Regie: Kwang Il Han, Drehbuch: Beau DeMayo, Musik: Brian
D'Oliveira
Sprecher der Originalfassung: Theo James, Lara Pulver, Mary
McDonnell, Graham McTavish, David Errigo Jr., Jennifer Hale, Tom Canton, Kari
Wahlgren, Matthew Yang King, Darryl Kurylo, Keith Ferguson, Adam Croasdell,
Nolan North, Harry Hissrich, Dee Bradley Baker
Als der Hexer Vesemir (in der Originalfassung gesprochen von
Theo James, "Die Bestimmung") in den Wäldern von Kaedwen einen
monströsen Waldschrat besiegt, der gerade eine adelige Familie überfallen
hatte (trotz Vesemirs Eingreifen überlebt nur ein Kind), ist er
überrascht, daß dieser ihm vor seinem Tod einige Worte in der Elfensprache
zuraunt - eigentlich können diese Kreaturen nämlich gar nicht sprechen. Vesemirs
elfischer Bekannter Filavandrel (Tom Canton) glaubt dementsprechend, daß mehr
dahintersteckt und würde gerne mit Vesemir der Sache auf den Grund gehen, zumal
in der letzten Zeit einige Elfenkinder verschwunden sind – doch da es
dafür keinen offiziellen Auftrag und damit keine Entlohnung gibt, winkt der
Hexer ab und geht stattdessen zur nahegelegenen Hexerfestung Kaer Morhen, in
der er den Winter verbringen will. Währenddessen drängt am Königshof von
Kaedwen die fanatische Zauberin Tetra (Lara Pulver, TV-Serie
"Sherlock") den König, gegen die "unreinen" Hexer
vorzugehen – vorerst vergeblich, da die einflußreiche Lady Zerbst (Mary
McDonnell, TV-Serie "Major Crimes") sich klar dagegen
ausspricht. Als Vesemir und ein weiterer Hexer, der lebenslustige Luka (Matt Yang
King), nach einer Kneipen-Prügelei mit einigen Wachen des Königs verhaftet
werden, schlägt Lady Zerbst einen Kompromiß vor: Den Hexern soll die Strafe
erlassen werden, wenn Vesemir gemeinsam mit Tetra dem Ursprung der rätselhaften
Geschehnisse in den Wäldern nachspürt …
Kritik:
Als Netflix zu Weihnachten 2019 die erste Staffel der
Serienadaption von Andrzej Sapkowskis "The Witcher"-Romanen – die
außerhalb Polens erst durch die sehr erfolgreiche Computerspiel-Trilogie von
CD Projekt richtig bekannt wurden – veröffentlichte, entwickelte sie sich
schnell zu einem der größten Hits des Streamingdienstes. Trotz des großen
Erfolges fanden viele Kritiker und Zuschauer – interessanterweise sowohl solche
mit Kenntnis der Vorlage als auch komplett unbefangene – einiges zu
bemängeln, aber ich als Kenner der Spiele (von den Büchern habe ich bisher nur
die ersten beiden gelesen) und generell großer Fantasy-Fan war nahezu restlos
begeistert. So begeistert, daß ich zum ersten Mal seit "Firefly"
bereits nach wenigen Monaten bei einer Serie das Bedürfnis verspürte, mir die ganze, in diesem Fall achtteilige Staffel noch einmal anzusehen – und
diesmal gefiel sie mir sogar noch besser! Natürlich gab es objektive erzählerische Mängel, die hingen aber in erster Linie damit zusammen, daß diese erste
Staffel mehr oder weniger ein Prolog für die eigentliche Geschichte ist, welcher
das Publikum mit der düsteren Welt von "The Witcher" bekannt macht
und die drei vorerst größtenteils in eigenen Erzählsträngen agierenden
Protagonisten vorzustellen: den Hexer Geralt, die Zauberin Yennefer und die mit
mysteriösen Kräften ausgestattete und irgendwie mit Geralt verbundene jugendliche Prinzessin Ciri. Durch diese Zerstückelung der Episoden (die durch
verschiedene Zeitebenen, zwischen denen immer wieder hin und her gesprungen
wird, noch verstärkt wurde) ist die Staffel erzählerisch zweifellos etwas
holprig und geht gerade bei Geralts Abenteuern nicht allzu sehr in die Tiefe;
das war für mich aber kein Problem angesichts der hervorragend
zusammengestellten Besetzung (die bis auf Geralt-Darsteller Henry Cavill nur
wenige bekannte Namen umfaßt) und der kongenialen atmosphärischen, visuellen
und vor allem akustischen Umsetzung – die Musik von Sonya Belousova, Giona
Ostinelli und Declan de Barra ist der beste Serien-Soundtrack, den ich seit
vielen Jahren genießen durfte!
Angesichts meiner Begeisterung war ich sehr erfreut, daß
"The Witcher" nicht nur verlängert wurde und es mit "The Witcher: Blood
Origin" sogar eine lange in der Vergangenheit spielende Prequel-Miniserie
geben wird, sondern zudem mit "The Witcher: Nightmare of the Wolf" einen
Prequel-Animationsfilm, der eine wichtige neue Figur der zweiten
"The Witcher"-Staffel vorstellt: Geralts Hexer-Mentor Vesemir.
