Regie und Drehbuch: James Gunn, Musik: John Murphy
Darsteller: Margot Robbie, Idris Elba, Joel Kinnaman, John
Cena, Daniela Melchior, Sylvester Stallone (Stimme), David Dastmalchian, Viola
Davis, Peter Capaldi, Juan Diego Botto, Joaquín Cosío, Alice Braga, Julio Cesar
Ruiz, Michael Rooker, Jai Courtney, Pete Davidson, Mayling Ng, Nathan Fillion, Sean Gunn,
Flula Borg, Storm Reid, Taika Waititi, Steve Agee, Dee Bradley Baker (Stimme), Jennifer
Holland, Tinashe Kajese, Freddie
Stroma, Pom Klementieff, Lynne Ashe, Lloyd Kaufman, John Ostrander
FSK: 16, Dauer: 132 Minuten.
Als im südamerikanischen Inselstaat Corto Maltese ein Coup
die bis dahin amerikafreundliche Regierung einem Militärputsch zum Opfer
fällt und der betont antiamerikanische General Silvio Luna (Juan Diego Botto, "Der Obrist und die Tänzerin")
zum neuen Präsidenten ausgerufen wird, schrillen bei den US-Geheimdiensten alle
Alarmglocken. Denn ihren Informationen zufolge wird dort in einem ehemaligen
Nazi-Labor seit Jahren an einem gefährlichen Geheimprojekt
gearbeitet, das unter Luna zur ernsten Bedrohung für die USA werden
könnte. Daher schickt die A.R.G.U.S.-Chefin Amanda Waller (Viola Davis,
"Ma Rainey's Black Bottom") erneut ihre hochgeheime und kontroverse Task Force X
los, um die Situation zu klären, bevor sie eskaliert. Besagte Task Force wird
von Col. Rick Flag (Joel Kinnaman, TV-Serie "The Killing") angeführt und besteht ansonsten aus
Superschurken wie Harley Quinn (Margot Robbie, "I, Tonya"), dem
Scharfschützen Bloodsport (Idris Elba, "Pacific Rim"), dem eiskalten
Killer Peacemaker (John Cena, "Bumblebee") oder dem Hai-Mensch-Hybriden King
Shark (in der Originalfassung von Sylvester Stallone gesprochen), welche gegen eine
erhebliche Haftzeitverkürzung ihre Leben für diese Selbstmordmission riskieren.
Beinahe erwartungsgemäß läuft die Mission von Beginn an aus dem Ruder,
doch schließlich gelingt es den Überlebenden, sich mit der Rebellenanführerin
Sol Soria (Alice Braga, "The New Mutants") zusammenzuschließen, die sie zum Geheimlabor bringen kann, in dem der verrückte Wissenschaftler Gaius
Grieves aka Thinker (Peter Capaldi, TV-Serie "Doctor Who") an seinem "Project Starfish"
arbeitet …
Kritik:
David Ayers DC-Film "Suicide
Squad" über eine Reihe Comicschurken, die sich zusammentun, um
gegen eine Haftzeitverkürzung die Welt zu retten, war 2017 ein beträchtlicher
kommerzieller Erfolg, obwohl er weder bei Kritikern noch Zuschauern sonderlich
gut ankam – und nicht einmal beim Regisseur, da diesem eigenen Angaben nach von
den Produzenten mächtig ins Handwerk gepfuscht wurde und sein "Ayer
Cut" komplett anders aussähe. Vier Jahre später gibt es eine Art
Fortsetzung vom bekennenden Comic-Nerd James Gunn ("Guardians
of the Galaxy"), der von DC – anders als Ayer –
komplett freie Hand bekam und daraufhin einige äußerst obskure
Comic-Bösewichte hervorkramte, um diese in ein haarsträubendes und sehr
blutiges Abenteuer zu schicken. Mit dem Vorgänger verbindet der wenig
einfallsreich "The Suicide Squad" betitelte Film im Grunde genommen
nur die Rückkehr der Figuren Harley Quinn, Captain Boomerang (Jai
Courtney, "Jack Reacher"), Colonel Flagg und Amanda Waller, die als
A.R.G.U.S.-Chefin das Antihelden-Team in den Einsatz schickt. Die Entscheidung der DC-Verantwortlichen, Gunn völlige
kreative Freiheit zu lassen, hat sich ausgezahlt und ist gleichzeitig doch
wahrscheinlich gescheitert. Ausgezahlt hat sie sich für die Zuschauer, denn
"The Suicide Squad" ist erheblich besser und einfallsreicher ausgefallen als
sein Vorgänger mit dem beinahe identischen Titel. Gescheitert ist sie wohl aus
Sicht von DC, denn trotz erstklassiger Kritiken und einer starken Mundpropaganda hat
"The Suicide Squad" weltweit nur ein Fünftel des
Einspielergebnisses von "Suicide Squad" erreicht. Dafür gibt es
natürlich gute Gründe, allen voran die Auswirkungen der Corona-Pandemie –
"The Suicide Squad" war in vielen Ländern neben "Fast &
Furious 9" und "Black Widow" der erste große
Hollywood-Blockbuster nach den langen Kinoschließungen –, aber ebenso die
Veröffentlichungsstrategie von Warner Bros. speziell in den USA. Dort wurde James
Gunns Film nämlich parallel zum Kinostart ohne zusätzlichen Aufpreis im
hauseigenen Streamingdienst HBO Max veröffentlicht – wie viele Kinogänger das
den Film genau gekostet hat, werden wir nie erfahren, aber daß es beträchtliche
Auswirkungen hatte, dürfte klar sein.
