Regie: Declan Lawn und Adam Patterson, Drehbuch: Michael Bronner,
Declan Lawn und Adam Patterson, Musik: Hannah Peel
Darsteller: Gemma
Arterton, James Norton, Marisa Abela, Shazad Latif, Edwina Findley,
Sarah Goldberg, Freya Mavor, Rob Malone, Jimmy Akingbola, Julian
Barratt
FSK: 16, Dauer: 116
Minuten.
Als die beruflich erfolgreiche
Anwältin Alice Archer (Gemma Arterton, "The King's Man")
von dem charmanten Luxusauto-Verkäufer Robert (James Norton, "Little
Women") angesprochen und ziemlich direkt zu einem Date
eingeladen wird, sagt sie nach anfänglichem Zögern doch zu.
Tatsächlich läuft alles ziemlich gut und sie verlieben sich
ineinander – doch wird die schon berufsbedingt chronisch
vorsichtige Alice das Gefühl nicht los, daß etwas mit Robert
nicht stimmt. Erste Nachforschungen zeigen schnell, daß Alice
richtig liegt: Robert ist ein raffinierter Serienbetrüger, der seit
Jahrzehnten seine meist weiblichen Opfer gnadenlos ausnimmt, indem
er sich nach einer Kennenlernphase als vermeintlicher
Undercover-Agent des MI5 zu Erkennen gibt und seine Opfer einer Gehirnwäsche unterzieht, gegen die sie sich kaum wehren
können. Bevor Alice ihre Erkenntnisse nutzen kann, wird auch sie vom
ihr Mißtrauen erahnenden Robert bestohlen. Die Polizei macht ihr
wenig Hoffnung auf Gerechtigkeit, doch Alice läßt nicht nach und
kommt schließlich gemeinsam mit dem leitenden Ermittler Sonny
Chandra (Shazad Latif, TV-Serie "Star Trek: Discovery") dem
Betrüger tatsächlich auf die Spur ...
Kritik:
Die
britische Schauspielerin Gemma Arterton hatte eigentlich alles, was
man braucht, um ein weltweiter Filmstar zu werden, als sie im Jahr 2008
mit 22 Jahren im James Bond-Film "Ein Quantum Trost"
(mitsamt denkwürdiger Todesszene) erstmals außerhalb ihrer Heimat –
in der sie bereits ein Jahr zuvor mit der Schulkomödie "Die
Girls von St. Trinian" bekannt wurde – ins Licht der
Öffentlichkeit trat: schauspielerisches Talent, Intelligenz,
Schönheit, Zielstrebigkeit, Charisma, offensichtlich auch einen
guten Agenten, der ihr schnell den Sprung nach Hollywood verschaffte.
Doch so richtig wurde aus der ganz großen Weltkarriere á la
Angelina Jolie, Keira Knightley oder Scarlett Johansson dann doch
nichts. Eine gute Karriere ist es zweifellos, die sie in den
folgenden gut 15 Jahren hingelegt hat, mit vielen Erfolgen und guten
Filmen, aber der Durchbruch zum sogenannten A-Lister gelang ihr,
warum auch immer, nie. Das ist natürlich nur bedingt Grund zur
Klage, wenn man in der Filmographie Blockbuster wie "Ein
Quantum Trost", "Kampf der Titanen" oder "Prince
of Persia" sowie jede Menge kleinere, aber sehenswerte
Werke wie "Radio Rock Revolution", "Byzantium",
"Song for Marion", "The Voices", "The Girl
with All the Gifts" oder "Ihre beste Stunde" stehen
hat – aber gleichzeitig fehlt eben ein echtes Meisterwerk. Das
britische True Crime-Thrillerdrama "Rogue
Agent" von Adam Patterson und Declan Lawn (Drehbuch-Autoren der
TV-Miniserie "Der Anschlag von Salisbury") fügt sich gut
in die Liste ein, denn der Film unterhält ordentlich und gibt
Arterton genügend Stoff zum Glänzen, ohne aber sein Publikum mit der arg konventionellen Machart durchgehend fesseln zu können.
Solide Unterhaltung mit guten Darstellerleistungen, nicht mehr und
nicht weniger.
Die wahre
Geschichte, die "Rogue Agent" erzählt, ist eigentlich
erschütternd – leider kann das der Film nur ansatzweise
vermitteln. Das liegt in erster Linie daran, daß die Protagonistin
Alice zwar selbst ein Opfer von Roberts dunklen Machenschaften ist,
allerdings ein vergleichsweise kleines – sie verliert direkt "nur"
Geld an ihn, dazu natürlich indirekt auch ihre Würde und einen
erheblichen Teil ihres Selbstvertrauens. Schlimm genug, erreicht jedoch
nicht im entferntesten das Martyrium von Roberts größten Opfern.
Das wird klugerweise nicht ausgespart, vor allem
das Schicksal der über Jahrzehnte von Robert mit maximaler
Bösartigkeit manipulierten Sophie (Marisa Abela, "Back to
Black") wird immer wieder kurz aufgegriffen und weckt
das Mitgefühl des Publikums. Aber es ist lediglich ein
Nebenhandlungsstrang, der im Vergleich zur primären Handlung rund um
Alices Jagd auf Robert nie jene emotionale Wucht entfalten kann, die
er verdient hätte. Ähnliches gilt für Roberts (im Film) letztes
Opfer Jenny (Sarah Goldberg, TV-Serie "Barry"), bei der er
schnell die Geduld verliert und deshalb brutaler vorgeht als bei
seinen sonstigen, psychologisch ausgefeilten Gehirnwäschen.
Grundsätzlich ist
es nachvollziehbar, sich auf Alices Rolle bei der Aufdeckung
von Roberts Machenschaften konzentrieren zu wollen, weil so
wahrscheinlich eine kohärentere Geschichte erzählt werden kann als
bei dem Fokus auf Roberts viele Opfer. Allerdings bleibt die
Story durch das, was wirklich geschah, limitiert, und deshalb ist
Alices Jagd einfach nicht sonderlich aufregend. Sie recherchiert, sie
überredet den Ermittler Sonny, mit ihr zusammenzuarbeiten, sie
kommen auf Roberts Spur und enthüllen immer mehr seiner Verbrechen.
Das ist gefällig inszeniert, aber mangels Verfolgungsjagden oder
auch nur direkter Interaktion zwischen Robert und seinen Verfolgern kaum spannend. Darüber trösten aber immerhin die
schauspielerischen Leistungen hinweg: So gelingt es Gemma Arterton
überzeugend, Alices Schwanken zwischen Verletzlichkeit und einer
gewissen Traumatisierung durch Roberts Verrat sowie ihrer grimmigen
Entschlossenheit auf der Suche nach Gerechtigkeit greifbar zu machen.
Fast noch besser ist James Norton, der Robert trotz einer
gewissen Schmierigkeit so charismatisch verkörpert, daß man
durchaus nachvollziehen kann, warum ihm so viele Opfer für lange
Zeit komplett verfallen sind. Arterton und Norton machen "Rogue
Agent" zu einem sehenswerten Film über eine erzählenswerte
wahre Geschichte – die aber zu konventionell und spannungsarm inszeniert ist, um auf ganzer Linie überzeugen zu können.
Fazit:
Das britische
Thrillerdrama "Rogue Agent" erzählt eine erschütternde
wahre Betrüger-Geschichte, tut das allerdings viel zu nüchtern –
wenn auch mit zwei starken Hauptdarstellern.
Wertung:
6,5 Punkte.