Regie: Kenneth Branagh, Drehbuch: Michael Green, Musik: Hildur
Guðnadóttir
Darsteller: Kenneth
Branagh, Tina Fey, Kelly Reilly, Michelle Yeoh, Riccardo Scamarcio,
Jamie Dornan, Jude Hill, Kyle Allen, Camille Cottin, Emma Laird, Ali
Khan, Rowan Robinson
FSK: 12, Dauer: 104
Minuten.
Venedig, 1947: Der
exzentrische belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot (Kenneth
Branagh, "Dunkirk") hat sich in den Ruhestand zurückgezogen
und läßt den früheren Polizisten Vitale (Riccardo Scamarcio, "John
Wick 2") die zahlreichen Menschen abwimmeln, die ihn immer noch
anheuern wollen. Nur eine Frau läßt Vitale zu Poirot durch, nämlich
dessen alte Bekannte Ariadne Oliver (Tina Fey, "Date Night").
Die Krimi-Autorin hat ihren beliebten Romanhelden deutlich von Poirot
inspirieren lassen, feierte damit in 27 Romanen große Erfolge (die
letzten drei floppten allerdings) und mehrte nebenbei auch Poirots
Ruhm. Ariadne ködert den unwilligen Poirot nicht direkt mit einem
neuen kriminalistischen Fall, sondern mit einer etwas anderen
Herausforderung: Er soll dabei helfen, das Medium Mrs. Reynolds
(Michelle Yeoh, "Everything Everywhere All at Once") als
Hochstaplerin zu entlarven, die an einem stürmischen
Halloween-Abend in einer heruntergekommenen, als verflucht geltenden
venetianischen Villa eine Séance abhalten will. Dort war die
erwachsene Tochter Alicia der Schauspielerin Rowena Drake (Kelly
Reilly, "Lady Henderson präsentiert") in ihren Tod gestürzt und Rowena hofft,
durch die Séance Kontakt mit ihr aufnehmen zu können. Poirot glaubt ebenso wenig an solchen Humbug wie Ariadne – doch schon
bald gibt es einen ersten Todesfall und Poirots Ermittlungskünste
sind einmal mehr gefragt ...
Kritik:
Zum
dritten Mal hat sich Regisseur und Hauptdarsteller Kenneth
Branagh mit dem Drehbuch-Autor Michael Green ("Blade Runner
2049") zusammengetan, um einen Kriminalfall des von Agatha
Christie ersonnenen belgischen Meisterdetektivs Hercule Poirot für
die große Leinwand zu verfilmen. Beim ersten Mal gelang dem Duo mit
"Mord im Orient Express" trotz nur verhalten positiver
Kritiken ein unerwartet großer Hit, doch das Folgeprojekt "Tod auf
dem Nil" litt unter mehreren, auch pandemiebedingten
Verzögerungen und enttäuschte trotz beinahe identischer Rezensionen
in kommerzieller Hinsicht. Angesichts der denkbar ungünstigen
Umstände hielten die produzierenden 20th Century Studios dennoch an
der Reihe fest und beauftragten Branagh und Green mit einem dritten
Poirot-Film. "A Haunting in Venice" hebt sich von den
Vorgängern schon dahingehend ab, daß er die
zugrundeliegende, in Deutschland ursprünglich unter dem Titel "Die
Schneewittchen-Party" veröffentlichte Geschichte erstmals fürs Kino adaptiert (jedoch recht frei). Zudem ist die Stimmung ob
des Halloween-Settings viel düsterer und gruseliger als zuvor –
was dem Film aber nur gut tut und ihm die besten Kritiken der Reihe
bescherte! Leider konnten sich die Einspielergebnisse gegenüber "Tod
auf dem Nil" dennoch nicht erholen, was aber insofern nicht
so tragisch ist, als angesichts des limitierten Settings und der
ziemlich reibungslos verlaufenen Dreharbeiten das Budget mit $60 Mio.
um ein Drittel niedriger ausfiel als beim Afrika-Abenteuer.