Klar ist aber angesichts der internationalen Resultate auch: Selbst ohne Streaming-Alternative wäre "The Suicide Squad"
nicht mal ansatzweise an den kommerziellen Erfolg des ersten Teils herangekommen
und das vermutlich selbst ohne Pandemie. Neben dem unglücklich gewählten
Titel ohne Alleinstellungsmerkmal dürfte das vor allem daran liegen, daß der
unpopuläre erste Teil zu viele theoretisch Interessierte abgeschreckt hat
(auch wenn wenige Wochen später der enorm erfolgreiche "Venom 2"
bewies, daß man sehr wohl einem unbeliebten Vorgänger trotzen kann). Das ist
sehr bedauerlich, denn Gunns ausgesprochen spaßiger Film hätte trotz einiger
Mängel einen Erfolg definitiv verdient gehabt – zumindest scheint DC es Gunn nicht zu
übel zu nehmen, immerhin durfte er mit "Peacemaker" bereits eine HBO
Max-Sequel-Serie zu John Cenas Figur realisieren und eine weitere Projekte sind geplant. Und damit endgültig genug der Vorrede und zu "The Suicide
Squad": Bereits der Auftakt zeigt James Gunn in Bestform, denn er führt
neben den vier alten Bekannten eine ganze Reihe von Neulingen ein, bei denen er zwar
nicht wirklich in die Tiefe geht – jedoch sind sie allesamt skurril genug und
dazu so passend besetzt, daß man sie innerhalb kürzester Zeit ins Herz schließt
– also irgendwie, denn es sind natürlich immer noch fast ausnahmslos Superschurken
(Ratcatcher 2 ist eigentlich die einzige Ausnahme, sie ist relativ unglücklich in
die Truppe hineingerutscht) und im Gegensatz zum Vorgänger werden sie durchaus
wie welche behandelt. Denn genau das war einer der Fehler des
ersten Teils: daß mit ganz wenigen Ausnahmen die Anti-Helden dann doch ein mehr
oder weniger gutes Herz offenbarten. Bei Gunn sind die
A.R.G.U.S.-Häftlinge zwar charismatisch und herrlich schräg, sodaß es relativ
leicht fällt, sie zu mögen und mit ihnen mitzufiebern – man vergißt darob
aber nie, daß sie definitiv keine Helden sind. Die Landung auf Corto Maltese
zeigt das schnell auf, denn die verläuft alles andere als nach Plan, weshalb
sich ein absolut irres Gemetzel ergibt und wir uns bedauerlicherweise schnell
wieder von einigen der Squad-Mitglieder verabschieden müssen – aber es
handelt sich immerhin buchstäblich um Abschiede mit einem großen Knall!
Nach diesem explosiven Auftakt geht es für die
Überlebenden ins Landesinnere, abgesehen von Harley Quinn, die vom Militär
gefangengenommen und in den Präsidentenpalast gebracht wird – wo sich zu ihrem
Glück herausstellt, daß der an die Macht geputschte neue Präsident Luna ein
riesengroßer Fan von ihr ist (wer kann es ihm verdenken?). Harley auf diese
Weise einen relativ großen Teil des gut zweistündigen Films von ihren
Zwangs-Kameraden zu trennen, war eine nicht ganz ungefährliche
Drehbuch-Entscheidung, sie funktioniert jedoch ganz wunderbar. Margot Robbie
geht hier sogar noch mehr in ihrer Rolle auf als in "Suicide Squad" und
"Birds of Prey" und James Gunn versteht es vortrefflich, die
durchgeknallte Romantikerin mit genau dem richtigen Maß an Exzentrik und
phantastischer Bildsprache in Szene zu setzen. Auf diese Weise macht Harleys
Solo-Handlungsstrang richtig viel Laune und bietet zugleich Abwechslung von den
Eskapaden der übrigen Squad-Mitglieder bei ihrer Suche nach den Rebellen sowie dem Thinker, über den sie Zugang zum
"Project Starfish" erhoffen. Der Tonfall in diesem zweiten
Haupthandlungsstrang fällt erheblich derber aus, was nicht jedem Zuschauer und
Kritiker gefällt – aber da muß man sich einfach ins Gedächtnis rufen, daß es
sich eben gerade beim prolligen Peacemaker und dem griesgrämigen Bloodsport
nicht um strahlende Helden handelt, sondern um Bösewichte, die diesen
Selbstmord-Job nur sehr widerwillig übernommen haben (speziell Bloodsport). Da
passen derbe Macho-Sprüche, die gerne unter die Gürtellinie gehen, einfach
besser als intellektuelle, mit der spitzen Feder geschriebene Wortgefechte …
Generell ist die Handlung von "The Suicide Squad" als eher zweckmäßig
einzustufen, sie dient erkennbar vor allem dazu, jenen skurrilen Anti-Helden, die
im Mittelpunkt stehen und denen James Gunns Liebe gehört, etwas
zu tun zu geben. Natürlich wäre eine einfallsreichere Story mit
vielleicht sogar ein wenig Tiefgang nett gewesen, aber letzten Endes braucht eine
Comicadaption, die so leidenschaftlich umgesetzt wird wie diese, das gar nicht
unbedingt. Und mit Starro (aka Project Starfish) hat man zumindest einen wirklich originellen
Antagonisten, der eine spektakuläre und lange Endschlacht ermöglicht.
