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In eigener Sache: Mein neues Filmbuch

Einigen Lesern ist bestimmt aufgefallen, daß ich in der rechten Spalte meines Blogs seit längerer Zeit das Cover meines neuen Buchs präsen...

Mittwoch, 15. Dezember 2021

A DARK SONG (2016)

Regie und Drehbuch: Liam Gavin, Musik: Ray Harman
Darsteller: Catherine Walker, Steve Oram, Susan Loughnane, Mark Huberman, Sheila Moloney, Martina Nunvarova, Nathan Vos
A Dark Song (2016) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $0,02 Mio.
FSK: 16, Dauer: 100 Minuten.
Die etwa 40-jährige Irin Sophia Howard (Catherine Walker, "House of Gucci") sucht hartnäckig nach einem erfahrenen Okkultisten, der selbstredend kein Scharlatan sein darf und ihr ihren größten Wunsch ermöglichen soll: Kontakt zu ihrem kleinen Sohn im Jenseits aufzunehmen, für dessen Tod sie sich verantwortlich fühlt. Nach mehreren Absagen wird sie in Wales fündig beim ruppigen Joseph Solomon (Steve Oram, "Sightseers"), der sich schließlich bereiterklärt, mit Sophia das berüchtigte Abramelin-Ritual durchzuführen, das im Idealfall eine Verbindung zu Sophias Schutzengel herstellen soll – jedoch auch Dämonen herbeirufen kann. Das Ganze ist keine einfache oder schnelle Angelegenheit, denn die Vollendung des religiösen Rituals dauert etwa sechs bis acht Monate, weshalb sich Sophia und Joseph in einem abgelegenen Landhaus verschanzen und mit genügend Vorräten eindecken. Als sich längere Zeit wenig bis nichts tut, wachsen Sophias Zweifel und ebenso die Spannungen zwischen den ungleichen Charakteren, zumal Josephs aufbrausendes, herrisches Verhalten nicht gerade harmoniefördernd ist. Doch dann gibt es erste, noch sehr zaghafte Hinweise, daß das Ritual doch seine Wirkung entfalten könnte ...

