Donnerstag, 29. Juli 2021

RAYA UND DER LETZTE DRACHE (2021)

Originaltitel: Raya and the Last Dragon
Regie: Don Hall und Carlos López Estrada, Drehbuch: Qui Nguyen, Adele Lim, Musik: James Newton Howard
Sprecher der Originalfassung: Kelly Marie Tran, Awkwafina, Gemma Chan, Izaac Wang, Daniel Dae Kim, Benedict Wong, Sandra Oh, Lucille Soong, Dichen Lachman, Sung Kang, François Chau, Alan Tudyk
Raya und der letzte Drache (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 93% (7,7); weltweites Einspielergebnis: $130,4 Mio.
FSK: 0, Dauer: 107 Minuten.
Einst führten die menschlichen Bewohner des Landes Kumandra ein idyllisches Leben mit den Drachen. Doch als böse Geister namens Druun Kumendra heimsuchen und jedes Lebewesen versteinern, das sie berühren, können weder Mensch noch Drache viel ausrichten. Den letzten fünf überlebenden Drachen gelingt es jedoch, ihre Magie in einer magischen Kugel zu vereinen, auf diese Weise die Druun zu vertreiben und die Versteinerungen rückgängig zu machen – nur die Drachen bleiben aus irgendeinem Grund versteinert. Anstatt das große Opfer der Drachen zu ehren, bekriegen sich jedoch die fünf nach Drachen-Körperteilen benannten menschlichen Stämme Herz, Klaue, Kamm, Zahn und Schweif fortan. 500 Jahre später will Benja (Daniel Dae Kim, "Hellboy – Call of Darkness"), Anführer des Herz-Stammes, der die magische Drachen-Kugel bewacht, endlich wieder Frieden in Kumandra herstellen – doch er wird verraten, dabei zerbirst die Kugel in fünf Teile und die Druun kehren zurück! In den folgenden sechs Jahren befindet sich Benjas Tochter Raya (Kelly Marie Tran, "Star Wars Episode VIII"), stets verfolgt von ihrer Zahn-Erzfeindin Namaari (Gemma Chan, "Captain Marvel"), auf der Suche nach der letzten Drachin Sisu (Awkwafina, "Ocean's 8"), die einer alten Legende zufolge nicht versteinert wurde, sondern in einen tiefen Schlaf fiel. Tatsächlich wird Raya fündig und macht sich mit Sisu auf den Weg, um die fünf Splitter der Drachen-Kugel zu vereinen und auf diese Weise die Druun endgültig zu vernichten …
 
Kritik:
Es ist noch gar nicht so lange her, da waren alle "Disney-Prinzessinnen" in den Zeichentrick- und Animationsfilmen weiß, man denke nur an Schneewittchen, Cinderella oder Belle aus "Die Schöne und das Biest". Seit den 1990er Jahren bemühen sich Disney sowie das zugekaufte Studio Pixar aber erkennbar um mehr Diversität in ihren Animationsfilmen, wie man an Jasmine aus "Aladdin", Pocahontas, Tiana aus "Küß den Frosch" (die erste afroamerikanische Disney-Prinzessin) oder Mulan gut erkennen kann. "Raya und der letzte Drache" schenkt uns nun mit der kampfstarken Raya nach Mulan die zweite asiatische Disney-Prinzessin, zumindest im weiteren Sinne. Denn die Welt, in der der Film der Regisseure Don Hall ("Baymax") und Carlos López Estrada ("Blindspotting") sowie den Drehbuch-Autoren Adele Lim ("Crazy Rich") und Qui Nguyen (Amazon-Serie "Botschaften von Anderswo") spielt, ist fiktiv, aber sehr deutlich von der (südost-)asiatischen Kultur geprägt – weshalb in der Originalfassung eine fast ausnahmslos asiatischstämmige Besetzung für die Sprechrollen ausgewählt wurde. Die macht ihre Sache denn auch ausgezeichnet, muß allerdings damit zurechtkommen, daß die Story von "Raya und der letzte Drache" abseits einer durchaus überraschenden Wendung vor dem dritten Akt allzu vorhersehbar und wenig einfallsreich daherkommt – der Fokus auf ein relativ junges Publikum ist angesichts der wenig komplexen Handlung unübersehbar. Zu einem Höhepunkt in Disneys langer, oft glorreicher Animationsgeschichte wird "Raya und der letzte Drache" auf diese Weise nicht, für gute Unterhaltung sorgt er aber allemal.
 
