Originaltitel: Le Dernier Voyage
Regie und Drehbuch: Romain Quirot, Musik: Etienne Forget
Darsteller: Hugo Becker, Lya Oussadit-Lessert, Paul Hamy,
Jean Reno, Bruno Lochet, Philippe Katerine, Emilie Gavois-Kahn
FSK: 16, Dauer: 87 Minuten.
In der nicht allzu fernen Zukunft hat die Klimaerwärmung
viele Gegenden der Erde buchstäblich verwüstet, die natürlichen Ressourcen
wurden von der Menschheit weitestgehend ausgebeutet. Praktischerweise tauchte jedoch ein mysteriöser "Roter Mond" auf, von dem die Menschen das
"Lumina" abbauen und als überlegene Energiequelle nutzen
konnten. Dummerweise befindet sich der Rote Mond inzwischen allerdings auf
Kollisionskurs mit der Erde und hat ein beinahe undurchdringliches, wie ein Schutzschild wirkendes Magnetfeld
um sich entwickelt. Lediglich der Astronaut
Paul W.R. (Hugo Becker, TV-Serie "Frankreich gegen den Rest der
Welt") verfügt über die Fähigkeit, dieses Magnetfeld zu durchbrechen und
den Roten Mond mit Nuklearwaffen zu zerstören, ehe er mit der Erde kollidiert. Kurz vor Beginn der Mission verschwindet Paul aber spurlos und befindet sich seitdem auf der Flucht, da er glaubt, seit
seiner Kindheit Nachrichten und Visionen vom Roten Mond zu erhalten und überzeugt ist, daß es ein schwerwiegender Fehler wäre, ihn zu zerstören. Gemeinsam
mit dem Teenager-Mädchen Elma (Lya Oussadit-Lessert, "Ausgeflogen"),
das sich ihm auf seiner Flucht kurzerhand angeschlossen hat, sucht Paul nach
einem Ort, den er aus seinen Visionen kennt – verfolgt von der Staatsmacht und
vor allem seinem großen Bruder Eliott (Paul Hamy, "Madam empfiehlt sich"), welcher seit einem gescheiterten Versuch, das Magnetfeld des Roten
Mondes zu durchdringen, über unerklärliche Gedankenkräfte verfügt …
Kritik:
Wahrscheinlich ist es vielen Filmfans gar nicht bewußt, aber
es gibt eine stattliche Anzahl an Filmen – darunter einige Klassiker –,
die auf Kurzfilmen basieren. Vor allem Filmemacher, die noch neu im Geschäft sind,
versuchen sich gerne an als künstlerische Visitenkarte dienenden
Kurzfilmen, und wenn es gut läuft, dürfen sie später (mitunter mit deutlich größerem
Budget) eine Langfilm-Version der gleichen Geschichte realisieren. Bekannte
Beispiele dafür sind Sam Raimis "Tanz der Teufel" aus dem Jahr 1981, Wes
Andersons "Bottle Rocket" (1996), Paul Thomas Andersons "Boogie
Nights" (1997), Neill Blomkamps "District 9" (2009), Tim Burtons
"Frankenweenie" (2012), Jalmari
Helanders "Rare Exports" (2010), Mike Flanagans "Oculus" (2013),
Andy Muschiettis "Mama" (2013) oder Damien Chazelles "Whiplash"
(2014). Auch der französische Filmemacher Romain Quirot beschritt diesen Weg: Er
begann mit Musikvideos und Werbeclips, drehte dann erste Kurzfilme – und
feierte 2020 sein Langfilm-Debüt mit "The Last Journey – Die letzte Reise
der Menschheit", einer erheblich ausgebauten Version seines philosophischen
SciFi-Kurzfilms "Le Dernier Voyage de l'énigmatique Paul W.R." aus
dem Jahr 2015. Jedoch ist "The Last Journey" auch ein gutes
Beispiel dafür, daß nicht jede Geschichte von einer längeren Laufzeit
profitiert, denn während der Kurzfilm noch recht geradlinig und gut verständlich
vorging, ist die längere Version trotz Hinzufügung einer zweiten Hauptfigur deutlich unfokussierter und rätselhafter ausgefallen – und das nicht unbedingt
in einem positiven Sinne.
