Die Gewinner der 93. Academy Awards:
Bester Film: Nomadland
Regie: Chloé Zhao, "Nomadland"
Darsteller: Anthony Hopkins, "The Father"
Darstellerin: Frances McDormand, "Nomadland"
Nebendarsteller: Daniel Kaluuya, "Judas and the Black Messiah"
Nebendarstellerin: Yoon Yeo-jeong, "Minari"
Originaldrehbuch: Emerald Fennell, "Promising Young Woman"
Adaptiertes Drehbuch: Christopher Hampton und Florian Zeller, "The Father"
Animationsfilm: Soul
Internationaler Film: "Der Rausch", Dänemark
Kamera: Erik Messerschmidt, "Mank"
Schnitt: Mikkel E.G. Nielsen, "Sound of Metal"
Ausstattung: Donald Graham Burt und Jan Pascale, "Mank"
Kostüme: Ann Roth, "Ma Rainey's Black Bottom"
Makeup und Hairstyling: Sergio Lopez-Rivera, Mia Neal und Jamika Wilson, "Ma Rainey's Black Bottom"
Musik: Trent Reznor, Atticus Ross und Jon Batiste, "Soul"
Filmsong: "Fight for You" von H.E.R., Dernst Emile II und Tiara Thomas, "Judas and the Black Messiah"
Ton: Nicolas Becker, Jaime Baksht, Michelle Couttolenc, Carlos Cortés Navarrete und Phillip Bladh, "Sound of Metal"
Visuelle Effekte: Andrew Jackson, David Lee, Andrew Lockley und Scott R. Fisher, "Tenet"
Dokumentarfilm: Mein Lehrer, der Krake
Kurz-Dokumentarfilm: Colette
Animations-Kurzfilm: If Anything Happens I Love You
Kurzfilm: Two Distant Strangers
Die OSCARs verteilen sich damit in diesem Jahr wie folgt:
Nomadland: 3
The Father: 2
Judas and the Black Messiah: 2
Soul: 2
Sound of Metal: 2
Mank: 2
Minari: 1
Promising Young Woman: 1
Tenet: 1
Der Rausch: 1
Kommentar und Fazit:
Die mit Abstand größte Überraschung des Abends war ... daß er nicht mit der Verleihung des Academy Awards für den Besten Film beendet war! Scheinbar waren sich die Produzenten um Steven Soderbergh so sicher, daß der letztes Jahr verstorbene "Black Panther"-Star Chadwick Boseman für "Ma Rainey's Black Bottom" den OSCAR als Bester Hauptdarsteller holen würde, daß sie die Veranstaltung nicht mit der Königskategorie abschlossen (zum ersten Mal seit 1972, als die Veranstaltung mit dem Ehren-OSCAR für Charles Chaplin endete), sondern mit den beiden Hauptdarsteller-Kategorien. Ein vermeintlich cleverer Schachzug, der komplett nach hinten losging - denn der klare Favorit Boseman gewann nicht und der Gewinner Sir Anthony Hopkins war nicht einmal anwesend, womit die Show anstatt mit dem erhofften emotionalen Höhepunkt denkbar nüchtern und unspektakulär endete. Tja, so kann's gehen und zumindest zeigt das ja, wie unberechenbar die Abstimmungen der Academy letztlich sind (und auch, daß selbst die Produzenten der Show nicht vorab wissen, wer gewinnt).
