Regie und Drehbuch: Jeff Nichols, Musik: David Wingo
Darsteller:
Jodie Comer, Austin Butler, Tom Hardy, Mike Faist, Damon Herriman,
Michael Shannon, Boyd Holbrook, Emory Cohen, Beau Knapp, Karl
Glusman, Norman Reedus, Happy Anderson, Toby Wallace, Paul Sparks,
Will Oldham
IMDb:
6,6; Rotten Tomatoes: 79%; weltweites Einspielergebnis: $36,2 Mio.
FSK:
12, Dauer: 117 Minuten.
Mittlerer
Westen der USA, Mitte der 1960er Jahre: Als der Trucker und
Familienvater Johnny (Tom Hardy, "Mad Max: Fury Road") im
TV Marlon Brando als "Der Wilde" sieht, beschließt er
spontan, selbst einen Motorradclub zu gründen. Einige Gleichgesinnte
sind schnell gefunden und so wird Johnny Anführer der "Vandals",
zu deren Gründungsmitgliedern auch Johnnys rechte Hand Brucie (Damon
Herriman, "Once Upon a Time in ... Hollywood"), Zipco (Michael Shannon, "The Flash"), der gutmütige Cockroach (Emory Cohen, "Rebel Ridge") und der
hitzköpfige Benny (Austin Butler, "Elvis") gehören. Kathy Bauer (Jodie
Comer, "The Last Duel") hält eigentlich gar nichts von
den raubeinigen Rockern, auf die sie überhaupt nur durch eine
Freundin trifft – bis sie Benny sieht und sich Hals über Kopf in
den gutaussehenden, schweigsamen jungen Mann verliebt. Keine fünf
Wochen später sind sie verheiratet und in den folgenden Jahren
breiten sich die Vandals durch neue lokale Gruppierungen immer weiter
im Land aus. Als jedoch zunehmend traumatisierte und teils
drogenabhängige Vietnam-Veteranen Teil der "Vandals"
werden, wird aus der zunächst eher harmlosen Vereinigung von
Motorrad-Fans, die einfach nur zusammen Spaß haben und dabei cool
aussehen wollen, eine immer gefährlichere Gang, die Johnnys Griff zu
entgleiten droht ...
Kritik:
László
Benedeks "Der Wilde" aus dem Jahr 1953 gilt gemeinhin als
Begründer des ziemlich speziellen, vorübergehend aber sehr
populären Subgenres der US-amerikanischen Rockerfilme. Marlon Brando
als Motorrad fahrender und dabei saumäßig cool rüberkommender jugendlicher Rebell inspirierte mindestens eine ganze Generation
junger Männer und auch zahlreiche Filmemacher, die vor allem in den
1960er und 1970er Jahren Dutzende von Rockerfilmen in die
(Bahnhofs-)Kinos brachten – allen voran natürlich Dennis Hoppers
"Easy Rider" (1969). Spätestens in den 1970er Jahren
dominierte in diesen Werken allerdings eine negative Darstellung der
Biker-Subkultur, was zweifellos mit den Folgen von Vietnam und der
zunehmenden Kriminalisierung der Gangs zusammenhing. Im 21.
Jahrhundert waren Rockerfilme in den Kinos eine absolute Seltenheit
(wobei ausgerechnet die deutschen "Werner"-Animationsfilme
zu den wenigen Ausnahmen zählen), dafür gewann das Genre durch die
erfolgreiche TV-Serie "Sons of Anarchy" (2008-2014) und ihr
Spin-Off "Mayans M.C." (2018-2023) auf anderem
Verbreitungsweg neue Popularität. Der renommierte
US-Indie-Filmemacher Jeff Nichols ("Take Shelter") brachte
die Theamtik 2023 zurück auf die große Leinwand mit seinem
halbdokumentarisch anmutenden, lose auf einem Fotobuch des
Journalisten Danny Lyon aus dem Jahr 1968 basierenden "The
Bikeriders", der mit einem Hauch von Nostalgie den Übergang von
den unschuldigen Anfangsjahren der Biker-Gangs hin zu gefährlichen
kriminellen Organisationen zeigt. Das geht inhaltlich nicht allzu
sehr in die Tiefe und ist recht gemächlich inszeniert – "Sons
of Anarchy"-Fans dürften von "The Bikeriders" eher
enttäuscht werden –, beeindruckt aber durch die authentisch
wirkende Machart und vor allem durch die drei exzellent aufspielenden
Hauptdarsteller.