Kritik:
Obwohl ich selbst Atheist bin – oder vielleicht auch gerade deshalb? –, war ich schon immer fasziniert von Religion und ihrer Funktionsweise, gerade auch in politischer Hinsicht. Wobei ich grundsätzlich polytheistische Religionen viel spannender finde als die seit vielen Jahrhunderten in unseren Breiten dominierenden monotheistischen (also speziell Christentum und Islam), aber auch die haben natürlich viele interessante Aspekte. Folgerichtig habe ich ein leichtes Faible für religiös angehauchte Filme von bibeltreuen Monumentalfilmen á la "Die zehn Gebote" bis hin zu religiösen Horrorfilmen wie "Der Exorzist" oder "Das Omen". Gemeinsam haben allerdings die meisten religiösen Horrorfilme, daß sie den sakralen Hintergrund primär als Aufhänger für eine möglichst spannende Schockergeschichte verwenden, sie aber nur selten wirklich ernst nehmen und authentisch umsetzen. Ausnahmen finden sich (möglicherweise abgesehen von "Der Exorzist") vorwiegend in kleinen, unabhängigen Produktionen wie "The Witch" oder dem jüdischen Horrorfilm "The Vigil", in denen es mehr um eine bedrohliche Atmosphäre geht als um Schockelemente für ein Mainstream-Publikum. Der irische "A Dark Song", das Langfilm-Regiedebüt von Liam Gavin (Netflix-Serie "Spuk in Bly Manor"), der auch das Skript verfaßte, setzt diese Tradition fort und geht dabei vielleicht noch einen Schritt weiter, denn klassische Horrorelemente finden sich hier kaum noch. Das bedeutet in gewohnter Arthouse-Horror-Manier eine sehr bedächtige Erzählweise, aber eben auch einen hohen Grad an Authentizität – eine ziemlich spezielle Mischung für ein Nischenpublikum, aber Gavin setzt die düstere Geschichte gewissenhaft und konsequent um und schafft es, fast von Beginn an eine faszinierende, düster dräuende Stimmung er erschaffen, die großes Unheil verkündet.
Diese intensive und bedrückende Atmosphäre ist auch von entscheidender Bedeutung, denn Gavin hat sich mutigerweise dazu entschieden, die beiden Protagonisten seiner Geschichte – ein paar Nebenfiguren gibt es zwar, den absoluten Löwenanteil von "A Dark Song" bestreiten Sophia und Joseph aber in nicht wirklich trauter Zweisamkeit – nicht zu Sympathieträgern zu machen. Vor allem der Okkultist Joseph kommt wenig vertrauenerweckend daher mit seinem unbeherrschten, überheblichen und fordernden Verhalten, aber auch Sophia, die offensichtlich nicht die ganze Wahrheit erzählt und ungesund obsessiv wirkt (und in einer psychiatrischen Anstalt behandelt wurde, wie wir früh erfahren), taugt keinesfalls zur strahlenden Filmheldin. Eine gewisse Distanz zwischen diesen beiden Charakteren und dem Publikum bleibt schon deshalb bestehen, weil wir nur das Nötigste über ihre Hintergründe erfahren. Wo die meisten anderen Filme die Monotonie des monatelangen, lange Zeit wenig aufsehenerregenden Rituals für Rückblenden genutzt hätten, um die Figuren näher kennenzulernen, verzichtet Liam Gavin darauf komplett und konzentriert sich stattdessen auf das Ritual selbst und auf das schwierige Zusammenleben von Joseph und Sophia. Daß das eine bewußte Entscheidung ist, dürfte die Tatsache beweisen, daß sogar ein interessantes Gespräch zwischen den beiden, in dem man mehr über Josephs Vergangenheit erfährt, aus der finalen Fassung gestrichen wurde und nur im Bonusmaterial der Heimkinoveröffentlichung zu sehen ist. Angesichts dieser hingebungsvollen Ernsthaftigkeit, mit der Gavin sein Sujet behandelt, finde ich es jedoch etwas bedauerlich, daß das Ritual selbst und seine Hintergründe nicht noch ausführlicher behandelt werden. Denn das Abramelin-Ritual existiert tatsächlich und soll von mehreren bekannten Okkultisten (erfolglos) durchgeführt worden sein, darunter dem berühmt-berüchtigten, im Horrorgenre immer wieder gerne verwendeten Aleister Crowley. Joseph erklärt Sophia zwar anfangs in aller Ausführlichkeit die aufwendigen Vorbereitungen für das Ritual – das sich über mehrere Räume hinweg erstreckt und offenbar jüdische und christliche Elemente kombiniert – und betont dessen Gefährlichkeit, während des Rituals selbst hält er sich aber leider mit Kommentaren und Erläuterungen eher zurück. Da wäre mit Sicherheit noch etwas mehr gegangen, zumal eben, wie gesagt, bis kurz vor Schluß sowieso nicht wirklich viel passiert.
Gavin verwendet bei "A Dark Song" durchaus ein paar gängige Horrorfilm-Klischees wie das plötzliche Pochen an der Wand oder sich wie von Geisterhand öffnende Türen, erfreulicherweise verzichtet er aber fast komplett auf klassische Jumpscares und ähnliche, dramaturgisch billige Geisterbahn-Effekte (für mich gab es sogar keinen einzigen Jumpscare, aber zartere Gemüter könnten wohl ein paar Szenen im kurzen, aber eindrucksvollen Finale als solche empfinden). Die hätten auch nicht zur betonten Ernsthaftigkeit gepaßt, mit der der irische Filmemacher sein Thema behandelt und vorantreibt. Da handlungstechnisch lange wenig passiert, ist die Leistung der Schauspieler naturgemäß umso wichtiger, da sie das Publikum bei Laune halten müssen. Und den außerhalb der britischen Inseln eher unbekannten Catherine Walker und Steve Oram gelingt das vorzüglich. Natürlich ist ein Film, der sich so stark auf zwei Figuren konzentriert, für jeden guten Schauspieler eine tolle Gelegenheit, aber auch eine Herausforderung – Walker und Oram meistern diese, was angesichts der angesprochenen überschaubaren Sympathie für ihre Charaktere umso bemerkenswerter ist. Beide Schauspieler bringen die nötige Intensität mit und ebenso eine gewisse mysteriöse Aura, die ihre Figuren umgibt, zudem harmonieren sie in ihrer zwangsläufig intimen, jedoch alles andere als unkomplizierten Beziehung gut miteinander. Eine große Rolle für das Gelingen von Horror- oder Mysteryfilmen spielt traditionell auch die Musik, die speziell bei der Schaffung einer düster-unheimlichen Atmosphäre sehr wichtig ist. Das ist bei "A Dark Song" nicht anders, wo Gavins Landsmann Ray Harman ("Liebe zum Nachtisch") mit gänsehauterzeugenden, oft dissonanten Melodien die bedrohliche Stimmung noch weiter steigert – sein Score mag für das Genre nicht übermäßig originell sein, effektiv ist er auf jeden Fall! Das Zusammenspiel all dieser Elemente (auch die Kameraarbeit hat Lob verdient) macht aus "A Dark Song" einen faszinierenden und in dieser Konsequenz und Ernsthaftigkeit ziemlich einzigartigen Film, der mit der langsamen Erzählweise und den wenig für sich einnehmenden Protagonisten Anhänger konventioneller Horrorkunst abschrecken dürfte, Fans anspruchsvollen Arthouse-Horrors dagegen viel Sehenswertes bietet.

Fazit: "A Dark Song" ist ein gewollt nischiger Arthouse-Horrorfilm, der seine Geschichte und die Figuren sehr ernst nimmt und trotz der langsamen Erzählweise eine faszinierende, religiös geprägte Schauermär präsentiert.

Wertung: 7,5 Punkte.
 
 
"A Dark Song" ist seit dem 3. Dezember 2021 von Camera Obscura auf DVD und Blu-ray sowie als limitiertes Mediabook (mit zusätzlichem Booklet) erhältlich. Das Bonusmaterial umfaßt mehrere kurze, aber durchaus erhellende Interviews, Storyboards (15 Minuten), zehn Minuten nicht verwendete Szenen und vier Kurzfilme, die Liam Gavin zu Beginn seiner Karriere drehte. Dabei ist eine deutliche Entwicklung in Richtung "A Dark Song" zu beobachten, denn während "Day of Reckoning" (2002) und "Shooting Blanks" (2003) noch vorwiegend auf schrägen Humor setzen, geht es bei dem anrührenden "Sunshower" (2009) und "Jericho" (2009) schon deutlich dramatischer und stimmungsvoller zu. Eines haben alle Kurzfilme gemeinsam: Der Tod spielt in irgendeiner Art und Weise eine Rolle, was sie direkt mit "A Dark Song" verbindet. Sehenswert sind alle vier Kurzfilme, meine Favoriten sind "Sunshower" und "Day of Reckoning".
Ein Rezensionsexemplar wurde mir netterweise von Greenhouse PR und Camera Obscura zur Verfügung gestellt.

 

Screenshots: © Camera Obscura Filmdistribution

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