Originaltitel:
The Book of Life
Regie:
Jorge R. Gutiérrez, Drehbuch: Doug Langdale und Jorge R. Gutiérrez, Musik:
Gustavo Santaolalla
Sprecher
der Originalfassung: Diego Luna, Zoe Saldana, Channing Tatum, Kate del
Castillo, Ron Perlman, Christina Applegate, Hector Elizondo, Ice Cube, Danny
Trejo, Carlos Alazraqui, Ana de la Reguera, Eugenio Derbez, Dan Navarro,
Gabriel Iglesias, Miguel Sandoval, Cheech Marin, Sandra Echeverría, Troy Evans,
Guillermo del Toro, Jorge R. Gutiérrez, Plácido Domingo
FSK: 6, Dauer: 97 Minuten.
Irgendwann vor ziemlich langer Zeit, wohl im späten 19. Jahrhundert, in Mexiko: In der
Ortschaft San Angel wachsen Manolo, Joaquín und María als unzertrennliche
Freunde auf, wobei beide Jungs um das Herz der schönen María wetteifern – die jedoch von ihrem Vater auf eine Schule in Spanien geschickt wird. Die drei ahnen nicht, daß sie am traditionellen Tag der Toten die Aufmerksamkeit von
La Muerte (in der Originalfassung gesprochen von Kate del Castillo, "Bad Boys for Life"), der
gutmütigen Herrin des Reiches der Erinnerten, und ihrem ewigen Rivalen Xibalbá
(Ron Perlman, "Hellboy"), dem Herrn des Reiches der Vergessenen, auf sich ziehen. La Muerte
und Xibalbá gehen eine Wette ein: Wenn es Manolo gelingt, Marías Herz zu erobern,
wird Xibalbá aufhören, sich in die Existenzen der Lebenden einzumischen – wenn
aber Joaquín María für sich gewinnt, dann tauschen La Muerte und Xibalbá ihre
Reiche. Xibalbá hat schon lange genug vom trostlosen Reich der Vergessenen,
weshalb er seine Siegchancen heimlich erhöht, indem er Joaquín ein Medaillon
überläßt, das diesen unverwundbar macht. So kommt es, daß Joaquín (Channing
Tatum, "Logan Lucky"), als María (Zoe Saldana, "Mister Link") nach Jahren endlich nach San Angel zurückkehrt,
ein gefeierter Held geworden ist, während Manolo (Diego Luna, "Rogue One") damit hadert, daß
er nach dem Willen seines Vaters die Tradition der Stierkämpfer-Dynastie
fortsetzen soll, obwohl er eigentlich Musiker werden und auf keinen Fall
in der Arena einen Stier töten will. Dennoch scheint María Manolo
zuzuneigen, weshalb Xibalbá erneut schummelt und dafür sorgt, daß Manolo im
Reich der Erinnerten landet – wo ihm seine verstorbenen Familienmitglieder helfen müssen, den Weg zurück zu den Lebenden zu finden, ehe es zu spät
ist …
Kritik:
"Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben". Ein
durchaus weiser Spruch, der auch in der Filmindustrie oft genug seine
Gültigkeit bewiesen hat. Schließlich passiert es immer wieder, daß innerhalb
relativ kurzer Zeit zwei oder mehr Filme zur gleichen Thematik auf den Markt
kommen, und in vielen Fällen ist dann derjenige deutlich erfolgreicher, der
zuerst kommt. Beispielsweise ließ "Tombstone" (1993) "Wyatt Earp"
(1994) keine Chance, "Dante's Peak" (Anfang 1997) spielte
mehr ein als "Volcano" (Mitte 1997) und "Olympus Has
Fallen" (Anfang 2013) lag zumindest in der Profitabilität weit vor
"White House Down" (Mitte 2013). Natürlich kommt es auch gelegentlich vor,
daß zwei Filme zur gleichen Thematik sehr ähnlich laufen ("Freundschaft Plus" vs. "Freunde mit gewissen Vorzügen"
oder "The Illusionist" vs. "Prestige") und manchmal
schlägt der Nachzügler gar das frühere Werk ("Snow White and the
Huntsman" war viel erfolgreicher als "Spieglein Spieglein",
ebenso lief es 1991 bei "Robin Hood – König der Diebe" vs. "Robin
Hood – Ein Leben für Richard Löwenherz"). Auch der von Guillermo del Toro
mitproduzierte Animationsfilm "Manolo und das Buch des Lebens" fällt
in die letzte Kategorie, denn trotz guter Kritiken und gleich drei Jahren
Vorsprung hatte er kommerziell keine Chance gegen Pixars thematisch ziemlich ähnlich gelagerten
OSCAR-Gewinner "Coco" – obwohl beide qualitativ durchaus auf
Augenhöhe sind. Zwar ist "Coco" ambitionierter, inhaltlich
komplexer und technisch noch brillanter, jedoch im Storyverlauf arg klischeehaft
geraten; "Manolo und das Buch des Lebens" ist dagegen trotz
zahlreicher Nebenhandlungsstränge deutlich geradliniger und ebenfalls nicht
übermäßig originell, bereitet mit seinen sympathischen Figuren und dem
harmlos-liebenswerten Humor aber unter dem Strich kaum weniger Freude. Schade,
daß das globale Publikum das nur bedingt honorierte und die bislang
einzige Kino-Regiearbeit von Jorge G. Gutierrez nur knapp in die Gewinnzone
gehievt haben dürfte.
