Regie: Owen Harris, Drehbuch: John Niven, Musik: Junkie XL
Darsteller: Nicholas Hoult, Georgia King, James Corden, Tom
Riley, Edward Hogg, Joseph Mawle, Jim Piddock, Craig Roberts, Moritz Bleibtreu,
Rosanna Arquette, Ed Skrein, Al Weaver, Ella Smith, Damien Molony, Osy Ikhile,
Rosanna Hoult
London, 1997: Steven Stelkos (Nicholas Hoult) ist ein A&R (Artists & Repertoire)-Manager bei einem
bedeutenden Plattenlabel und damit zuständig für die Suche nach dem "Next
Big Thing". Als sein Vorgesetzter nach einem gewaltigen Flop gefeuert
wird, hofft Steven, daß er der neue Leiter der Abteilung wird. Als ihm
stattdessen sein dienstälterer, aber komplett inkompetenter Kumpel Waters
(James Corden, "Into the Woods") vorgezogen wird, dreht Steven durch
und ermordet ihn kurzentschlossen in dessen Wohnung. In der Konsequenz wird er immerhin zum vorläufigen Abteilungsleiter ernannt, muß sich aber beweisen, um
die Stellung auch dauerhaft bekleiden zu dürfen. Und dafür braucht er immer noch
einen großen Erfolg. Beispielsweise die Verpflichtung der Newcomer-Band
"The Lazies", die von allen großen Labels und vor allem von Stevens
Erzkonkurrent Parker-Hall (Tom Riley, TV-Serie "Da Vinci's Demons")
umworben wird. Gleichzeitig muß sich Steven mit dem Polizisten DC Woodham
(Edward Hogg, "Anonymus") herumärgern, der im Mordfall Waters
ermittelt, aber eigentlich viel lieber als Songwriter in die Musikbranche einsteigen
würde …
Kritik:
Manche Filme lassen sich hervorragend beschreiben, indem
man sie mit anderen Produktionen vergleicht. Bei "Kill Your Friends",
der Adaption eines Bestsellers von John Niven – der auch das Drehbuch schrieb,
das aber wohl erheblich zahmer ausfiel als der Roman (den ich nicht gelesen habe)
–, ist das tatsächlich der Fall. Denn man kann sich diese rabenschwarze Satire
auf die Musikbranche als Kombination aus "Trainspotting", "American
Psycho" und "Thank You for Smoking" vorstellen.
"Trainspotting" wegen des energetischen Erzählstils und der tollen
Musikauswahl, "American Psycho" wegen Hauptfigur Steven Stelkos,
"Thank You for Smoking" wegen des kompromißlosen Auseinandernehmens
einer selbstgefälligen Branche. Als Ganzes funktioniert diese höchst
unterhaltsame Melange richtig, richtig gut.
Das Bemerkenswerteste an "Kill Your Friends" ist
es wohl, wie es Regisseur Owen Harris in seinem Kinodebüt (vorher inszenierte er u.a. einige Episoden der britischen TV-Serien "Misfits" und "Secret Diary of a Call Girl" sowie eine TV-Komödie namens "Holy Flying Circus" über die Reaktionen auf den von konservativen Kreisen seinerzeit absurderweise heftigst bekämpften Monty Python-Klassiker "Das Leben des Brian") gemeinsam mit Autor John Niven gelingt, die extrem
unsympathische Hauptfigur Steven zu einem tatsächlich faszinierenden
Fixpunkt der Geschichte zu machen. Denn eigentlich ist Steven Stelkos das
Gegenteil einer klassischen Identifikationsfigur für das Publikum. Selbst der
psychopathische "American Psycho" Patrick Bateman wirkt etwas weniger
unausstehlich als dieser großspurige, allzu sehr von sich und seinem
vermeintlich Talent eingenommene Emporkömmling, der mit unnachahmlicher
Arroganz auf seine Umwelt herabblickt. Doch durch eine direkte, sehr
vertrauliche Ansprache holt Steven den Zuschauer geschickt ins Boot.
