Dienstag, 5. April 2022

THE KING'S MAN – THE BEGINNING (2021)

Originaltitel: The King's Man
Regie: Matthew Vaughn, Drehbuch: Matthew Vaughn und Karl Gajdusek, Musik: Dominic Lewis und Matthew Margeson
Darsteller: Ralph Fiennes, Harris Dickinson, Djimon Hounsou, Gemma Arterton, Rhys Ifans, Charles Dance, Matthew Goode, Tom Hollander, Daniel Brühl, Valerie Pachner, Joel Basman, August Diehl, Ian Kelly, Ron Cook, Neil Jackson, Alison Steadman, Aaron Taylor-Johnson, Olivier Richters, Branka Katič, Alexandra Maria Lara, Stanley Tucci, David Kross
The King's Man (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 41% (5,1); weltweites Einspielergebnis: $125,9 Mio.
FSK: 16, Dauer: 131 Minuten.
Großbritannien, Anfang des 20. Jahrhunderts: Orlando, Duke of Oxford (Ralph Fiennes, "Official Secrets"), war einst ein mit den höchsten militärischen Ehren bedachter Soldat, doch seine Kriegseinsätze machten ihn zum überzeugten Pazifisten, der mit seiner Frau Emily (Alexandra Maria Lara, "Rush") u.a. mit dem Roten Kreuz zusammenarbeitet. Nachdem Emily während eines Hilfseinsatzes getötet wird, zieht sich Orlando in seine Heimat zurück und konzentriert sich in den nächsten Jahren darauf, seinen Sohn Conrad (als Erwachsener: Harris Dickinson, "Maleficent 2") aufzuziehen – nebenbei baut er heimlich ein internationales Spionage-Netzwerk auf. Als der Erste Weltkrieg ausbricht, will Conrad wie so viele andere unbedingt für sein Land in den Krieg ziehen, doch Orlando verbietet ihm das. Zumindest nimmt er Conrad aber mit auf eine Geheimmission nach Russland, denn sein alter Freund, der aktuelle Kriegsminister Lord Kitchener (Charles Dance, "The Imitation Game"), hat Hinweise auf eine Verschwörung, welche hinter dem Krieg stehen könnte. Teil dieser Verschwörung soll der mysteriöse russische Mönch Rasputin (Rhys Ifans, "Radio Rock Revolution") sein, der großen Einfluß auf Zar Nikolaus (Tom Hollander, "Bohemian Rhapsody") hat. Gemeinsam wollen Orlando und Conrad sowie Orlandos Vertraute Shola (Djimon Hounsou, "Captain Marvel") und Polly (Gemma Arterton, "The Voices") Rasputin stoppen und somit hoffentlich den Krieg schnell zu einem Ende bringen ...

Kritik:
Dem britischen Filmemacher Matthew Vaughn ("Kick-Ass") gelang 2014 mit "Kingsman: The Secret Service", einer losen Adaption der "Kingsman"-Comicreihe von Mark Millar und Dave Gibbons, ein echter Überraschungserfolg. Die in fast jeder Hinsicht hemmungslos übertriebene Spionage-Actionfarce, die James Bond beinahe wie einen Langweiler aussehen läßt, spielte weltweit über $400 Mio. ein, kam bei den Kritikern gut an und bei den Kinozuschauern sogar noch besser. Der kommerzielle Erfolg der Fortsetzung "Kingsman: The Golden Circle" ging nur wenig zurück, allerdings konnte der Film inhaltlich bei weitem nicht mehr so sehr überzeugen. Vor einem dritten Teil der Hauptreihe schiebt Vaughn das Prequel "The King's Man" ein, das von den Anfängen der "Kingsmen" berichtet (und in Deutschland den zusätzlichen Untertitel "The Beginning" verpaßt bekam), aber nicht unbedingt vom Glück verfolgt war und nicht zuletzt wegen mehrerer pandemiebedingter Verschiebungen zu einem ziemlichen kommerziellen Flop mutierte. Die Zukunft des Franchise scheint das immerhin nicht zu gefährden, jedoch ist zu hoffen, daß weitere "Kingsman"-Filme wieder an die großen Stärken des ersten Teils anknüpfen – denn "The King's Man" orientiert sich in qualitativer Hinsicht eher an "The Golden Circle" und präsentiert sich ausgesprochen unrhytmisch. Ein paar echte Highlights gibt es zwar, insgesamt wirkt dieses Prequel aber recht unausgegoren und auch unentschieden, was es wirklich will.

"The King's Man" offenbart von Beginn an sichtliche Probleme, den richtigen Tonfall zu finden. Während die erste, weitgehend spaßbefreite Hälfte in erster Linie ein etwas klischeehafter, aber fraglos leidenschaftlicher Anti-Kriegsfilm ist, entwickelt sich die Handlung in der zweiten Hälfte immer stärker in Richtung klassisches Bond-Abenteuer. Für den Bruch mitsamt Genrewechsel in der Filmmitte gibt es einen konkreten Grund, den ich keinesfalls spoilern will, jedoch macht er die Entwicklung in meinen Augen nur bedingt glaubwürdiger. Generell ist die vielleicht größte Problematik von "The King's Man", daß sich der Film (fast) nie wie ein echter "Kingsman"-Film anfühlt. Zwar bleiben die überzogenen Bösewichte, primär Rasputin, durchaus in der Tradition der beiden vorangegangenen Filme, allerdings wirken sie zu häufig wie Fremdkörper in einer im Kern ernsthaften Spionagestory. Zudem kommen sowohl der Humor als auch die comichafte Brutalität – zwei Kernelemente der Reihe – viel zu kurz, im Grunde genommen gibt es nur eine einzige Sequenz, die sich so richtig nach "Kingsman" anfühlt: der Kampf gegen Rasputin in Russland. Hier spielt Vaughn seine Stärken aus mit einer begeisternden Kampfchoreographie (Rasputin bewegt sich im Kampf im Stil eines Kosakentanzes!), einem von Rhys Ifans herrlich überzogen verkörperten Antagonisten, hohem Tempo und unerwarteten Wendungen. In diesen (mitsamt Vorspiel) vielleicht 10 bis 15 Minuten zeigt "The King's Man", was er im besten Fall hätte werden können. Stattdessen bleibt diese erstklassige Sequenz eher ein Mahnmal, das den ganzen Rest nur noch mittelmäßiger erscheinen läßt.

