Alternativtitel: Thunderbolts – The New Avengers
Regie:
Jake Schreier, Drehbuch: Eric Pearson und Joanna Calo, Musik: Son Lux
Darsteller:
Florence Pugh, Sebastian Stan, Julia Louis-Dreyfus, Wyatt Russell,
Hannah John-Kamen, Lewis Pullman, David Harbour, Olga Kurylenko,
Geraldine Viswanathan, Wendell Pierce, Chris Bauer, Violet McGraw

Kritik:
Vermutlich
wird niemand glücklicher darüber sein, dass die weitgehend vom Pech
verfolgte Phase 5 des Marvel Cinematic Universe mit "Thunderbolts*"
endlich ihr Ende findet, als Marvel selbst. Zwar gab es mit James
Gunns Abschiedsgeschenk (vor seinem endgültigen Wechsel zum großen
Rivalen DC) "Guardians of the Galaxy Vol. 3" und der
geglückten Einführung zweier etablierter und äußerst beliebter
Charaktere ins MCU in "Deadpool & Wolverine" auch
Höhepunkte. Doch denen stehen mit "Ant-Man 3", "The
Marvels" und "Captain America 4" drei Werke gegenüber,
die bei Kritikern und Fans bestenfalls mittelmäßíg ankamen und
auch kommerziell mehr oder weniger stark enttäuschten. Die gute
Nachricht: "Thunderbolts*" des bis dato vorwiegend im
Indie-Bereich aufgefallenen Regisseurs Jake Schreier ("Robot &
Frank") beschließt Phase 5 mit einem weiteren echten Highlight,
das man so von dieser bunt zusammengewürfelten Truppe aus bisherigen
Nebencharakteren (bis auf Bucky vielleicht) nicht unbedingt erwarten
durfte – wobei die Aufklärung des Sternchens im Titel ganz am Ende
des Films schon zeigt, warum man sich so viel Mühe gegeben hat.
Besonders
erfreulich an "Thunderbolts*" ist, dass die von Eric
Pearson ("Thor: Tag der Entscheidung") und Kino-Debütantin
Joanna Calo (Netflix-Serie "BoJack Horseman") ersonnene
Geschichte zwar die üblichen "schräge Außenseitertruppe rauft
sich zusammen"-Tropen weitgehend erfüllt, sich mit ihnen aber
keineswegs begnügt. Während die erste Hälfte, in der sich unsere teils mehr, teils weniger liebenswerten Antihelden dank Valentinas Falle
kennenlernen, noch weitgehend wie erwartet abläuft, entfaltet die
Story in der zweiten Hälfte ungeahnte Stärken und beglückt das MCU
endlich mal wieder mit einem denkwürdigen Antagonisten. Damit ist
wohlgemerkt nicht Valentina gemeint, die zwar definitiv keine Heldin
ist, aber letztlich weiterhin sehr ambivalent bleibt – nein, die
Rede ist von "Void". Über den kann ich leider nicht allzu
viel ohne große Spoilergefahr schreiben, aber er ist ein äußerst
ungewöhnlicher und umso beängstigenderer Gegenspieler, den man
nicht einfach wie die meisten MCU-Bösewichte mit brachialer Kraft
besiegen kann. Hier spielt vielmehr eine starke psychologische
Komponente hinein, weshalb der vom Tod ihrer Ziehschwester Natasha
immer noch traumatisierten Yelena eine Schlüsselrolle zukommt. Ein
wenig erinnert der originelle Showdown an jenen von "Doctor
Strange", auf jeden Fall bietet er eine willkommene Abwechslung
zu den üblichen actionlastigen dritten Akten der meisten
Superhelden-Filme.
Daß
Yelena die eindeutige Haupt-Protagonistin von "Thunderbolts*"
ist, erweist sich auch deshalb als sehr kluge Entscheidung, weil ihre
Darstellerin Florence Pugh wieder einmal eine glänzende
schauspielerische Leistung abliefert. Auch wenn ihre eher unfreiwilligen
Mitstreiter allesamt ihre Rollen gut erfüllen, ist doch Yelena (gemeinsam mit ihrem Ziehvater) klar
das Herz der Truppe und des Films. Ihr von Pugh mehr als überzeugend
verkörperter Kampf gegen das Trauma, gegen die Depression und ihre
Suche nach Erfüllung und einem Sinn im Leben machen Yelena zu einer
ausgesprochen nahbaren Figur, deren Entwicklung das Publikum mit viel
Sympathie verfolgt (und die hoffentliche die nächsten MCU-Jahre stark prägen wird). Ihre Beziehung zum rätselhaften und unter
ähnlichen Problemen leidenden Bob, der in Yelena Beschützergefühle
weckt, verleiht der Geschichte eine zusätzliche emotionale Ebene,
zumal Florence Pugh und Lewis Pullman gut miteinander harmonieren.
Zwar mag man einwenden, dass die Depressions-Thematik letztlich doch
nicht allzu sehr unter die Oberfläche geht – aber wir befinden
uns immer noch in einem Marvel-Superheldenfilm und nicht in einem
Arthouse-Drama und angesichts dessen ist das absolut in Ordnung.
Actionfans
kommen aber natürlich trotz der ausgeprägten psychologischen
Note nicht zu kurz, speziell in der ersten Hälfte dürfen die
Antihelden ausgiebig zeigen, was sie im Kampf so draufhaben. Durch
den Fokus auf Yelena kommen ihre Mitstreiter zwar bisweilen etwas
kurz, hohen Unterhaltungswert haben sie trotzdem und die ausgefeilten
Kampf-Choreographien geben ihnen genügend Raum, um zu glänzen. Ein
wenig schade ist es aber schon, dass Wyatt Russells John "U.S.
Agent" Walker – der heimliche Star von "The Falcon and
the Winter Soldier" – zwar grummelig, ungeduldig und bisweilen
jähzornig ist, aber doch ziemlich eindeutig zu den Guten gehört, was seine Figur etwas beliebiger macht (im
ersten Skriptentwurf war er noch als Antagonist
vorgesehen). Auch Hannah John-Kamen als Ghost und vor allem Olga
Kurylenko als Taskmaster hätte man zweifellos mehr zu tun
geben können. Dafür sorgt David Harbour als Yelenas Ziehvater Red
Guardian für Humor und der später dazustoßende Bucky verleiht der
Truppe die nötige Ernsthaftigkeit und Erfahrung. Zudem überzeugt
Julia Louis-Dreyfus einmal mehr als wieselige Contessa und deren
zwischen den Stühlen stehende Assistentin Mel (Geraldine
Viswanathan, "Drive-Away Dolls") hat auch einiges zu tun;
insgesamt ein gut zusammengestelltes, sympathisches Ensemble. Bleibt
zu hoffen, dass die Qualität von "Thunderbolts*" ein gutes
Omen für die kommende Phase 6 des MCU ist, die im Sommer 2025 mit dem ersten
Auftritt von "The Fantastic Four" eröffnet wird.
Fazit:
"Thunderbolts*" ist ein äußerst unterhaltsames und dabei
in der zweiten Hälfte überraschend tiefgründiges
Superhelden-Abenteuer mit unverbrauchten Figuren, das Lust auf mehr
macht.
Wertung:
8,5
Punkte.
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