Da sich "The Last Journey" betont uneindeutig und
obskur gibt, empfehle ich, vorher den 15-minütigen Kurzfilm anzuschauen,
den man auf YouTube kostenlos (in der Originalfassung mit englischen
Untertiteln) abrufen kann, denn der bringt einem den schweigsamen Protagonisten Paul eigentlich
näher als der Langfilm in seinen annähernd eineinhalb Stunden. Eine
richtige Handlung gibt es sowieso nicht, im Grunde genommen fährt Paul einfach mehr oder weniger ziellos durch die unwirtliche Gegend; wonach genau er auf
der Suche ist, weiß er wohl selbst nicht wirklich. Aber vielleicht ist er ja
auch in erster Linie auf der Flucht – auf der Flucht vor den Behörden, die ihn
suchen, auf der Flucht vor seinem gewalttätigen großen Bruder, der ihn im
Auftrag ihres Vaters (Jean Reno, "Da 5 Bloods", in einer Nebenrolle) zurückbringen soll oder
auf der Flucht vor der Verantwortung und vor dem Druck, die einzige
Hoffnung der Menschheit zu sein. Wobei das im in dieser Hinsicht eher vage
gehaltenen Kurzfilm wesentlich glaubwürdiger rüberkommt als im Film, der mehr
erklärt, ohne dadurch merklich verständlicher zu werden. Immerhin sorgt die
neue Figur der Elma dafür, daß Paul nicht mehr allein mit seinen Sorgen ist,
tatsächlich ist die sich entwickelnde Beziehung zwischen dem verhinderten
Weltretter und dem in einer unfreundlichen Welt nach Anschluß suchenden Mädchen unterhaltsam geschildert.
Am besten funktioniert "The Last Journey"
allerdings nicht inhaltlich, sondern atmosphärisch. Die dystopische,
melancholische Stimmung ist deutlich von Sir Ridley Scotts Genreklassiker
"Blade Runner" inspiriert, der apokalyptische Roadmovie-Teil erinnert
zudem an Wim Wenders' "Bis ans Ende der Welt". Kameramann Jean-Paul
Agostini ("Wilde Kräuter") bebildert die so menschenfeindliche nahe
Zukunft sehenswert mit stimmungsvollen Szenerien, die
Komponist Etienne Forget (TV-Miniserie "Der Wald") klangvoll
untermalt – und auch einige Songs von Kim Wildes Evergreen "Cambodia"
bis hin zu französischen Chansons passen überraschend gut ins Bild. Daß "The Last Journey" immer noch ein Low Budget-Film ist, fällt angesichts dessen
erfreulicherweise kaum auf. Auch ein bißchen Action gibt es übrigens, wobei die
Schießereien routiniert und teils überraschend blutig inszeniert sind.
Schauspielerisch gefällt Hugo Becker als (wie übrigens die meisten Figuren im Film, die der bevorstehende Weltuntergang wenig zu beeindrucken scheint) stoischer und enigmatischer Protagonist
Paul, während Paul Hamy als sein großer Bruder Eliott einen guten Antagonisten
abgibt und die junge Lya Oussadit-Lessert etwas Emotionen und Humor
einbringt (wobei letzterer oft eher fehl am Platz wirkt). Das Finale gerät
Romain Quirot recht gut, es bleiben jedoch etliche Fragen offen. Wobei die
letztlich aber kaum interessant genug sind, um einem schlaflose Nächte zu
bescheren …
Fazit: "The Last Journey – Die letzte Reise der
Menschheit" ist ein atmosphärischer, allzu gemächlich erzählter französischer
Low Budget-Science Fiction-Film, dessen philosophische Ansätze sich recht schnell im Beliebigen verlaufen.
Wertung: Gut 6 Punkte.
"The Last Journey – Die letzte Reise der Menschheit" erscheint am 30. September 2021 von EuroVideo Medien auf DVD und Blu-ray. Als Bonusmaterial gibt es neben dem deutschen Trailer nur eine 25-minütige Interviews-Featurette, die ich mangels Französisch-Kenntnissen nicht bewerten kann - Untertitel gibt es nämlich keine. Auch der als Basis dienende Kurzfilm ist leider nicht enthalten. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Entertainment Kombinat zur Verfügung gestellt.
Screenshots: © EuroVideo Medien
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