Wie bereits angesprochen, gelingt es Gunn und seinem
spielfreudigen Cast ausgezeichnet, die insgesamt an die zwei Dutzend
Squad-Mitglieder und sonstigen wichtigen Rollen zum Leben zu erwecken – selbst
jene, die schnell den Weg alles Sterblichen gehen. Tatsächlich hätte ich
von jeder einzelnen Figur gerne mehr gesehen und es fällt mir schwer, irgendwelche
Favoriten zu erwählen. Wenn ich mich jedoch entscheiden müßte, würde ich neben
der unvermeidlichen Harley Quinn als erstes den traumatisierten Polka-Dot
Man nennen, der mit dem in schrägen Nebenrollen immer überzeugenden David
Dastmalchian ("Dune") perfekt besetzt ist und dessen äußerst
merkwürdige übernatürliche Fähigkeit (er "schießt" tatsächlich mit
bunten Punkten!) visuell grandios umgesetzt ist – zudem achtet er als einziger auf den armen, tapferen Rebellen-Kontaktmann Milton (Julio Ruiz)
... Ansonsten haben mir Nathan Fillion ("Slither") als T.D.K.
alias "Arm-Fall-Off-Boy", John Cena als
höchst engagierter Killer "Peacemaker" (der Frieden so sehr liebt,
daß er dafür tötet …), Sean Gunn ("Guardians of the Galaxy Vol. 2")
als "Weasel" (ja, ein überhaupt nicht süßes humanoides Wiesel!), die portugiesische Newcomerin Daniela Melchior als "Ratcatcher 2" (ihr Vater wird in
einer Rückblende von "Thor 3"-Regisseur Taika Waititi verkörpert),
der deutsche YouTuber Flula Borg ("Pitch Perfect 3") als Javelin (der eine fabelhafte Szene mit Harley Quinn hat)
und natürlich der in der Originalfassung von Sylvester Stallone ("The Expendables 2") gesprochene und
von der Spezialeffektabteilung bemerkenswert glaubwürdig zum Leben erschaffene
Mensch-Hai-Hybrid Nanaue alias "King Shark" gefallen. Zudem überzeugt Joel Kinnaman erneut als Rick Flag
und quasi-Hauptdarsteller Idris Elba gibt als Bloodsport erwartungsgemäß einen wunderbar
charismatischen Anführer ab, der allerdings charakterlich und storymäßig – bis
hin zur Tochter als Triebfeder für sein Handeln – etwas zu sehr an Will Smiths
Deadshot aus dem Vorgänger erinnert (was daran liegen dürfte, daß Elba
ursprünglich für den zeitlich verhinderten Smith Deadshot spielen sollte, James
Gunn sich dann aber aus Respekt vor Smith dazu entschied, Elba eine neue, jedoch
ähnliche Rolle zu geben). Und selbstverständlich ist OSCAR-Gewinnerin Viola
Davis als gnadenlose A.R.G.U.S.-Chefin Amanda Waller wieder einmal
unnachahmlich skrupellos – Davis hätte sich für ihre grandiose Darstellung
dieser Nebenrolle definitiv einen eigenen Film oder eine eigene TV-Serie
verdient! Insgesamt ist "The Suicide Squad" deutlich besser ausgefallen
als die Kinofassung von David Ayers "Suicide Squad" (dessen
"Ayer Cut" des Films ich aber wirklich gerne sehen würde) und
macht einen Heidenspaß – vor allem wird er dank Gunns inspiriert-überzogener
Inszenierung dem Comic-Medium mehr gerecht als die meisten
Hollywood-Comicadaptionen. Daß etliche Figuren zwangsläufig zu kurz kommen, der
Humor mitunter ziemlich derb und die Handlung nicht der Rede wert ist, vergibt
man angesichts der denkwürdigen Charaktere und des enorm hohen Unterhaltsamkeitsgrads
gerne.
Fazit: James Gunns "The Suicide Squad" ist eine herrlich
übertriebene Comic-Actionkomödie mit einem Ensemble voller wunderbar schräger und
exzellent besetzter Anti-Helden, die ein ebenso unfaßbares wie ungemein
amüsantes Chaos anrichten.
Wertung: 8 Punkte.
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