Regie: George Miller, Drehbuch: Brendan McCarthy, Nick
Lathouris und George Miller, Musik: Junkie XL
Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Nicholas Hoult, Hugh
Keays-Byrne, Zoë Kravitz, Rosie Huntington-Whiteley, Nathan Jones, Josh Helman,
Riley Keough, Abbey Lee, Courtney Eaton, Megan Gale, Melissa Jaffer, Jennifer
Hagan, Angus Sampson, John Howard, Richard Carter, iOTA
Australien in einigen Jahrzehnten: Die Welt, wie wir sie kennen, liegt in Trümmern und die Überreste der
Menschheit vegetieren mehr oder weniger in Barbarei vor sich hin. Moderne
Technologien gibt es praktisch überhaupt nicht mehr, das höchste der Gefühle
sind Fahrzeuge aus der alten Welt, die von den herrschenden Banden in fahrende Festungen umgewandelt wurden. Immortan Joe (Hugh
Keays-Byrne, der bereits im Original-"Mad
Max" den Bösewicht Toecutter spielte) ist der unangefochtene Herrscher jener Region, in der der frühere
Polizist Max Rockatansky (Tom Hardy, "The Dark Knight Rises")
überwältigt wird. In der "Zitadelle" erscheint sein Tod unausweichlich –
doch dann flieht Joes wichtigste Kriegsführerin Imperator Furiosa (Charlize
Theron, "Snow White and the Huntsman") gemeinsam mit einer Gruppe von
Joes teils schwangeren Lieblingsfrauen in ihrem hochgerüsteten 2000-Tonnen-Tanklaster. Das
kann sich Immortan Joe natürlich nicht bieten lassen, weshalb er prompt eine Hetzjagd
auf Furiosa startet – und so kommt es, daß Max' Schicksal doch noch nicht erfüllt ist,
denn der kaum erwachsene, gesundheitlich angeschlagene Krieger Nux (Nicholas
Hoult, "X-Men: Erste Entscheidung") bindet Max als lebenden
Blutbeutel vor seinen Wagen, mit dem er sich als Furiosas Häscher vor seinem Anführer
beweisen will …
Kritik:
Ich gebe es ehrlich zu: Bis zwei Tage vor dem Kinostart war
ich fest davon überzeugt, daß "Mad Max: Fury Road" bestenfalls ein
mediokrer, aber wenigstens unterhaltsamer Actionfilm sein würde. Und für diese Annahme gab
es weit bessere Gründe als pure Schwarzmalerei. Das fängt an mit der jahrelangen
Vorgeschichte des von "Mad Max"-Schöpfer George Miller schon seit kurz vor der Jahrtausendwende und
damals noch erneut mit dem Original-Star Mel Gibson geplanten vierten Teils der
Reihe (dazwischen kamen unter anderem 9/11, der anschließende Irak-Krieg und der Ausstieg Gibsons); weiter gingen die Probleme, als es 2011
tatsächlich – mit neuem Titeldarsteller – losging, denn schnell folgten die
nächsten Verzögerungen, als der Drehort in der australischen Wüste infolge
ungewöhnlich heftiger und langer Regenfälle gar nicht mehr wüstenhaft aussah und man nach Namibia ausweichen mußte, was natürlich die Produktionskosten
deutlich in die Höhe trieb – ebenso wie später nötige Nachdrehs (am Ende sollen sie zwischen 150 und 200 Millionen US-Dollar gelegen haben). Wenn man dann
noch bedenkt, daß es sich eben um eine Fortsetzung einer kultigen Reihe nach 30
Jahren Pause handelt – was bedeutet, daß viele des heutigen Kino-Stammpublikums
beim letzten Teil noch nicht einmal geboren waren – und der inzwischen über
70-jährige Regisseur George Miller seit über 15 Jahren keinen Realfilm mehr gedreht
hat, dann war Skepsis definitiv berechtigt. Und als Sahnehäubchen gab es nach
einer ersten, sehr frühen Testvorführung in Australien im Jahr 2014 widersprüchliche
Berichte über die Qualität des (noch nicht ganz fertiggestellten) Werks,
die schließlich noch durch ein vom Studio verhängtes Rezensionsembargo bis zwei
Tage vor Kinostart getoppt wurden – in aller Regel ein untrügliches Zeichen für einen heftig mißglückten Film. Nun kann sich
vermutlich jeder meine Reaktion vorstellen, als ich an jenem vorletzten Tag vor
dem Kinostart die Rotten Tomatoes-Startseite aufrief und fassungslos auf den Wert von sage und schreibe 98%
positiven Kritiken für "Mad Max: Fury Road" blickte … Und was soll
ich sagen: Die Begeisterung der professionellen Kritiker ist vollkommen berechtigt,
denn George Miller hat eine schier atemberaubende Achterbahnfahrt von einem
Actionfilm geschaffen, die dem staunenden Zuschauer kaum eine Ruhepause gönnt!
