Originaltitel: Crazy Rich Asians
Regie: Jon M. Chu, Drehbuch: Peter Chiarelli und Adele Lim,
Musik: Brian Tyler
Darsteller: Constance Wu, Henry Golding, Michelle Yeoh,
Gemma Chan, Awkwafina, Sonoya Mizuno, Lisa Lu, Ken Jeong, Nico Santos, Chris
Pang, Jimmy O. Yang, Ronny Chieng, Kheng Hua Tan, Remy Hii, Pierre Png, Kevin
Kwan, Harry Shum Jr.
FSK: 6, Dauer: 121 Minuten.
Rachel Chu (Constance Wu, TV-Serie "Fresh Off the
Boat") lebt den amerikanischen Traum: Als einzige Tochter einer alleinerziehenden
chinesischen Immigrantin wurde sie zur jüngsten Wirtschafts-Professorin in der
Geschichte der New York University, zudem ist sie seit einem Jahr
glücklich mit dem ebenso gutaussehenden wie freundlichen und charmanten Nick
Young (Henry Golding, "Nur ein kleiner Gefallen") liiert. Ein wenig
wundert sich Rachel aber darüber, daß Nick nur sehr ausweichend auf Fragen
nach seiner Familie antwortet. Warum das so ist, erfährt sie, als sie mit Nick
zur Heirat seines besten Freundes Colin (Chris Pang, "Tomorrow, When the War Began") mit Araminta (Sonoya
Mizuno, "Ex Machina") in dessen Heimatstadt Singapur reist und somit
erstmals Nicks Familie kennenlernt. Womit sie nicht gerechnet hatte: Die Youngs
sind stinkreich und gelten als die Singapur-Entsprechung zu den britischen
Royals – womit Nick als der älteste Sohn der Familie einer der begehrtesten
Junggesellen Asiens ist! Eigentlich soll Nick die Geschäfte der Youngs
übernehmen, doch als er Rachel kennenlernte, verlängerte er seinen
USA-Aufenthalt kurzerhand – wovon seine Familie und allen voran seine gestrenge
Mutter Eleanor (Michelle Yeoh, "Tiger & Dragon") alles andere als
begeistert sind. Dementsprechend frostig fällt der Empfang für die völlig unvorbereitete Rachel aus, zumal sie von vielen als nur am Geld
interessierte "Goldgräberin" abgetan wird. Ihre Zweifel auch an ihrer
Beziehung zu Nick wachsen, doch zum Glück gibt es ein paar ihr
wohlgesonnene Personen wie Nicks prominente Cousine Astrid (Gemma Chan,
"Captain Marvel") oder Rachels flippige frühere
Kommilitonin Peik Lin (Awkwafina, "Ocean's 8"), die nach ihrem
Studium nach Singapur zurückgekehrt ist und sich sehr auf das Wiedersehen mit
ihrer Freundin freut …
Kritik:
Bekanntlich wird Hollywood auch im Jahr 2020 noch immer von
weißen Männern dominiert – und das sowohl hinter den Kulissen als auch vor der Kamera.
Zwar gibt es bereits seit den 1970er Jahren (Sidney Poitier, später auch Eddie
Murphy, Denzel Washington oder Will Smith) afroamerikanische Weltstars, die als
Hauptdarsteller von teuren Großproduktionen viel Zugkraft entwickelten, doch
blieben sie letztlich jahrzehntelang Ausnahmen und sind es eigentlich heute noch. Dennoch ist ein Wandel in den letzten Jahren spürbar und mit
dem Superhelden-Film hat sich ausgerechnet ein Genre, das von etlichen
Cineasten (oder auch Filmemachern wie Martin Scorsese oder Francis Ford
Coppola) nur naserümpfend toleriert wird, zum Vorreiter entwickelt mit
weiblichen ("Wonder Woman", "Captain Marvel"), schwarzen ("Black Panther"), asiatischen (Marvels
"Shang-Chi" ist für 2021 geplant) oder komplett bunt
gemischten (Jason "Aquaman" Momoa hat samoanische, deutsche, irische
und indianische Wurzeln) Protagonisten. Selbst wer Superhelden-Filme nicht mag,
wird ihnen zugestehen, daß diese Form von Repräsentation für Minderheiten eine
beachtliche gesellschaftliche Bedeutung hat und die Chancen auf mehr Diversität
in Hollywood-Filmen erhöht. Bezüglich der asiatisch-amerikanischen
Minderheit kam den Superhelden allerdings Jon M. Chus ("Die Unfaßbaren 2") "Crazy Rich" – Adaption eines Bestsellers von Kevin Kwan –
zuvor, der als erster Hollywood-Blockbuster mit einer komplett asiatischen respektive
asiatischstämmigen Besetzung entstand. Wenn das auch verbunden ist mit dem
Wermutstropfen, daß "Crazy Rich" allein in englischsprachigen Staaten
(neben den USA in erster Linie Großbritannien und Australien) ein wirklicher
Publikumserfolg war, in den meisten anderen Regionen inklusive Asien hielt sich
das Interesse in sehr engen Grenzen – was natürlich auch mit der höchst
unterschiedlich ausgeprägten Bekanntheit der literarischen Vorlage
zusammenhängt (meines Wissens nach ist die "Crazy
Rich Asians"-Trilogie etwa erst nach dem Filmstart auf Deutsch
veröffentlicht worden – und eine Veröffentlichung auf DVD oder Blu-ray gibt es in Deutschland bislang auch nicht, lediglich als Stream). Das ist schade, da der Film trotz einer gewissen
Oberflächlichkeit durchaus Laune macht.