Der
erwähnte Journalist Danny Lyon spielt in "The Bikeriders"
selbst eine Rolle und wird von "West Side Story"-Star Mike
Faist verkörpert. Danny begleitet und interviewt die "Vandals"
in ihren Anfangsjahren, verläßt sie später aber und kehrt
schließlich in den 1970er Jahren zu Kathy zurück, um sich von ihr erzählen zu lassen, wie es mit der Gang und ihren Mitgliedern
weiterging. Dadurch fungiert Kathy auch für das Publikum als
(subjektive) Erzählerin, die die Geschehnisse einordnet und auch mit
ihrer eigenen Meinung nicht hinter den Berg hält. Eine richtige
Dramaturgie gibt es eigentlich nicht, es wird einfach überwiegend
chronologisch nacherzählt, was passiert. Dadurch gibt es kaum echte
erzählerische Höhepunkte und auch die Figurenzeichnung der
Nebencharaktere bleibt vergleichsweise oberflächlich. Dennoch findet
man schnell hinein in diesen leicht merkwürdigen Männerclub mit den
zahlreichen Angebern und Posern, die oft wie Teenager in
Erwachsenenkörpern wirken. Da sie aber letztlich meistens harmlos
sind, das Ganze nicht zu ernst nehmen und auch die von ihnen selbst
aufgestellten Regeln eher freizügig interpretieren, verbringt man
gerne Zeit mit diesen Kindsköpfen. Zumindest solange, bis der
Rocker-Club sich immer weiter ausbreitet und Johnny – der deutlich
älter ist als die meisten Neuzugänge – zunehmend den Zugriff auf
die neuen Mitglieder verliert (die die von Johnny einst eher spontan aufgestellten Regeln wie einen heiligen Gesetzestext betrachten). Deshalb will er auch Benny als seinen
Nachfolger aufbauen, der sich allerdings nicht als Führungsfigur
sieht und zudem von Kathy nachdrücklich dazu gedrängt wird,
auszusteigen und mit ihr seßhaft zu werden.
Vor
allem Jodie Comer begeistert mit ihrer energetischen Darstellung der
Kathy, einer eigentlich bodenständigen jungen Frau, die nie so
richtig warm wird mit der Gang und offensichtlich nur wegen Benny
mitmacht. Der wiederum wird von Austin Butler die meiste Zeit über
als schweigsamer Stoiker mit geheimnisvoll-charismatischer Aura
interpretiert, der jedoch – wenn er ausreichend provoziert wird –
zu gewalttätigen Ausbrüchen neigt. Das Trio herausragender
Performances rundet Tom Hardy als sympathischer Johnny ab, dessen
Schnapsidee der ganze Motorradclub entspringt, der für Benny wie
eine Vaterfigur ist und dem die unkomplizierte Vereinigung von
Kumpels mit ähnlichen Interessen immer stärker entgleitet, ohne
dass er wüßte, wie er dagegen vorgehen soll. Dazu kommen markante
Nebendarsteller wie Michael Shannon, Damon Herriman, "The
Walking Dead"-Star Norman Reedus oder Happy Anderson ("Bright"), die auch
mit kurzen Auftritten positiv im Gedächtnis bleiben. Jeff Nichols
erzählt seine Geschichte voller Sympathie für seine Hauptfiguren,
dabei betont unaufgeregt und unspektakulär – auf Schießereien und
Intrigen wie in "Sons of Anarchy" braucht niemand zu
warten. Dennoch wird "The Bikeriders", dieser schön
gefilmte Blick auf eine vergangene US-amerikanische Subkultur mit
ihren merkwürdigen Regeln und Ritualen, niemals langweilig. Und
selbst wenn, dann sind da ja immer noch die famosen
Schauspielerleistungen, an denen man sich ergötzen kann!
Fazit:
"The Bikeriders" ist ein einnehmendes, mitunter lakonisches
Bikerdrama, das nicht auf Spektakel setzt, sondern auf Authentizität
und drei herausragend verkörperte Hauptfiguren.
Wertung:
8 Punkte.
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