Miller wirft das Publikum ganz unvermittelt in sein neuestes
"Mad Max"-Abenteuer, nur eine Minute der Ruhe und Eingewöhung mit
einem kurzen, grimmigen inneren Monolog von Max gönnt er den Zuschauern, ehe es
erstmals richtig rund geht – und in den folgenden 120 Minuten eigentlich nie mehr damit aufhört.
Dramaturgisch beweisen Miller und seine beiden Co-Autoren gleich zu Beginn viel Mut zum Risiko. Denn
in der ersten halben Stunde ist Max nicht etwa der große postapokalypische
Actionheld, als den wir ihn kennen, sondern im Grunde genommen ein armes, mehr
oder weniger hilfloses Würstchen in Gefangenschaft des "Big Bad"
namens Immortan Joe. In dieser Phase steht primär Imperator Furiosa im
Mittelpunkt, die übrigens sehr treffend benannt ist, denn Charlize Theron
liefert in der Rolle der einarmigen, kahlgeschorenen (was die Schönheit des
südafrikanischen Ex-Models übrigens nicht im Geringsten mindert) Kriegsherrin
in der Tat eine furiose Leistung ab, die nicht wenige Kritiker gar als
OSCAR-würdig werten. Letztlich gibt dieser erste Akt des Films bereits die
Richtung vor, denn der einsilbige, oft nur unwillig vor sich hingrunzende Max –
dennoch überzeugend und mit bulliger Intensität verkörpert von Tom Hardy – spielt fast
bis zum Schluß nur die zweite Geige neben Furiosa. Bezeichnend dafür ist eine
Szene, in der Max einen entscheidenden Schuß widerwillig Furiosa überläßt und
sich damit begnügt, seine Schulter als stabilisierende Stütze für das Gewehr
zur Verfügung zu stellen. Generell ist auffällig: Männer kämpfen hier
größtenteils um des Kämpfens willen, Frauen kämpfen um eine bessere Zukunft. Diese
Rollenverteilung (die in den USA zu ebenso heftigen wie lächerlichen
Protesten und sogar Boykottaufrufen diverser "Männerrechts"-Aktivistengruppen
führte) mag "Mad Max"-Puristen ein wenig ärgern, aber dem Film
schadet das überhaupt nicht; zumal Max auch so mehr als genug Gelegenheit zum
Glänzen erhält.
Im Grunde genommen besteht der gesamte Film nur aus einer
zweistündigen Verfolgungsjagd. Doch die wenigen ruhigen Momente nutzt Miller
perfekt aus, um eine emotionale Verbindung zu den getriebenen Protagonisten
herzustellen. Die funktionieren trotz der Tatsache, daß "Fury
Road" kaum über die Jagd hinausgehende Handlung und auch nur wenige, stets schnörkellose
Dialoge enthält, erstaunlich gut. Hier stimmt es tatsächlich mal: Taten sagen mehr
als Worte! Durch das Verhalten von Max, Furiosa, Nux – dessen Figur die größte Wandlung durchläuft, was Darsteller Nicholas Hoult mit einer leidenschaftlichen, vor Energie berstenden Performance weidlich ausnutzt – und den Frauen erfährt
man viel mehr über ihr Wesen, als es durch Dialoge in einem Actionfilm wie
diesem möglich wäre. So baut sich schleichend, beinahe unbemerkt eine
überraschend intensive Verbindung zwischen diesen Figuren und dem Publikum auf,
die dafür sorgt, daß das spektakuläre Finale eine absolut erstaunliche
emotionale Wucht entfaltet – unterstützt sicherlich durch die immer treibende,
aber in den passenden Szenen in genau dem richtigen Maß pathetische Musik des
niederländischen D.J.s Junkie XL, der sich nach "300 – Rise of an Empire" endgültig als neuer Meister des melodiösen Action-Scores etabliert.
