion in viele kleine Teile zu sprengen, die daraufhin vergleichsweise ungefährlich auf der Erde aufkommen sollten und weiterverwertet werden könnten. Die Gefährlichkeit des Plans wird von der Präsidentin und ihren Gefolgsleuten in Politik und Medien systematisch heruntergespielt, um die Bevölkerung ruhig zu halten, während Dr. Mindy, Kate und andere verzweifelt versuchen, noch zu retten, was zu retten ist ...

Kritik:
Man könnte meinen, Adam McKay habe mit "Don't Look Up" eine schnelle satirische Reaktion auf die weltweite Corona-Pandemie abgeliefert, aber in Wirklichkeit waren es der Klimawandel und der bislang viel zu langsame, halbherzige und schwerfällige Kampf dagegen, welche den Satire-Spezialisten ("Anchorman", "The Big Short", "Vice") zu seinem Werk inspirierten. Daß dieses während einer Pandemie veröffentlicht wird, bringt Vor- und Nachteile mit sich. Größter Vorteil ist, daß "Don't Look Up" unfaßbar zeitgemäß wirkt und den Nerv einer von Corona und den wankelmütigen politischen Maßnahmen dagegen (die einigen viel zu weit gehen und vielen anderen nicht ansatzweise weit genug, wobei das natürlich von Land zu Land unterschiedlich ist) traumatisierten Gesellschaft trifft, weshalb wirklich jeder bei der Thematik mitreden kann. Eher nachteilig ist, daß genau deshalb sehr offensichtlich ist, wo sich McKays in den meisten Ländern bei Netflix veröffentlichter Film als prophetisch erweist und wo er in seiner überzogenen Darstellung doch eher einfach nur albern ist. Interessanterweise ergibt sich hier wieder einmal ein deutlicher Unterschied zwischen Kritiker- und Zuschauermeinungen. Während "Don't Look Up" bei vielen Kritikern nur mittelmäßig abschneidet, scheint er beim "normalen" Publikum viel besser anzukommen. Bedauerlicherweise muß ich den Kritikern zustimmen, denn obgleich der stargespickte "Don't Look Up" seine starken Momente hat, enttäuscht er vor allem in der ersten Hälfte mit allzu plakativ präsentierten Storysträngen, die kaum interessante Ideen enthalten und im Wesentlichen das Offensichtliche betonen. Möglicherweise begründet sich die sehr positive Aufnahme bei vielen Zuschauer darauf, daß der Film einfach genau ihre Meinung bebildert und sie ihn deshalb für besser halten als er ist – aber vielleicht trifft "Don't Look Up" ja auch einfach nicht meinen Humorgeschmack. Jedenfalls reicht McKays neues Werk in meinen Augen nicht ansatzweise an seinen OSCAR-gekrönten "The Big Short" oder den ebenfalls sehr gelungenen (aber geschichtsverfälschenden) "Vice" heran, sondern zählt zu den größeren Enttäuschungen des Jahres 2021.

Gerade die erste Hälfte des mit fast zweieinhalb Stunden sowieso etwas lang geratenen Films kann die Erwartungen nicht erfüllen. Zwar ist die Beschreibung des behördlichen Chaos nach der Entdeckung des Kometen und des inkompetenten, rein auf den eigenen Vorteil bedachten Weißen Hauses ziemlich treffend (es ist klar erkennbar, daß McKay sein Drehbuch während der Trump-Administration verfaßte), aber die Darstellung läßt jegliche Subtilität vermissen und der Humor kommt arg platt daher. Dabei hat "Don't Look Up" ein wenig Pech, daß durch die reale Pandemie, während der er veröffentlicht wurde, viele parodistische Elemente an Effektivität verlieren. Adam McKay will die Absurdität der immer weiter verzögerten politisch-wirtschaftlich-gesellschaftlichen Reaktionen auf den Klimawandel – vor dessen Folgen Experten buchstäblich seit Jahrzehnten warnen – herausarbeiten, indem er mit dem Kometen eine im Kern ähnliche, aber deutlich unmittelbarere Gefahr präsentiert und die Aktionen und Reaktionen verschiedener Gruppen darauf überhöht. Dadurch, daß wir selbst gerade eine ähnliche Situation durchleben, funktioniert das weniger gut als gewünscht, weil wir inzwischen wissen, daß die Absurdität der Realität teilweise noch drastischer ist als alles, was sich ein Drehbuch-Autor ausdenken kann. Dabei muß man McKay in einigen Bereichen sehr wohl für seine Weitsicht loben: Daß 23% der Amerikaner schlichtweg die Existenz des Kometen verleugnen und die trumpistische Regierung dies mit ihrer in ihrer hirnrissigen Schlichtheit erschreckend realistisch wirkenden "Don't Look Up"-Bewegung noch unterstützt, nimmt die Corona-Leugner beispielsweise sehr treffend und zielgenau vorweg (oder auch den beträchtlichen Teil der amerikanischen Rechten, der entgegen aller Fakten und Gerichtsurteile bis heute Trumps Abwahl für Betrug hält, worauf es im Film ein paar dezente Anspielungen gibt). Neben diesen gelungenen Einfällen – die sich größtenteils auf die zweite Filmhälfte konzentrieren – gibt es aber auch viele unoriginelle und arg offensichtliche Gags, wobei ich insgesamt sowieso nur einen (immerhin mehrstufigen) Gag richtig gut fand, der mit dem von "CSI"-Veteran Paul Guilfoyle gespielten General Themes zusammenhängt und vor allem deshalb so gut funktioniert, weil Jennifer Lawrence ihn grandios verkauft.