Zu Beginn von "A
Haunting in Venice" sehen wir einen Poirot, der seiner Arbeit
überdrüssig geworden ist, den Ruhestand in der malerischen
Lagunenstadt genießt und keinerlei Drang verspürt,
seinen Intellekt wieder mit kriminalistischen Ermittlungen
herauszufordern. Dennoch läßt er sich ziemlich schnell von der
hartnäckigen Krimi-Autorin Ariadne zur Teilnahme an der Séance bei
Rowena überreden. Tina Fey sorgt als schlagfertige Ariadne für
einen Großteil des vergleichsweise sparsam eingesetzten Humors von
"A Haunting in Venice" – Poirot ist zwar nach wie vor
etwas schrullig, hält sich aber doch relativ stark zurück – und
übernimmt in etwa jene Ratgeber- und Vertrauensperson-Funktion, die
in den ersten beiden Filmen Poirots alter Freund Bouc innehatte. Das
übrige Personal der fast komplett auf die Villa
beschränkten Story umfaßt ein knappes Dutzend markante Charaktere,
die traditionell sowohl als potentielle Opfer als auch
als Mörder in Frage kommen. Die Besetzung ist dieses Mal vielleicht
etwas weniger namhaft ausgefallen als in den ersten beiden Filmen,
aber neben OSCAR-Gewinnerin Michelle Yeoh, Kelly Reilly und Jamie
Dornan (als vom Krieg traumatisierter Arzt Dr. Ferrier) machen auch
die weniger bekannten Schauspieler wie der Italiener Scamarcio, die
Französin Camille Cottin ("House of Gucci") als
Haushälterin Olga, Kyle Allen ("West Side Story") als
Alicias schlecht gelaunter Ex-Verlobter Maxime, Emma Laird (TV-Serie
"Mayor of Kingstown") und Ali Khan (Netflix-Film "The
School for Good and Evil") als Mrs. Reynolds' Assistenten sowie
der junge Jude Hill ("Belfast") als Dr. Ferriers altkluger
Sohn Leopold ihre Sache gut.
Da dieses Ensemble
immer noch recht groß ist, fällt die Figurenzeichnung bei den
meisten Personen zwangsläufig recht oberflächlich aus, aber die
enthüllten Hintergründe reichen aus, um sie spannend genug zu machen,
damit sich das Publikum für sie interessiert. Wie bereits bei den
beiden Vorgängern – vor allem "Mord im Orient Express"
– zählt die Atmosphäre zu den größten Stärken von "A Haunting
in Venice". Erneut sind Kulisse, Kostüme, Sounddesign, Musik etc. handwerklich überzeugend umgesetzt und angesichts
der Halloween- und Geister-Thematik fällt die Stimmung noch
beklemmender und gruseliger aus als gewohnt. Zu einem echten
Horrorfilm wird "A Haunting in Venice" zwar natürlich nie,
aber er präsentiert sich als edler, betont altmodischer und im genau
richtigen Maß theatralischer Mainstream-Gruselkrimi auf gehobenem
Niveau. Der Film sieht einfach so gut aus und hört sich so gut an,
daß man ihm den trotz einiger überraschender Enthüllungen
eher routinierten als übermäßig originellen Handlungsverlauf gerne
nachsieht. Das gilt umso mehr, als es einfach ein Vergnügen ist, dem
Shakespeare-Veteranen Branagh bei seinen Ermittlungen als so genialer wie
exzentrischer Poirot zuzuschauen, der in diesem Spukhaus
zwischenzeitlich sogar an seinem Verstand zu zweifeln beginnt. Alles
in allem der beste Poirot-Krimi von Kenneth Branagh und
Michael Green – aber hoffentlich nicht der letzte!
Fazit:
"A Haunting in Venice" verfrachtet den von Kenneth Branagh
verkörperten Meisterdetektiv Poirot in ein ungewohntes Gruselsetting
und entpuppt sich als bislang bester Teil der Reihe.
Wertung:
8 Punkte.
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