Herzstück von "Raya und der letzte Drache" ist zweifelsohne die von typischer Buddy-Movie-Dynamik geprägte Beziehung zwischen Raya und Drachin Sisu – obwohl die beiden gar nicht so viel Zeit miteinander verbringen, wie man meinen würde. Zunächst muß die unerschrockene Kriegerin Sisu ja erstmal finden, und das dauert schon ein kleines Weilchen – und später sind sie des öfteren voneinander getrennt. Das ist einerseits bedauerlich, weil die spritzigen Dialoge zwischen dem ungleichen Duo viel Freude bereiten und es ebenso Spaß macht zu sehen, wie die (nachvollziehbarerweise) recht zynische Raya und die nach wie vor felsenfest an das Gute in den Menschen glaubende Sisu voneinander lernen und aneinander wachsen. Andererseits ist es vielleicht gar keine so schlechte Idee, die beiden nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen und den ganzen Rest zu vernachlässigen. Dem Worldbuilding kommt das jedenfalls zugute, denn trotz der klaren Anleihen bei der asiatischen Kultur und dortigen Legenden sind Kumandra und die fünf Stämme bemerkenswert detailreich und liebevoll gestaltet. An manchen Klischees kommt man zwar nicht vorbei und angesichts der überschaubaren Zeit bleibt der Blick auf die Stämme oberflächlich, auch die Nebenfiguren sind wenig tiefschürfend gezeichnet. Dennoch wünschte man, die Filmemacher hätten ähnlich viel Mühe und Liebe in die Handlung gesteckt wie in die Erschaffung dieser bildschönen Fantasywelt.
 
Denn die Story ist bis auf die erwähnte überraschende Wendung ausgesprochen vorhersehbar und wenig einfallsreich, eine so ähnlich schon vielfach gesehene, daher ein wenig uninspiriert wirkende Heldenreise ohne nennenswerte Innovationen. Die Entwicklung von Rayas Erzrivalin Namaari dürfte ebenfalls wirklich niemanden überraschen, und vielleicht wegen der asiatischen Inspirationsquellen fallen doch einige stilistische und inhaltliche Parallelen zum chinesischen Animationsfilm-Hit "White Snake – Die Legende der weißen Schlange" aus dem Jahr 2019 ins Auge. Außerdem sprechen die Charaktere mitunter arg modern für eine Fantasywelt ("Princess Undercut") und die für Disney-Filme so typische Moral von der Geschicht' wird in diesem Fall besonders dick aufgetragen – für meinen Geschmack eindeutig zu dick und offensichtlich an das ganz junge Publikum gerichtet. Dafür sind die Nebenfiguren größtenteils interessant und sympathisch ausgefallen, wenn sie auch recht blaß bleiben – den engagierten Sprechern (der Originalfassung) ist es zu verdanken, daß dies nicht allzu sehr stört. Wobei ironischerweise ausgerechnet die beiden Figuren, die gar nicht reden, am besten funktionieren, nämlich Rayas treuer Tier-Gefährte Tuk Tuk (eine überdimensionierte Mischung aus Gürteltier und Kugelassel; die Geräusche, die Tuk Tuk von sich gibt, wurden von "Firefly"-Star Alan Tudyk vertont) sowie das "Con Baby" Noi, das sich mit seinen Gauner-Fähigkeiten als äußerst nützlich für Rayas Jagd auf die verbliebenen Magie-Splitter erweist. Dennoch haben sich speziell Kelly Marie Tran (Raya), Awkwafina (Sisu) und Gemma Chan (Namaari) viel Lob für ihre Sprecher-Leistungen verdient. Die Animationsqualität von "Raya und der letzte Drache" ist ausgezeichnet, sowohl die angesichts der Umstände recht düstere Fantasy-Welt als auch die Figuren sehen sehr gut aus, ebenso die nebelhaften Druun (die ursprünglich deutlich humanoider geplant waren, aber da hat man mit der Umgestaltung die richtige Entscheidung getroffen). Einzig das Design der Drachen finde ich ein bißchen gewöhnungsbedürftig, wobei das auch daran liegen dürfte, daß ihr Bewegungsablauf irritierenderweise frappierend an das Lama aus Disneys unterschätztem Zeichentrickfilm "Ein Königreich für ein Lama" aus dem Jahr 2000 erinnert … Davon abgesehen gibt es visuell kaum etwas zu bemängeln, die Musik von Altmeister James Newton Howard ("Die Tribute von Panem") ist aber ein wenig unauffällig geraten. Insgesamt liefert Disney wieder einmal gute Unterhaltung ab, hat diesmal aber inhaltlich etwas zu wenig zu bieten, um gerade erwachsene Zuschauer voll überzeugen zu können.
 
Fazit: "Raya und der letzte Drache" ist ein sehr schön gestalteter Animationsfilm für die ganze Familie, der vor allem mit seiner phantasievollen Fantasy-Welt und guten Sprechern überzeugt, weniger mit einer originellen Handlung oder ausgefeilten Figuren.
 
Wertung: Gut 7 Punkte.
 
 
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