Donnerstag, 23. Mai 2024

ROGUE AGENT (2022)

Regie: Declan Lawn und Adam Patterson, Drehbuch: Michael Bronner, Declan Lawn und Adam Patterson, Musik: Hannah Peel
Darsteller: Gemma Arterton, James Norton, Marisa Abela, Shazad Latif, Edwina Findley, Sarah Goldberg, Freya Mavor, Rob Malone, Jimmy Akingbola, Julian Barratt
Rogue Agent (2022) on IMDb Rotten Tomatoes: 73% (6,5); weltweites Einspielergebnis: $0,2 Mio.
FSK: 16, Dauer: 116 Minuten.
Als die beruflich erfolgreiche Anwältin Alice Archer (Gemma Arterton, "The King's Man") von dem charmanten Luxusauto-Verkäufer Robert (James Norton, "Little Women") angesprochen und ziemlich direkt zu einem Date eingeladen wird, sagt sie nach anfänglichem Zögern doch zu. Tatsächlich läuft alles ziemlich gut und sie verlieben sich ineinander – doch wird die schon berufsbedingt chronisch vorsichtige Alice das Gefühl nicht los, daß etwas mit Robert nicht stimmt. Erste Nachforschungen zeigen schnell, daß Alice richtig liegt: Robert ist ein raffinierter Serienbetrüger, der seit Jahrzehnten seine meist weiblichen Opfer gnadenlos ausnimmt, indem er sich nach einer Kennenlernphase als vermeintlicher Undercover-Agent des MI5 zu Erkennen gibt und seine Opfer einer Gehirnwäsche unterzieht, gegen die sie sich kaum wehren können. Bevor Alice ihre Erkenntnisse nutzen kann, wird auch sie vom ihr Mißtrauen erahnenden Robert bestohlen. Die Polizei macht ihr wenig Hoffnung auf Gerechtigkeit, doch Alice läßt nicht nach und kommt schließlich gemeinsam mit dem leitenden Ermittler Sonny Chandra (Shazad Latif, TV-Serie "Star Trek: Discovery") dem Betrüger tatsächlich auf die Spur ...

Kritik:
Die britische Schauspielerin Gemma Arterton hatte eigentlich alles, was man braucht, um ein weltweiter Filmstar zu werden, als sie im Jahr 2008 mit 22 Jahren im James Bond-Film "Ein Quantum Trost" (mitsamt denkwürdiger Todesszene) erstmals außerhalb ihrer Heimat – in der sie bereits ein Jahr zuvor mit der Schulkomödie "Die Girls von St. Trinian" bekannt wurde – ins Licht der Öffentlichkeit trat: schauspielerisches Talent, Intelligenz, Schönheit, Zielstrebigkeit, Charisma, offensichtlich auch einen guten Agenten, der ihr schnell den Sprung nach Hollywood verschaffte. Doch so richtig wurde aus der ganz großen Weltkarriere á la Angelina Jolie, Keira Knightley oder Scarlett Johansson dann doch nichts. Eine gute Karriere ist es zweifellos, die sie in den folgenden gut 15 Jahren hingelegt hat, mit vielen Erfolgen und guten Filmen, aber der Durchbruch zum sogenannten A-Lister gelang ihr, warum auch immer, nie. Das ist natürlich nur bedingt Grund zur Klage, wenn man in der Filmographie Blockbuster wie "Ein Quantum Trost", "Kampf der Titanen" oder "Prince of Persia" sowie jede Menge kleinere, aber sehenswerte Werke wie "Radio Rock Revolution", "Byzantium", "Song for Marion", "The Voices", "The Girl with All the Gifts" oder "Ihre beste Stunde" stehen hat – aber gleichzeitig fehlt eben ein echtes Meisterwerk. Das britische True Crime-Thrillerdrama "Rogue Agent" von Adam Patterson und Declan Lawn (Drehbuch-Autoren der TV-Miniserie "Der Anschlag von Salisbury") fügt sich gut in die Liste ein, denn der Film unterhält ordentlich und gibt Arterton genügend Stoff zum Glänzen, ohne aber sein Publikum mit der arg konventionellen Machart durchgehend fesseln zu können. Solide Unterhaltung mit guten Darstellerleistungen, nicht mehr und nicht weniger.

Die wahre Geschichte, die "Rogue Agent" erzählt, ist eigentlich erschütternd – leider kann das der Film nur ansatzweise vermitteln. Das liegt in erster Linie daran, daß die Protagonistin Alice zwar selbst ein Opfer von Roberts dunklen Machenschaften ist, allerdings ein vergleichsweise kleines – sie verliert direkt "nur" Geld an ihn, dazu natürlich indirekt auch ihre Würde und einen erheblichen Teil ihres Selbstvertrauens. Schlimm genug, erreicht jedoch nicht im entferntesten das Martyrium von Roberts größten Opfern. Das wird klugerweise nicht ausgespart, vor allem das Schicksal der über Jahrzehnte von Robert mit maximaler Bösartigkeit manipulierten Sophie (Marisa Abela, "Back to Black") wird immer wieder kurz aufgegriffen und weckt das Mitgefühl des Publikums. Aber es ist lediglich ein Nebenhandlungsstrang, der im Vergleich zur primären Handlung rund um Alices Jagd auf Robert nie jene emotionale Wucht entfalten kann, die er verdient hätte. Ähnliches gilt für Roberts (im Film) letztes Opfer Jenny (Sarah Goldberg, TV-Serie "Barry"), bei der er schnell die Geduld verliert und deshalb brutaler vorgeht als bei seinen sonstigen, psychologisch ausgefeilten Gehirnwäschen.

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, sich auf Alices Rolle bei der Aufdeckung von Roberts Machenschaften konzentrieren zu wollen, weil so wahrscheinlich eine kohärentere Geschichte erzählt werden kann als bei dem Fokus auf Roberts viele Opfer. Allerdings bleibt die Story durch das, was wirklich geschah, limitiert, und deshalb ist Alices Jagd einfach nicht sonderlich aufregend. Sie recherchiert, sie überredet den Ermittler Sonny, mit ihr zusammenzuarbeiten, sie kommen auf Roberts Spur und enthüllen immer mehr seiner Verbrechen. Das ist gefällig inszeniert, aber mangels Verfolgungsjagden oder auch nur direkter Interaktion zwischen Robert und seinen Verfolgern kaum spannend. Darüber trösten aber immerhin die schauspielerischen Leistungen hinweg: So gelingt es Gemma Arterton überzeugend, Alices Schwanken zwischen Verletzlichkeit und einer gewissen Traumatisierung durch Roberts Verrat sowie ihrer grimmigen Entschlossenheit auf der Suche nach Gerechtigkeit greifbar zu machen. Fast noch besser ist James Norton, der Robert trotz einer gewissen Schmierigkeit so charismatisch verkörpert, daß man durchaus nachvollziehen kann, warum ihm so viele Opfer für lange Zeit komplett verfallen sind. Arterton und Norton machen "Rogue Agent" zu einem sehenswerten Film über eine erzählenswerte wahre Geschichte – die aber zu konventionell und spannungsarm inszeniert ist, um auf ganzer Linie überzeugen zu können.

Fazit: Das britische Thrillerdrama "Rogue Agent" erzählt eine erschütternde wahre Betrüger-Geschichte, tut das allerdings viel zu nüchtern – wenn auch mit zwei starken Hauptdarstellern.

Wertung: 6,5 Punkte.