Donnerstag, 28. November 2019

GOOD OMENS (2019, TV-Miniserie)

Regie: Douglas Mackinnon, Drehbuch: Neil Gaiman, Musik: David Arnold
Darsteller: David Tennant, Michael Sheen, Frances McDormand (Stimme), Adria Arjona, Jack Whitehall, Sam Taylor Buck, Jon Hamm, Michael McKean, Miranda Richardson, Ned Dennehy, Ariyon Bakare, Anna Maxwell Martin, Doon Mackichan, Paul Chahidi, Gloria Obianyo, Brian Cox (Stimme), Mireille Enos, Yusuf Gatewood, Lourdes Faberes, Simon Merrells, Amma Ris, Alfie Taylor, Ilan Galkoff, Daniel Mays, Sian Brooke, Elizabeth Berrington, Susan Brown, Nina Sosanya, Josie Lawrence, Nick Offerman, Samson Marraccino, Jill Winternitz, Anthony Kaye, Moshidi Motshegwa, Schelaine Bennett, Adam Bond, Paul Kaye, Bill Paterson, Ben Crowe, David Morrissey, Reece Shearsmith, Steve Pemberton, Mark Gatiss, Niamh Walsh, Benedict Cumberbatch (Stimme), Sir Derek Jacobi, Neil Gaiman
 Good Omens (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 84% (7,3); FSK: 12, Dauer: 329 Minuten.
Der Engel Aziraphale (Michael Sheen, "Die Queen") und der Dämon Crowley (David Tennant, "Maria Stuart, Königin von Schottland") teilen ein pikantes Geheimnis: Sie sind ziemlich genau seit eine Woche nach der Schöpfung der Welt so etwas wie Freunde! Aziraphale will das zwar nicht zugeben, da eine Freundschaft zwischen einem "guten" Engel und einem "bösen" Dämon eigentlich undenkbar ist und für beide schwerwiegendste Konsequenzen hätte, würden Himmel oder Hölle davon erfahren – trotzdem treffen sich beide seit Jahrtausenden mit zunehmender Frequenz, gelegentlich teilen sie sich sogar die Arbeit. Daß ihre Freundschaft bislang nicht aufflog, liegt auch daran, daß die allermeisten Engel und Dämonen die Erde und die Menschen nicht leiden können und lieber unter Ihresgleichen bleiben, sodaß Aziraphale und Crowley auf der Erde mehr oder weniger freie Hand haben beim Wunder wirken respektive Zwietracht säen. Im frühen 21. Jahrhundert droht der ziemlich idyllische Status Quo jedoch ein jähes Ende zu finden, denn der Antichrist ist geboren und soll gemäß Prophezeiung Armageddon auslösen, die finale Schlacht zwischen Himmel und Hölle. Aziraphale und Crowley tun alles, um das zu verhindern, was aber durch eine folgenschwere Verwechslung bei der Geburt des Antichristen erschwert wird. Dafür bekommen sie unerwartete Hilfe von der Hexe Anathema (Adria Arjona, "Pacific Rim 2") und dem Nachwuchs-Hexenjäger Newton (Jack Whitehall, "Der Nussknacker und die vier Reiche") …