Zugegenermaßen war ich trotzdem etwas skeptisch und ging davon aus, daß
der Animationsfilm bestenfalls ein unterhaltsamer Zeitvertreib bis zur
zweiten Staffel der Serie sein würde – doch wurde ich positiv überrascht,
denn "Nightmare of the Wolf" ist ein richtig guter Film, der das
"Witcher"-Universum gekonnt erweitert, der herausragenden Atmosphäre
der Serie treu bleibt und sogar noch eine spannende und gefühlvolle Geschichte
rund um Vesemir und die damals noch weit zahlreicheren Hexer erzählt, die auch
ohne jede "Witcher"-Vorkenntnis gut konsumierbar sein dürfte (auch
wenn die Namen etlicher erwähnter Kreaturen – z.B. die Kikimoren – bei den
Uneingeweihten für Fragezeichen sorgen dürften). Die
Haupthandlung von "Nightmare of the Wolf" dürfte 80 bis 90 Jahre vor
der Gegenwarts-Story der "The Witcher"-Serie spielen, als Vesemir mit
60 bis 70 Jahren noch ein relativ junger Hexer ist – durch die magisch
herbeigeführte Mutation, die aus Menschenkindern Hexer macht, werden sie
extrem langlebig – und Geralt ein Kind. Es gibt allerdings ausführliche
Flashbacks, die in Vesemirs Jugend springen und aufzeigen, wie er überhaupt zum Hexer wurde.
Denn Vesemir wuchs als Sohn des Bediensteten eines Adeligen auf, als er auf den
erfahrenen Hexer Deglan (Graham McTavish, "Der Hobbit") traf und
diesem nach Kaer Morhen folgte, um selbst Hexer zu werden – seine große Liebe Illyana
(Sprecher-Legende Jennifer Hale, u.a. aus Computerspielen wie der "Mass
Effect"-Trilogie bekannt) zurücklassend. Ein ungewöhnlicher Werdegang,
denn die meisten Hexer wählen ihren Weg nicht selbst, sondern wurden als Kind von
der armen Landbevölkerung an die Hexer verkauft, die als Folge ihrer
Mutation unfruchtbar sind.
Der Wechsel zwischen diesen beiden Zeitebenen funktioniert sehr
gut, dank des Formats mit einem knapp anderthalbstündigen Film anstelle
einstündiger Episoden deutlich besser als in der Serie. Vesemirs charakterliche
Entwicklung ist gut nachvollziehbar, wobei diese sich in der Gegenwartshandlung
durch einige für ihn überraschende Enthüllungen deutlich beschleunigt.
Über die Haupthandlung will ich nicht zu viel verraten, aber sie spannend,
wendungsreich und gut konstruiert, vor allem aber erweitert sie
das "The Witcher"-Universum gekonnt und zeigt im – mir persönlich
etwas zu kampflastigen – Finale gar ein prägendes historisches Ereignis aus
nächster Nähe. Der südkoreanische Regisseur Kwang Il Han – bisher vor allem
als Animation Director in Animationsserien wie "Avatar – Der Herr der
Elemente" oder "Die Legende von Korra" tätig – und
Drehbuch-Autor Beau DeMayo, der bereits für die "The Witcher"-Episode
"Verrätermond" verantwortlich zeichnete, haben ganze Arbeit geleistet und großes
Lob verdient, auch bei der Figurenzeichnung. Mit Vesemir, Illyana, Lady
Zerbst und Tetra gibt es gleich vier wirklich spannende Charaktere, die
teilweise zudem überraschend emotionale Erzählstränge haben; bedauerlich ist, daß die übrigen Hexer ziemlich blaß bleiben, mit Ausnahme vielleicht von
Deglan. Generell hätte man gerne mehr von der höchst anspruchsvollen und gefährlichen Hexer-Ausbildung zeigen
können, aber die Laufzeit ist nunmal knapp bemessen. Zwei direkte Verbindungen zur
Serie gibt es übrigens auch, denn Vesemirs Elfen-Freund Filavandrel hatte
bereits in der Episode "Vier Mark" einen Auftritt – ebenfalls von Tom
Canton verkörpert, aber im Vergleich zu "Nightmare of the Wolf"
ziemlich verändert –, zudem absolvierte Vesemir-Sprecher Theo James ein
stimmliches Cameo im Staffelfinale "Viel mehr", in dem Geralt nach
der fast tödlichen Vergiftung durch einen Ghul-Biß Halluzinationen hat (in der zweiten Staffel wird Kim Bodnia den deutlich älteren Vesemir verkörpern). Die
Altersempfehlung ab 18 Jahren verdient sich "Nightmare of the Wolf" übrigens
redlich, alleine der äußerst blutige Prolog dürfte einige Zuschauer abschrecken. Insgesamt paßt das aber zur düster-unheilvollen Atmosphäre, welche
durch die klangvolle Musik von Brian D'Oliveira (Computerspiel "Shadow of
the Tomb Raider") passend untermalt wird – dem Stil der Serie bleibt
D'Oliveira treu, variiert ihn aber gekonnt, wenn auch etwas
zurückhaltender und ohne jene Ohrwurm-Melodien, von denen es in der Serie einige
gibt. Der leicht altmodische, in den Kämpfen rasant geschnittene 2D-Animationsstil mit Anime-Elementen (der Film stammt vom südkoreanischen Studio Mir) mag nicht jedem sofort gefallen, ich habe mich aber sehr schnell daran gewöhnt und finde ihn so überzeugend wie den gesamten Film. In dieser Qualität würde ich mich jedenfalls sehr über weitere Animationsfilme im "The Witcher"-Universum freuen!
Fazit: "The Witcher: Nightmare of the Wolf"
ist ein richtig gutes Animationsfilm-Prequel zur "The
Witcher"-Serie, das eine spannende Story mit interessanten,
ambivalenten Charakteren erzählt.
Wertung: 8,5 Punkte (wenn man mit der "The
Witcher"-Welt vertraut ist; ansonsten wohl eher 7,5 Punkte).
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