Ansonsten gibt es einiges zum Schmunzeln – wie Ron Perlmans ("Hellboy") zutiefst politisch unkorrekten Redneck-Piloten, der die Mission zur Umleitung des Kometen durchführen soll –, aber sonderlich lustig ist das meiste nicht. Vielmehr setzt McKay zu häufig auf Holzhammer-Humor und Albernheiten, die mitunter dermaßen überzogen und unrealistisch sind, daß man sie kaum noch als satirisch durchgehen lassen kann. Zudem erweist sich "Don't Look Up" als ausgesprochen USA-lastig der Rest der Welt wird zwar nicht komplett ignoriert, jedoch nur alibihaft am Rande erwähnt, was speziell in der ersten Hälfte (als der Komet entdeckt ist, die US-Regierung es aber vorzieht, ihn zu ignorieren) einige Logikschwächen mit sich bringt. Aber zum Glück hat McKay wieder einmal ein grandioses Schauspielensemble zusammengestellt, das über einige Defizite hinwegtäuscht. Der MVP des Films ist zweifellos Leonardo DiCaprio, dessen Figur des Dr. Randall Mindy als einzige eine nennenswerte Entwicklung durchläuft und sich vom wohlmeinenden, aber weltfremden, naiven und leicht manipulierbaren Wissenschaftler zum Medienstar (mitsamt Affäre mit der von Cate Blanchett verkörperten TV-Moderatorin Brie) entwickelt, um dann in einer eindrucksvollen Wutrede im Live-TV doch die Kurve hin zu jenem verantwortungsvollen Wissenschaftler und Mensch zu kriegen, der er eigentlich ist. Ansonsten kann einzig Jennifer Lawrence als geradlinige Kate etwas Tiefe entwickeln, während die übrigen Charaktere primär personifizierte Klischees sind. Das ist in einer Satire nicht notwendigerweise schlecht und in der Tat macht es Laune, Meryl Streep die US-Präsidentin als furchterregende Mischung aus Sarah Palin und Donald Trump spielen zu sehen oder Jonah Hill ("The Wolf of Wall Street") ihren Sohn und Stabschef Jason als inkompetenten, ödipalen Donald Trump Jr.-Verschnitt. Für deutschsprachige Zuschauer gibt es sogar noch ein kleines Extra-Schmankerl, da Mark Rylances schauerlicher – aber letztlich erstaunlich inkompetenter und als angebliche Tech-Legende damit nur wenig glaubwürdiger – Steve Jobs/Mark Zuckerberg-Mix Isherwell dem deutschen Komiker Johann König nicht nur ähnlich sieht, sondern (jedenfalls im Originalton) genau so klingt wie dieser … Technisch gibt es derweil wenig an "Don't Look Up" auszusetzen: Der drohende Weltuntergang sieht richtig gut aus, die Musik von Nicholas Britell ("Moonlight") untermalt ihn hörenswert, wenn auch ohne Höhepunkte. Unterm Strich bleibt eine Satire, die das Herz erkennbar am rechten Fleck hat und deren inhaltlichen Aussagen ich persönlich zu nahezu 100% zustimme – zu einem guten Film reicht das aber nicht, da es der Story an Ideen und der Satire trotz des gelungenen Endes (das aber kaum jemanden mehr überraschen dürfte) oft an Schärfe fehlt und sich "Don't Look Up" letztlich in erster Linie an jene Zuschauer richtet, die McKays Ansichten sowieso teilen.

Fazit: "Don't Look Up" ist eine durchaus gut beobachtete, teils prophetische Politik-, Medien- und Gesellschaftssatire mit Star-Besetzung, die ihr Potential aber weitgehend brachliegen läßt und inhaltlich zu einfallslos ist, um voll überzeugen zu können.

Wertung: 6 Punkte.
 
 
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