Ein echtes Kunststück ist es, wie raffiniert George Miller
diese seltsame postapokalyptische Welt etabliert: Es gibt kaum Erklärungen oder
Hintergründe, zudem ist der Film bevölkert von irren Freaks, die ebenso
hoffnungslos übertrieben wirken wie die – wann immer möglich auf Computereffekte
verzichtenden – Actionsequenzen. Doch so, wie Miller, der in den Details zudem
immer wieder feinen schwarzen Humor beweist, diese Welt präsentiert, ist sie
doch in sich authentisch. Und so barbarisch und archaisch die von Immortan
Joe als Herrscher über die einzige große Wasserquelle der Umgebung gelenkte "Gesellschaft" voller zu reinen Brutstätten verkommener
Frauen, von durch die Überreste nuklearer Verseuchung bedingten Mutationen entstellter Männer und halbwüchsiger "Wild Boys", deren einziges Ziel es ist, als
furchtlose Krieger nach dem Heldentod in Valhalla aufgenommen zu werden, auch
sein mag – trotz aller Grausamkeit und landschaftlich "wüster"
Monotonie ist es eine ungemein faszinierende, ja sogar irgendwie … schöne Welt. Selbst
ein Gitarrist (energetisch verkörpert vom australischen Musiker iOTA, der bereits in "Der große Gatsby" in seiner Rolle als enthusiastischer Dirigent Eindruck hinterließ), der auf einem der vielen phantasievoll-verrückt
ausgestalteten Schlacht-Fahrzeuge steht und Immortan Joes Männer auf dem Weg in
den Kampf wie wild auf seiner flammenspeienden E-Gitarre begleitet und antreibt,
wirkt hier nicht etwa fehl am Platz, sondern unterstreicht nur die durchgeknallte
Fremdartigkeit des ganzen Szenarios (und hat nebenbei das Zeug zum
Publikumsliebling). Es gibt unzählige Endzeitfilme; viele davon sind gut,
einige sogar richtig gut – doch eine dermaßen überzeugende und immersive
Atmosphäre wie in "Mad Max: Fury Road", die den Zuschauer regelrecht
in diese einzigartige Welt hineinsaugt, habe ich wahrscheinlich noch nie erleben dürfen.
Und das sollte man übrigens unbedingt auf der großen Leinwand genießen!
Irgendwie gelingt es "Fury Road" sogar, die
wahrlich nicht an Action-Highlights armen ersten beiden Akte mit dem großen
Finale zu übertreffen. Genau genommen wirkt alles, was man davor gesehen hat,
im Vergleich fast wie ein Kindergarten, so gewaltig rummst und kracht es
(besonders effektiv in einem mit dem modernen Soundsystem Dolby Atmos ausgerüsteten Kinosaal)
in diesem spektakulären, außerordentlich gut choreographierten und von dem eigens für diesen Film aus dem Ruhestand zurückgekehrten
Kameramann John Seale ("Prince of Persia") perfekt und trotz des gigantischen Gewimmels ohne
nennenswerten Übersichtsverlust gefilmten Showdown, der keinen Stein auf dem
anderen läßt. Selbst der 3D-Einsatz läßt kaum einen Wunsch offen und stellt
wirklich eine Verbesserung des Seherlebnisses dar. Wer, egal ob Actionjunkie
oder Arthouse-Freund, da nicht vor Begeisterung jauchzt, dem ist wirklich nicht
mehr zu helfen! Zwar bleiben ein paar unglaubwürdige Zeitabläufe nicht aus (mal
brauchen die Fahrzeuge ewig, um eine kleine Distanz zu überwinden, an anderer
Stelle sind sie blitzschnell da), aber herrje – nobody's perfect! OSCAR-verdächtig
sind dafür jedenfalls neben Charlize Therons Performance auch das Makeup und
die Ausstattung: Speziell die "Wild Boys" und Immortan Joe sind
phantasievoll gestaltet, zudem wimmelt es in der Szenerie vor liebevollen
Details (die allerdings häufig mit Totenköpfen zusammenhängen, insofern ist der
Gebrauch des Wortes "liebevoll" in diesem Zusammenhang eher mit einem
Augenzwinkern zu verstehen …). Insgesamt gab es am Ende zwar leider keine Nominierung für Theron, dafür aber nie erwartete sechs OSCARs in den technischen Kategorien. So bleibt eigentlich nur die Freude darüber,
daß das Drehbuch zu einer Fortsetzung laut Miller bereits fertig ist und
deren Genehmigung durch das Studio angesichts der internationalen
Einspielergebnisse nur eine Frage der Zeit sein dürfte.
Fazit: "Mad Max: Fury Road" ist ein
Höllenritt von einem Actionfilm; nichts für Feingeister, aber dafür aufregend
inszeniert mit immer noch spektakuläreren Action- und Verfolgungssequenzen,
zudem hervorragend besetzt. Kurzum: Der (für mich) beste "Mad Max"
aller Zeiten!
Wertung: Gut 9 Punkte (volle 10 für den dritten
Akt).
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