Zumeist wird "Crazy Rich" als eine romantische
Komödie eingestuft und was die erste Hälfte betrifft, ist das korrekt.
Dann übernehmen in der Geschichte jedoch zunehmend dramatische Töne, weshalb eine
konkrete Genrezuordnung gar nicht so einfach ist – Chus Film bewegt sich zwischen RomCom, Liebesfilm und Familiendrama. Am unterhaltsamsten ist
sicher ebenjene erste Hälfte geraten, in der die komödiantischen Aspekte im
Vordergrund stehen. Zugegeben, übermäßig originell fällt der Film zu diesem
Zeitpunkt nicht aus, so gibt es klassische Culture Clash-Elemente und einige
speziell für britische romantische Komödien so typische skurrile, aber
liebenswerte Nebenfiguren. Die Charaktere sind aber überwiegend sympathisch
und jene, die es nicht sind (und auch nicht sein sollen), sind zumindest
schön schrill und überzeichnet. Im Zentrum stehen natürlich die gut
harmonierenden Rachel und Nick, wobei Rachel deutlich mehr zu tun hat als der
insgesamt recht passiv wirkende Nick, der so freundlich ist und es allen Recht
machen will, daß es fast schon wieder langweilig ist. Rachel darf mehr Ecken
und Kanten zeigen, aber sie ist ja auch diejenige, die in eine für sie völlig neue
Welt geworfen wird, auf die Nick sie sträflich wenig vorbereitet hat. Constance
Wu spielt ihre Rolle leidenschaftlich und charismatisch und wurde mit
einer Golden Globe-Nominierung belohnt (der Film selbst wurde als beste
Komödie nominiert), wobei sie vor allem in den ziemlich spannungsgeladenen
Szenen mit Nicks strenger bis mißgünstiger Mutter Eleanor glänzt.
Wenig verwunderlich bei der stets famosen Michelle Yeoh als Dialogpartnerin, der das
Kunststück gelingt, Eleanor nicht einfach nur als fiese Schwiegermutter-in-spe
zu portraitieren, sondern als ambivalente Figur, die nachvollziehbare Gründe
für ihr Verhalten hat (einen davon liefert bereits der 1995 in einem
US-Hotel spielende Prolog ab, wobei der mich eher irritiert hat, da
ich derart offenen Rassismus eher in den USA der 1960er Jahre verorten würde –
aber ich kann mich natürlich irren und man kann es ebenso als untypischen, jedoch
keinesfalls unrealistischen Einzelfall werten).
Während also die erste Hälfte witzige
Slapstick-Momente, gut getimte Gags (mein Favorit ist die Szene mit dem
kambodschanischen Gong), amüsante Dialoge und exzentrische Figuren – die
angesichts des Superreichen-Szenarios sogar weniger überzeichnet wirken als man
meinen würde – zu bieten hat, wird die zweite zunehmend dramatisch. Dadurch
hebt sich "Crazy Rich" von den aus den USA und Europa gewohnten
romantischen Komödien deutlich ab und obwohl die Figurenzeichnung insgesamt
nicht allzu tief geht, funktioniert das Familiendrama vor allem dank der guten
darstellerischen Leistungen – allerdings bin ich der Meinung, daß die Auflösung
der Geschichte etwas arg abrupt kommt und zu diesem Zeitpunkt auch nicht mehr
komplett glaubwürdig wirkt. Dennoch: Nicks und Rachels Dilemma ist überzeugend
hergeleitet, generell ist die Motivation der meisten Figuren absolut
nachvollziehbar. Dies gilt nicht nur für Rachel, Nick und Eleanor, sondern auch
für die von Gemma Chan einfühlsam verkörperte Modeikone Astrid, deren aus einer
Arbeiterfamilie stammender Mann Michael (Pierre Png, "The Eye") nicht wirklich gut mit
seiner (gefühlten) Rolle als Anhängsel seiner steinreichen und berühmten Frau
klarkommt – eine unheilvereißende Blaupause für Nick und Rachel, deren
Ausgangssituation gar nicht so unähnlich ist. Für gute Laune sorgt derweil neben
Nicks gutmütigem Cousin Oliver (Nico Santos, TV-Serie "Superstore") – laut eigener Aussage "das
regenbogenfarbene Schaf der Familie" – vor allem die Familie Goh mit
Rachels flippiger Ex-Kommilitonin Peik Lin und ihrem neureichen Vater
("Hangover"-Scenestealer Ken Jeong), die zwar auf den ersten Blick wie
Witzfiguren wirken, aber Rachel stets zuverlässig Rückhalt geben. Mag
"Crazy Rich" also insgesamt eine ziemlich oberflächliche Geschichte
erzählen, macht Jon M. Chus Film wegen seiner guten Besetzung, der
sympathischen Protagonisten und der alles in allem gelungenen Mischung aus
Humor, Herz und Dramatik definitiv viel richtig und hat sich deshalb seinen Erfolg
verdient – der hoffentlich asiatisch-amerikanischen Schauspielern noch mehr Türen
öffnet. Eine Fortsetzung ist bereits in Planung, möglicherweise werden auch
direkt der zweite und der dritte Band von Kwans Trilogie am Stück gefilmt.
Fazit: "Crazy Rich" ist eine wenig originelle Mischung aus romantischer Komödie, Liebesfilm und
Familiendrama, die ihren Reiz vor allem aus dem ungewöhnlichen Setting und dem
starken asiatischen respektive asiatischstämmigen Cast zieht.
Wertung: 7,5 Punkte.
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