Kritik:
Seit meiner Jugend bin ich ein großer Fan von Terry Pratchett, dem leider 2015 verstorbenen britischen Großmeister der humorvollen Fantasy, primär bekannt für seine 41 "Scheibenwelt"-Romane (auch wenn ich zugegebenermaßen bis heute erst etwa zwei Drittel davon gelesen habe). Als ich in den 1990er Jahren im Buchhandel auf den Roman "Ein gutes Omen" stieß, den Pratchett gemeinsam mit einem gewissen Neil Gaiman schrieb und dessen Prämisse von der Zusammenarbeit und Freundschaft eines Engels und eines Dämons sehr interessant klang, schlug ich natürlich zu – und war begeistert. Das war also mein erster Kontakt mit Neil Gaiman und obwohl ich anschließend jahrzehntelang nichts mehr von ihm las (aktuell bin ich dafür mit seinem Magnum Opus "Sandman" beschäftigt), stieß ich als Kino- und Serienfan immer wieder auf ihn: durch Adaptionen seiner Werke wie die Filme "Der Sternwanderer" und "Coraline" oder die Serien "Lucifer" (wobei das keine direkte Adaption ist, sondern die eines Spin-Offs seiner "Sandman"-Reihe) und "American Gods". Als bekannt wurde, daß die altehrwürdige BBC und Amazon gemeinsam und mit hochkarätiger Besetzung eine Miniserie aus "Ein gutes Omen" machen wollen, zu der Neil Gaiman selbst die Drehbücher schreiben würde, war die Vorfreude dementsprechend groß – zumal in den Jahren zuvor einige Versuche, das Buch zu verfilmen, scheiterten, wobei ich vor allem die von Monty Python-Alumnus Terry Gilliam sehr, sehr gerne gesehen hätte. Allerdings bewahrte ich mir auch eine gewisse Skepsis, schließlich waren die bisherigen BBC-Adaptionen der Scheibenwelt-Romane von Terry Pratchett ("Hogfather", "The Color of Magic", "Going Postal") zwar meist ordentlich ausgefallen, reichten jedoch nicht an die Qualität der Vorlagen heran. Um es vorwegzunehmen: Das ist bei "Good Omens" ähnlich. Die sechsteilige Miniserie hat zahlreiche brillante Momente zu bieten und weiß durchgehend gut zu unterhalten, wirkt aber vermutlich gerade wegen der hohen Werktreue überfrachtet und kann deshalb nur selten vollumfänglich begeistern.
Da meine Lektüre der Vorlage mindestens zwei Dekaden in der Vergangenheit liegt, werde ich auf direkte Vergleiche weitgehend verzichten, auch wenn ich das Buch nochmal durchgeblättert und dabei registriert habe, daß sich die Miniserie tatsächlich ungewöhnlich eng daran zu halten scheint. Protagonist Aziraphale heißt in der deutschen Synchronfassung (wie in der deutschen Buchübersetzung) übrigens "Erziraphael", was ich hier aber ignorieren werde, weil es meiner Meinung nach einfach dämlich klingt – daß die "sprechenden Namen" satanistischer Nonnen und einiger Hexenjäger übersetzt wurden, ist ja absolut in Ordnung, aber bei "Erziraphael" hört der Spaß für mich auf. Keinen Spaß verstehen bekanntlich auch einige Menschen, wenn es um die Verbindung von Religion mit Humor geht. Boykottaufrufe der Kirchen wie anno dazumal bei "Das Leben des Brian" sind heutzutage zwar eher nicht mehr zu erwarten, trotzdem zeigt sich Neil Gaiman ganz zu Beginn der Miniserie sehr zuvorkommend (ganz gezielt übrigens, wie er im Audiokommentar verrät), indem er das Publikum mit der Stimme eines weiblichen Gottes (Frances McDormand aus "Three Billboards outside Ebbing, Missouri" fungiert auf diese Weise als Erzählerin) und dunkelhäutigen Adam und Eva konfrontiert – wer seine religiösen Gefühle davon beleidigt empfindet, der kann also getrost gleich nach fünf Minuten aussteigen. Und laut Kommentaren in den sozialen Medien haben das in der Tat einige getan, zudem gab es eine selbstredend erfolglose Absetzungs-Petition. Wer hingegen dranbleibt, der kann sich definitiv nicht über einen Mangel an Abwechslungsreichtum und Ideen beschweren. In den knapp sechs Stunden "Good Omens" treffen wir neben den bereits erwähnten geschwätzigen satanistischen Nonnen und Hexenjägern verwirrte Aliens, Atlanter, einen Kraken, die Apokalyptischen Reiter, Hexen, George H.W. Bush, William Shakespeare, eine Gruppe von Kindern und natürlich jede Menge Engel und Dämonen.
Das sorgt einerseits für viele Überraschungen, noch mehr gelungene Gags und eine typisch britisch anmutende Skurrilität, lenkt andererseits aber zu häufig von der Haupthandlung ab, die deshalb nie so richtig Fahrt aufnimmt. Dafür, daß es immerhin um das Ende der Welt geht, findet dieser Handlungsstrang lange Zeit überraschend wenig Beachtung, weshalb man als Zuschauer nie wirklich viele Emotionen in ihn investiert und trotz regelmäßiger Einblendungen der verbleibenden Zeit bis zum Weltende auch keine echte Dringleichkeit spürt. Beinahe wirkt die Armageddon-Sache wie ein eher halbherziger Aufhänger, der in erster Linie dazu dient, die unzähligen kleinen Gags und Anekdoten zu der abwechslungsreichen Musik von David Arnold ("Casino Royale") sowie einem "Best of" von Queen-Songs (die Erklärung dafür findet sich im Buch und im Bonusmaterial der DVD) zu rechtfertigen. Das ist aber gar nicht