Intellektuell mag man ihn und seine skrupellosen Taten verachten; aber dadurch,
daß er einen fast wie einen Kumpel behandelt – zumal wie einen gleichgestellten, was eine Ehre ist, die Steven eigentlich keinem einzigen
seiner Kollegen zuteilwerden läßt (höchstens dem von Joseph Mawle aus der
TV-Serie "Ripper Street" schön schleimig verkörperten Leiter der Rechtsabteilung Trellick,
der als eine Art Mentor für Steven fungiert) – und alles Wissen, alle Gedanken
und Ängste mit einer schonungslosen, zynischen Ehrlichkeit mit einem teilt, fiebert man
emotional letztlich sogar ein bißchen mit ihm mit.
Natürlich ist das auch das Verdienst von Nicholas Hoult, der
nach den neuen "X-Men"-Filmen und "Mad Max: Fury Road" ein
weiteres Mal beweist, daß er einer der großen künftigen Stars in der Branche
ist – und daß er auch bereits als alleiniger Hauptdarsteller einen Film tragen
kann. Die übrigen Akteure machen ihre Sache ebenfalls gut, begünstigt durch Nivens selbst bei Nebenrollen gelungene Figurenzeichnung.
Besonders Georgia King ("Cockneys vs. Zombies") als Stevens ebenso kluge wie ehrgeizige Sekretärin
Rebecca und Tom Riley als sein verhasster – da im Gegensatz zu Steven
tatsächlich kompetenter – Konkurrent Parker-Hall überzeugen auf der ganzen
Linie, während der unerschrockene James Corden zu Beginn für einige herrlich absurd-peinliche Szenen sorgen
darf. Achja, nicht zu vergessen: Moritz Bleibtreus ("World War Z") kultverdächtiger
Gastauftritt als prolliger deutscher Musikproduzent Rudi, der Steven seinen größten
Hit in Deutschland seit vielen Jahren verkaufen will. Und dieser (ich bin fest
davon überzeugt: von Scooter inspirierte) Song ist so ganz nebenbei ein wunderbar
fieser (und nicht vollkommen unwahrer) Seitenhieb auf den deutschen Musikgeschmack,
der den respektlosen schwarzen Humor des Films treffend charakterisiert.
Apropos Musik: Die steht in dieser Geschichte natürlich im
Vordergrund. Einerseits schlicht und ergreifend durch die vom aktuellen It-Guy
der Filmmusik-Branche Junkie XL ("Mad Max: Fury Road", "300 – Rise of an Empire") erstklassig zusammengestellte und gemixte Musik, die
einige Eigenkompositionen mit zahlreichen Highlights der britischen Musik der
1990er Jahre vereint (Oasis, Blur, Radiohead, Chemical Brothers, The Prodigy,
Mark Morrison – dazu kommt in einer Clubszene ein tanzbeinanimierender Song des
deutschen Dance-Projekts Sash!, das damals auch in Großbritannien
erfolgreich war) und sich als Soundtrack hervorragend verkaufen sollte. Die
Musik ist zwar seit den 1960er Jahren eine andere geworden, aber das legendäre
"Swinging London" ist hier in gewisser Weise noch immer existent. Andererseits
geht es eben vor allem um einen Insider-Blick auf das Musikgeschäft (Autor Niven hat selbst in der Branche gearbeitet, seine "bedeutendste" Tat war laut Wikipedia die
Ablehnung der heutigen Megaseller Coldplay und Muse …),
das – wenn wir dem Film glauben dürfen – von ebenso selbstgefälligen wie
weitestgehend untalentierten Egomanen geprägt und beherrscht wird. Womit wir
dann auch schon beim bereits angedeuteten Vergleich mit "Thank You for
Smoking" wären, denn das Musikgeschäft kommt in "Kill Your
Friends" ähnlich schlecht weg wie es dort Tabak-, Auto- und
Rüstungsbranche erging. Inwiefern das nun realistisch ist, vermag ich nicht zu
sagen, aber wie so oft bei solchen Filmen denke ich mir: Wahrscheinlich ist alles in
Wirklichkeit sogar noch schlimmer. Aber solange das wenigstens zu einem dermaßen unterhaltsamen, von Regisseur Harris temporeich und (im Gegensatz zu den Verhaltensweisen der von Zynismus geleiteten Protagonisten) stilvoll inszenierten Film führt ...
Fazit: "Kill Your Friends" ist eine
respektlose, saukomische Musikbusiness-Satire mit einem zutiefst
amoralischen, aber von Nicholas Hoult exzellent gespielten Protagonisten.
Wertung: 8,5 Punkte.
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