Der Sieg von Altstar Hopkins (der damit zum ältesten OSCAR-Gewinner in den Schauspieler-Kategorien wurde) ist wohl die zweitgrößte Überraschung der 93. OSCAR-Verleihung - zwar war eigentlich klar, daß er als einziger Boseman gefährlich werden könnte, doch die allermeisten (mich eingeschlossen) hatten dennoch mit dem posthumen Sieg Bosemans gerechnet. Auch sonst gab es einige Überraschungen im Verlauf der mehr als drei Stunden, wenn auch keinen Sensations-Sieger. Erfreulicherweise entwickelte sich der Abend sehr spannend, da die in der Königskategorie favorisierten "Nomadland" und "The Trial of the Chicago 7" frühe Rückschläge hinnehmen mußten (beide verloren die Drehbuch-Kategorien, "Nomadland" zudem Kamera und Schnitt), weshalb sogar eine Sensation wie "Promising Young Woman" oder "Judas and the Black Messiah" als Bester Film möglich schien. Am Ende wurde es dann doch "Nomadland", der zwar in den Nebenkategorien komplett leer ausging, dafür aber in drei Hauptkategorien triumphierte (Chloé Zhao als erst zweite Frau bei den Regisseuren) und somit als einziger Film auf mehr als zwei Goldjungen kam - ich bezweifle, daß es so breit verteilte OSCARs schon einmal gab ... Umso deprimierender muß es für Aaron Sorkins "The Trial of the Chicago 7" gewesen sein, trotz sechs Nominierungen und vieler Preise während der Awards Season als einziger "Bester Film"-Nominee komplett leer auszugehen. Und damit ist das Gerichts- und Bürgerrechtsdrama eindeutig der Verlierer des Abends, während sich neben "Nomadland" vor allem das Alzheimer-Drama "The Father" und der Gehörlosen-Musikfilm "Sound of Metal" mit jeweils zwei Preisen zu den großen Gewinnern rechnen dürfen. Die einzige Kategorie, deren Ausgang mich persönlich ärgert, ist übrigens der Filmsong, denn dort gewann nach meinem Geschmack mit "Fight for You" der schwächste von fünf guten Nominees (womit die "Io sí"-Komponistin Diane Warren auch bei der 12. OSCAR-Nominierung leer ausgeht). Noch ein paar interessante Statistiken zu den Nominees gibt es übrigens bei InsideKino.
Die Show selbst geriet erstaunlich unterhaltsam. Steven Soderbergh und sein Team haben aus den Pandemie-Umständen so ziemlich das beste gemacht und eine kurzweilige Veranstaltung inszeniert, die sich stark auf die Nominierten konzentrierte und auf Show-Einlagen weitgehend verzichtete (worunter in erster Linie die beiden Musik-Kategorien litten - zu den Scores gab es gar nichts zu hören, zu den Filmsongs nur kurze Ausschnitte aus den Musikvideos). Eine nette Idee war es, in vielen Kategorien zu den Nominierten kurze Mini-Anekdoten zu erzählen, zudem sorgte Questlove von "The Roots" (der übrigens eine Nebenrolle im Animationsfilm-Gewinner "Soul" spricht) für eine ebenso abwechslungs- wie anspielungsreiche musikalische Begleitung. Nur das "In memoriam"-Segment wirkte ein wenig gehetzt; die Namen wurden in so schneller Abfolge eingeblendet, daß man kaum mit dem Lesen nachkam - wobei das natürlich auch der bedauerlichen Tatsache geschuldet ist, daß im letzten Jahr überdurchschnittlich viele namhafte Filmschaffende verstorben sind. Der erneut fehlende OSCAR-Moderator fiel in meinen Augen nicht negativ ins Gewicht. Bei den Dankesreden gab es kaum Langweiler, ein wiederkehrender Schwerpunkt waren (auch wegen der gewählten Sieger) Rassismus und Polizeigewalt, womit das Ganze sehr aktuell wirkte; die beste Rede dazu hielt wohl Tyler Perry, aber der konnte sich auch lange darauf vorbereiten, weil er einen Ehren-OSCAR für seine humanitäre Arbeit erhielt und das schon seit Monaten wußte. Die bewegendste Rede kam derweil erwartungsgemäß von "Der Rausch"-Regisseur Thomas Vinterberg, dessen 19-jährige Tochter Ida kurz nach Beginn der Dreharbeiten bei einem Autounfall starb (sie hätte Mads Mikkelsens Tochter spielen sollen, der Film wurde teilweise an ihrer Schule gedreht mit ihren Schulkameraden und Freunden als Statisten). Humoristisches Highlight war dafür ein kurzes Filmsong-Quiz von Questlove und Lil' Rel Howery, bei dem Glenn Close (die übrigens nach der achten Nominierung weiter auf ihren ersten OSCAR warten muß) der klare MVP war ...
Abschließend noch ein kurzer Blick auf meine OSCAR-Tips: 14 von 23 Kategorien habe ich richtig prognostiziert, ein für mich eher mäßiges Ergebnis (letztes Jahr waren es 17 von 24), das meinen Minusrekord der letzten sieben Jahre an richtigen Tips einstellt (diesmal gab es jedoch eine Kategorie weniger, also ist es prozentual nicht wirklich mein Minusrekord). Ich schiebe es mal darauf, daß ich coronabedingt nur wenige der nominierten Filme sehen konnte. Bei der Verleihung 2022 wird das hoffentlich wieder anders sein ...
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