so schlimm, da diese so wunderbar funktionieren und sowieso viel mehr Spaß machen als die eher halbherzig verfolgte Verhinderung des Endes der Welt. Tatsächlich ist in meinen Augen der Höhepunkt von "Good Omens" der halbstündige (!) Prolog zur dritten Episode, der nichts mit der Hauptstory zu tun hat und auch im Buch nicht vorkommt (allerdings strukturell stark an eine Einzelgeschichte aus Gaimans "Sandman"-Zyklus erinnert), sondern schildert, wie sich Aziraphale und Crowley im Lauf der Jahrtausende immer näher kamen. Diese Sequenz mit Abstechern zur Arche Noah (wo wir erfahren, warum es keine Einhörner mehr gibt), in das Globe Theatre, zur französischen Revolution oder in den Zweiten Weltkrieg ist die meiste Zeit über unfaßbar witzig und tut mehr für die Figurenzeichnung der beiden Protagonisten als alle anderen Episoden zusammen. Das liegt natürlich auch an den famosen Hauptdarstellern Michael Sheen und David Tennant, welche ihre Rollen ungemein sympathisch und amüsant interpretieren und in ihrem Zusammenspiel ein unschlagbares Gespann abgeben. Sheen stellt Aziraphale als etwas naiven und weltfremden, jedoch immer freundlichen Idealisten dar, während Tennant als ultimativ pragmatischer Crowley mit einer unnachahmlichen Laissez-faire-Attitüde glänzt – es ist einfach herrlich, wie Crowleys trockene Kommentare wiederholt das blasierte Getue von Engeln und Dämonen konterkarieren.
So einnehmend wie Aziraphale und Crowley sind die weiteren Figuren von "Good Omens" zwar nicht, trotzdem sorgen auch sie wiederholt für Highlights. So beweist die eigentlich vorwiegend aus dramatischen Stoffen bekannte Miranda Richardson ("Sleepy Hollow") als enorm vielseitige Vermieterin des grummeligen Hexenjägers Shadwell (Michael McKean, "Whatever Works"), welch begnadete Komödiantin sie ist, während die hochprofessionelle Hexe Anathema und der schusselige Nachwuchs-Hexenjäger Newton sich zu einem schrägen Paar zusammenfinden. Außerdem gibt Jon Hamm ("Bad Times at the El Royale") einen herrlich blasierten Erzengel Gabriel, Ned Dennehy ("Grabbers") glänzt als Dämonen-Fürst Hastur und Mireille Enos ("World War Z", als Krieg), Lourdes Faberes (TV-Serie "Knightfall", als Verschmutzung, die den Platz von Pest eingenommen hat), Yusuf Gatewood (TV-Serie "The Originals", als Hunger) und Brian Cox ("Planet der Affen: Prevolution", als Sprecher von Tod) geben formidable Apokalyptische Reiter ab. Dazu kommen Gastauftritte von Benedict Cumberbatch ("The Imitiation Game", als Sprecher von Satan), Sir Derek Jacobi ("Anonymus", als Gottes Sprachrohr Metatron), Reece Shearsmith ("A Field in England", als William Shakespeare), Mark Gatiss ("The Favourite") und David Morrissey (TV-Serie "The Missing"). Und natürlich sorgt der rasch seine gewaltigen Kräfte entdeckende junge Antichrist Adam (Sam Taylor Buck) mit seinen drei besten Freunden für viel Verwirrung. Die für deren Darstellung benötigten Computereffekte sind überzeugend, erreichen aber wenig überraschend gerade bei den spektakulären Szenen kein Kinoniveau; da die Story von "Good Omens" wahrlich nicht in der Realität verhaftet ist, ist das aber halb so wild, zumal Kostüme und Setdesign sehr detailverliebt gestaltet sind. Letztlich lebt "Good Omens" sowieso nicht von seinen Spezialeffekten und nicht einmal wirklich von seiner Handlung, sondern von seinen unzähligen Gags und Anspielungen sowie der unwahrscheinlichen Bromance zwischen Aziraphale und Crowley, denen man am liebsten die ganze Zeit bei der Interaktion miteinander und mit der Welt – oft an Bord von Crowleys schickem Bentley-Oldtimer – zuschauen würde. Diverse Beteiligte haben übrigens grundsätzliche Bereitschaft für eine zweite Staffel bekundet, doch da "Good Omens" die gesamte Buchvorlage abdeckt, müßte eine entsprechende neue Geschichte erst einmal geschrieben werden …

Fazit: Die Miniserie "Good Omens" ist eine ungewöhnlich werkgetreue, wunderbar schrullige Adaption des Romans von Terry Pratchett und Neil Gaiman, deren Handlung zwar wegen einer unbestreitbaren Überfrachtung nie richtig in Fahrt kommt, die aber mit tollen Gags und zwei denkwürdigen, kongenial besetzten Protagonisten viel Freude bereitet.

Wertung: 7,5 Punkte.


"Good Omens" ist am 15. November 2019 von polyband auf DVD veröffentlicht worden. Das auf die zwei DVDs verteilte Bonusmaterial ist erfreulich umfangreich geraten, wobei es neben rund einem Dutzend kurzen Featurettes (darunter "Deleted Scenes") auch (leider nicht untertitelte) Audiokommentare zu allen sechs Episoden gibt - aus Zeitgründen habe ich mir nur die drei mit Neil Gaiman und Regisseur Douglas McKinnon in Gänze angehört, aus denen erfährt man aber viel über interessante und amüsante Details und Anspielungen. Ein Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise von polyband zur Verfügung gestellt.


Screenshots: © polyband Medien GmbH

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