Ich muß zugeben, daß ich ein Faible für Filme habe, denen es
gelingt, eine spannende und unterhaltsame Geschichte zu erzählen, ohne
auf einen klassischen Bösewicht zurückgreifen zu müssen. Das ist natürlich in
manchen Genres einfacher als in anderen (eine Coming of Age-Story ohne echten
Antagonisten ist sicher deutlich leichter konzipierbar als ein
Superhelden-Film ohne Bösewicht) und gerade in an ein Familienpublikum
gerichteten Animationsfilmen gar nicht so selten. Trotzdem freut es mich, daß
"Manolo und das Buch des Lebens" bei aller genretypischen Skurrilität
auf vergleichsweise lebensechte Figuren mit vielen Grautönen setzt. Selbst der
manipulative Xibalbá ist eindeutig nicht böse, die Teile des zentralen
Liebesdreiecks gehen trotz ihrer Rivalität letztlich immer respektvoll
miteinander um und obwohl es bei den Nebenfiguren etwas fiesere oder verbohrtere
Kandidaten gibt, sind auch sie weit entfernt davon, Schurken zu sein. Gut, eine
Ausnahme gibt es schon, denn der berüchtigte Banditen-Anführer Schakal (Dan Navarro)
ist sehr wohl böse, doch hat er nur wenige Auftritte und seine Existenz
ist offensichtlich nur Mittel zum Zweck, um die Handlung voranzutreiben. Die ist,
wie erwähnt, im Kern nicht allzu komplex und in weiten Teilen vorhersehbar,
setzt aber zum Glück nicht zu sehr auf erzähltechnische Klischees (jedenfalls
weniger als "Coco") und funktioniert insgesamt gut, auch wenn
man womöglich ein oder zwei dramaturgisch überflüssige Storystränge hätte
einsparen können. Ähnlich sieht es bei den Charakteren aus, die nicht
übermäßig viel Tiefgang offenbaren, aber in der Originalfassung von guten,
motivierten Sprecher vertont wurden, jederzeit sympathisch und humorvoll
rüberkommen und so das Interesse des Publikums wachhalten.
Eine Besonderheit von "Manolo und das Buch des
Lebens" ist die eigentümliche und ein wenig gewöhnungsbedürftige, aber
liebevoll und detailreich gestaltete Holzschnitt-Optik. Die Figuren sehen
aus wie Holzpuppen, komplett mit Maserung und allem. Das wirkt charmant,
zudem ist die Welt des Films – gerade das Reich der Erinnerten – prachtvoll,
einfallsreich und farbenfroh in Szene gesetzt. Auch die musikalische
Untermalung ist ziemlich ungewöhnlich: Anders als "Coco" setzt
"Manolo und das Buch des Lebens" nicht nur auf Original-Songs,
sondern baut immer wieder bekannte Popsongs wie Rod Stewarts "Da Ya Think
I'm Sexy?", Radioheads "Creep" oder Elvis Presleys "Can't
Help Falling in Love" (jüngeren Semestern vielleicht eher durch das
UB40-Cover aus den 1990er Jahren bekannt) ein, die thematisch zu der jeweiligen Szene
passen und von Filmkomponist Gustavo Santaolalla ("Babel") und
Altstar Paul Williams ("Phantom of the Paradise") gekonnt in ein
Latin-Gewand gekleidet wurden. Das kann sich sehr wohl hören
lassen (und eine Stierkampfsequenz mit Ennio Morricones "The Ecstasy of
Gold" aus "Zwei glorreiche Halunken" zu unterlegen, ist ein
ziemlicher Geniestreich), trotzdem fällt die Musik so logischerweise recht
poppig aus, je nach Geschmack vielleicht sogar ein bißchen zu sehr. Außerdem haben mir die wenigen Eigenkompositionen, allen voran das gefühlvolle
"Toro / The Apology Song", noch besser gefallen als die Cover-Songs,
weshalb es schade ist, daß davon nicht mehr vorkommen. Nebenbei bemerkt kann man
im Reich der Erinnerten sogar einen Musik-Weltstar hören, denn Manolos
Großonkel Jorge wird von keinem Geringeren als dem legendären Tenor Plácido Domingo
gesprochen respektive gesungen (dazu kommen ein paar weitere Cameos u.a. von
Danny Trejo und Ice Cube sowie den Komikern Cheech Marin und Gabriel Iglesias).
Kurzum: Die eineinhalb Stunden vergehen wie im Flug und auch wenn der Film einen
nur selten begeistern mag, macht er einfach durchgehend gute Laune.
Fazit: "Manolo und das Buch des Lebens" ist
ein grundsympathischer, phantasievoll gestalteter Animationsfilm, dessen Handlung
rund um ein Liebesdreieck und den mexikanischen "Tag der Toten" keine
Originalitätspreise gewinnt, aber jederzeit gut unterhält.
Wertung: 7,5 Punkte.
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