Regie: Osgood Perkins, Drehbuch: Rob Hayes, Musik: Rob
Darsteller:
Sophia Lillis, Samuel J. Leakey, Alice Krige, Jessica De Gouw,
Charles Babalola, Fiona O'Shaughnessy, Donncha Crowley, Giulia
Doherty
FSK:
16, Dauer: 87 Minuten.
Die
Lage im Märchenland ist alles andere als märchenhaft: Die Pest
wütet und hat auch das Leben des Vaters von Gretel (Sophia Lillis,
"Es") und ihrem kleinen Bruder Hänsel (Samuel J. Leakey)
gefordert. Da ihre Mutter (Fiona O'Shaughnessy, TV-Serie "Halo") nicht über diesen
Verlust hinwegkommt und zudem ihre Kinder nicht mehr ernähren kann,
schickt sie die beiden kurzerhand fort. Ein hilfsbereiter Jäger (Charles Babalola, "Legend of Tarzan") rät
den Kindern, sich an die "Waldmenschen" zu wenden, bei
denen Hänsel das Holzfällen lernen könne und Gretel die
Kräuterkunde. Bevor sie ihr Ziel erreichen, stoßen die
Geschwister auf ein seltsames Haus mitten im Wald, durch dessen
Fenster sie eine Vielzahl an leckeren Speisen erkennen können. Das
Haus gehört einer alten Frau (Alice Krige, "Silent Hill"),
die das Duo aufnimmt und sich schon bald als Hexe
herausstellt. Sie macht Gretel, die offenbar latente
übernatürliche Fähigkeiten besitzt, zu ihrer Schülerin – doch
nachts wird Gretel von schlimmen Alpträumen und Visionen geplagt und
mutmaßt deshalb zunehmend, daß die Hexe in Wirklichkeit nichts
Gutes mit ihr und ihrem Bruder im Sinn hat ...
Kritik:
Bevor
Osgood "Oz" Perkins, Sohn des "Psycho"-Stars
Anthony Perkins, im Jahr 2024 mit dem gefeierten Horrorthriller
"Longlegs" sein Durchbruch als Regisseur gelang, hinterließ
er bereits mit einigen anderen Genrewerken seine Spuren, die nicht allzu viele Zuschauer in die Kinos lockten, aber recht
wohlwollend rezensiert wurden. Neben "Die Tochter des Teufels"
(2015) und "I Am the Pretty Thing That Lives in the House"
(2016) sticht dabei "Gretel & Hänsel" hervor, mit dem Oz Perkins sich seinen ersten landesweiten US-Kinostart sichern konnte.
Zu einem Publikumsliebling mauserte sich seine ungewöhnliche, mit
leichten feministischen Elementen angereicherte Version des
Grimmschen Märchenklassikers allerdings nicht, was sich in erster
Linie mit einem zu starken Fokus auf eine stimmungsvolle Atmosphäre
erklären läßt. Die hat "Gretel & Hänsel" zwar über
weite Strecken zu bieten, vergißt darüber aber die Geschichte und
die Charaktere. Da zudem das Tempo allzu gemächlich ist und Perkins'
formale Experimente mit einer Mischung aus hochwertigen
Bildkompositionen und billig wirkenden Handkamera-Aufnahmen sowie
einigen anachronistischen Elementen alles andere als rund wirkt,
funktioniert sein Film insgesamt leider nicht sonderlich gut. Oder
anders formuliert: "Gretel & Hänsel" ist ein
Arthouse-Horrorfilm, der zwar oft schön aussieht und auch gut
klingt, dabei aber über weite Strecken einfach nur langweilig ist.
"Gretel
& Hänsel" beginnt mit einem gelungenen Prolog, in dem
Gretel ihrem kleinen Bruder dessen Lieblingsmärchen vom "Kind
mit der pinken Haube" erzählt. Dessen Leben wurde als Baby von
einer Hexe gerettet, die allerdings auch einige ihrer Kräfte auf das
Mädchen übertrug – mit üblen Folgen. Dieses makabre Märchen im
(Horror-)Märchen spielt im Verlauf der weniger als
eineinhalbstündigen Filmdauer immer wieder eine Rolle, doch im
Mittelpunkt stehen nach dem Prolog natürlich die
leidgeprüften Geschwister. Nachdem diese von ihrer Mutter verstoßen
wurden, machen sie sich im Wald auf die Suche nach einem neuen
Zuhause, was zunächst interessant anzusehen ist. Vor allem die
Kameraarbeit von Galo Olivares ("Alien: Romulus") sorgt immer wieder für große Augen,
denn ihm gelingt es auch dank der Unterstützung der verträumten
Musik des Franzosen Rob ("Horns"), trotz aller metaphorischer und tatsächlicher Düsternis
den Wald wie einen buchstäblich märchenhaften Ort aussehen zu
lassen. Allerdings wirkt die Inszenierung von "Gretel &
Hänsel" bereits zu diesem frühen Zeitpunkt nicht so ganz stimmig,
was vor allem mit dem gelegentlichen Wechsel – speziell in
bedrohlichen Szenen – zur Handkamera zusammenhängt. Der Kontrast
zwischen den edlen Hochglanz-Bildern und den billig wirkenden,
wackligen Handkamera-Aufnahmen ist mit Sicherheit gewollt,
funktioniert für mich aber nicht wirklich, sondern reißt eher aus
dem Geschehen heraus.
Generell
scheinen Regisseur Perkins solche Kontraste aber wichtig zu sein, wie
auch einige Anachronismen zeigen. Das beginnt bei Gretels zumindest
auf mich als Laien ziemlich modern wirkender Frisur (die auch zu
professionell wirkt für eine bettelarme Familie, die sich garantiert
keinen Barbier leisten kann) und findet seinen Höhepunkt beim
modernistischen Hexenhaus mit seinen extrem spitz zulaufenden
Giebeln, das wie ein Fremdkörper im Wald wirkt – wobei das im
Kontext der Geschichte sogar Sinn ergibt. Leider nimmt Perkins ab der
Ankunft der Geschwister beim Hexenhaus noch einmal deutlich das Tempo
aus der sowieso schon recht gemächlich erzählten Geschichte heraus.
Die genreerfahrene Alice Krige überzeugt zwar als vordergründig
freundliche Hexe, die aber erkennbar Hintergedanken hat, ebenso wie
Sophia Lillis als aufrechte, vom verlockenden Angebot der Hexe aber
durchaus in Versuchung geführte Gretel, weshalb die Interaktionen
zwischen beiden nicht unspannend sind. Letztlich geschieht jedoch
einfach zu wenig und daran können auch Gretels ziemlich blutige
Alpträume und das überhastet wirkende Finale nicht viel ändern.
Irgendwie wirkt der gesamte Film gedämpft und emotionsarm – das
paßt zwar dazu, daß alles wie ein verwunschener (Alp-)Traum
erscheint, aber dem Unterhaltsamkeitsgrad ist es nicht eben
zuträglich. Kurzum: "Gretel & Hänsel" ist trotz
seiner interessanten Ansätze und der kurzen Laufzeit einfach zu
langweilig inszeniert, um beim Publikum für Freude zu sorgen.
Fazit:
"Gretel & Hänsel" ist ein prinzipiell interessantes
Horrormärchen mit schönen Bildern und guter Besetzung, das aber auf
Dauer einfach langweilt.
Wertung:
5 Punkte.
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