Problematisch ist fürderhin, daß es zwar reichlich Fieslinge im Film gibt, aber der eigentliche Oberbösewicht, der "Shepherd" (Schäfer), bis fast zum Schluß anonym und gesichtslos bleibt. Wohlgemerkt: Die Idee, in die geschichtsrevisionistische (möglicherweise von einer ähnlichen in der britischen 1960er Jahre-Komödie "Mörder GmbH" inspirierte) Weltverschwörung von "The King's Man" neben Rasputin weitere reale Persönlichkeiten wie Lenin (August Diehl, "Salt"), Mata Hari (Valerie Pachner, "Ein verborgenes Leben"), den österreichischen Nazi-Hellseher Hanussen (Daniel Brühl, "Captain America 3") und den serbischen Attentäter Gavrilo Princip (Joel Basman, "Schachnovelle") zu involvieren, ist gut (auch wenn Kritiker nicht zu Unrecht einwenden, daß man mit so etwas in Zeiten vorsichtig sein sollte, in denen zu viele Menschen voller Inbrunst selbst an die hanebüchensten Verschwörungstheorien glauben …). Aber wenn der große Kopf hinter dieser Verschwörung, der meisterhafte Strippenzieher, nicht mehr ist als ein rätselhafter, aber ziemlich profilloser Schemen, der immer wieder mal sinistre Dinge äußert und tut, dann funktioniert das einfach nicht gut. Nicht umsonst sind etwa bei den James Bond-Filmen die schillerndsten Bösewichte am besten in Erinnerung geblieben … Bei "The King's Man" kommt negativ hinzu, daß die finale Auflösung enttäuschend banal ausfällt und damit die ganze Geheimnistuerei über zwei Stunden hinweg konterkariert wird – zumal das am Ende enthüllte Motiv hinter der Weltverschwörung reichlich albern wirkt (da ergab selbst Valentines wahnsinniger Plan im Original mehr Sinn!).

Bei aller inhaltlichen Kritik gibt es an den schauspielerischen Leistungen wieder einmal wenig zu bemängeln. Ralph Fiennes, den "M" in den letzten Bond-Filmen mit Daniel Craig, einmal selbst in einer Quasi-Bond-Rolle zu sehen, macht fraglos Spaß und Fiennes darf sich in der zweiten Hälfte richtig austoben. Auch Harris Dickinson gibt als Fiennes' rebellischer Filmsohn Conrad eine gute Figur ab und die Nebenrollen sind mit Charakterdarstellern wie Tom Hollander (der sowohl den britischen König George als auch Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus spielt – was Sinn ergibt, weil die alle recht eng miteinander verwandt waren), Charles Dance, Rhys Ifans, Daniel Brühl oder Vaughns "Kick-Ass"-Star Aaron Taylor-Johnson (als ein Kamerad von Conrad) glänzend besetzt. Bedauerlich ist nur, daß Gemma Arterton und Djimon Hounsou als Oxfords treue Gefährten zu kurz und eigentlich überhaupt erst in der zweiten Hälfte richtig zum Zug kommen (da sich die erste primär auf die Oxfords konzentriert), denn beide Figuren hätten eindeutig Potential für mehr. Action und Spezialeffekte bewegen sich durchgängig auf hohem Niveau, die Musik ist gefällig, das Drehbuch offenbart ein paar nette Einfälle (die Ziegen!) und gelegentliche Anspielungen auf die ersten beiden Filme – beispielsweise ist Lord Kitcheners Adjutant Major Morton (Matthew Goode, "Stoker") der Großvater von Roxy aus "Kingsman: The Secret Service" – sorgen dafür, daß sich "The King's Man" zumindest ein wenig der sonstigen Reihe zugehörig anfühlt. Trotzdem bleibt unter dem Strich das Gefühl, daß viel erzählerisches Potential verschwendet wurde. Und angesichts der schwachen Einspielergebnisse darf man getrost bezweifeln, daß die in einer zusätzlichen Szene während des Abspanns angedeutete Prequel-Fortsetzung jemals zustandekommen wird – zumindest als Kinofilm (im Streaming-Zeitalter gibt es ja durchaus andere Möglichkeiten).

Fazit: "The King's Man – The Beginning" ist ein unrundes Prequel zur "Kingsman"-Reihe, das nicht so recht weiß, was es will, und daher trotz gelegentlicher Highlights und einer guten Besetzung ziemlich mittelmäßig ausfällt.

Wertung: 6,5 Punkte.
 
 
Bei Gefallen an meinem Blog würde ich mich über die Unterstützung von "Der Kinogänger" mittels etwaiger Bestellungen über einen der amazon.de-Links in den Rezensionen oder über das amazon.de-Suchfeld in der rechten Spalte freuen, für die ich eine kleine Provision erhalte.
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen