Montag, 10. August 2015

KILL YOUR FRIENDS (2015)

Regie: Owen Harris, Drehbuch: John Niven, Musik: Junkie XL
Darsteller: Nicholas Hoult, Georgia King, James Corden, Tom Riley, Edward Hogg, Joseph Mawle, Jim Piddock, Craig Roberts, Moritz Bleibtreu, Rosanna Arquette, Ed Skrein, Al Weaver, Ella Smith, Damien Molony, Osy Ikhile, Rosanna Hoult
Kill Your Friends
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 24% (4,6); weltweites Einspielergebnis: $0,5 Mio.
FSK: 16, Dauer: 108 Minuten.
London, 1997: Steven Stelkos (Nicholas Hoult) ist ein A&R (Artists & Repertoire)-Manager bei einem bedeutenden Plattenlabel und damit zuständig für die Suche nach dem "Next Big Thing". Als sein Vorgesetzter nach einem gewaltigen Flop gefeuert wird, hofft Steven, daß er der neue Leiter der Abteilung wird. Als ihm stattdessen sein dienstälterer, aber komplett inkompetenter Kumpel Waters (James Corden, "Into the Woods") vorgezogen wird, dreht Steven durch und ermordet ihn kurzentschlossen in dessen Wohnung. In der Konsequenz wird er immerhin zum vorläufigen Abteilungsleiter ernannt, muß sich aber beweisen, um die Stellung auch dauerhaft bekleiden zu dürfen. Und dafür braucht er immer noch einen großen Erfolg. Beispielsweise die Verpflichtung der Newcomer-Band "The Lazies", die von allen großen Labels und vor allem von Stevens Erzkonkurrent Parker-Hall (Tom Riley, TV-Serie "Da Vinci's Demons") umworben wird. Gleichzeitig muß sich Steven mit dem Polizisten DC Woodham (Edward Hogg, "Anonymus") herumärgern, der im Mordfall Waters ermittelt, aber eigentlich viel lieber als Songwriter in die Musikbranche einsteigen würde …

Kritik:
Manche Filme lassen sich hervorragend beschreiben, indem man sie mit anderen Produktionen vergleicht. Bei "Kill Your Friends", der Adaption eines Bestsellers von John Niven – der auch das Drehbuch schrieb, das aber wohl erheblich zahmer ausfiel als der Roman (den ich nicht gelesen habe) –, ist das tatsächlich der Fall. Denn man kann sich diese rabenschwarze Satire auf die Musikbranche als Kombination aus "Trainspotting", "American Psycho" und "Thank You for Smoking" vorstellen. "Trainspotting" wegen des energetischen Erzählstils und der tollen Musikauswahl, "American Psycho" wegen Hauptfigur Steven Stelkos, "Thank You for Smoking" wegen des kompromißlosen Auseinandernehmens einer selbstgefälligen Branche. Als Ganzes funktioniert diese höchst unterhaltsame Melange richtig, richtig gut.

Das Bemerkenswerteste an "Kill Your Friends" ist es wohl, wie es Regisseur Owen Harris in seinem Kinodebüt (vorher inszenierte er u.a. einige Episoden der britischen TV-Serien "Misfits" und "Secret Diary of a Call Girl" sowie eine TV-Komödie namens "Holy Flying Circus" über die Reaktionen auf den von konservativen Kreisen seinerzeit absurderweise heftigst bekämpften Monty Python-Klassiker "Das Leben des Brian") gemeinsam mit Autor John Niven gelingt, die extrem unsympathische Hauptfigur Steven zu einem tatsächlich faszinierenden Fixpunkt der Geschichte zu machen. Denn eigentlich ist Steven Stelkos das Gegenteil einer klassischen Identifikationsfigur für das Publikum. Selbst der psychopathische "American Psycho" Patrick Bateman wirkt etwas weniger unausstehlich als dieser großspurige, allzu sehr von sich und seinem vermeintlich Talent eingenommene Emporkömmling, der mit unnachahmlicher Arroganz auf seine Umwelt herabblickt. Doch durch eine direkte, sehr vertrauliche Ansprache holt Steven den Zuschauer geschickt ins Boot. Intellektuell mag man ihn und seine skrupellosen Taten verachten; aber dadurch, daß er einen fast wie einen Kumpel behandelt – zumal wie einen gleichgestellten, was eine Ehre ist, die Steven eigentlich keinem einzigen seiner Kollegen zuteilwerden läßt (höchstens dem von Joseph Mawle aus der TV-Serie "Ripper Street" schön schleimig verkörperten Leiter der Rechtsabteilung Trellick, der als eine Art Mentor für Steven fungiert) – und alles Wissen, alle Gedanken und Ängste mit einer schonungslosen, zynischen Ehrlichkeit mit einem teilt, fiebert man emotional letztlich sogar ein bißchen mit ihm mit.

Natürlich ist das auch das Verdienst von Nicholas Hoult, der nach den neuen "X-Men"-Filmen und "Mad Max: Fury Road" ein weiteres Mal beweist, daß er einer der großen künftigen Stars in der Branche ist – und daß er auch bereits als alleiniger Hauptdarsteller einen Film tragen kann. Die übrigen Akteure machen ihre Sache ebenfalls gut, begünstigt durch Nivens selbst bei Nebenrollen gelungene Figurenzeichnung. Besonders Georgia King ("Cockneys vs. Zombies") als Stevens ebenso kluge wie ehrgeizige Sekretärin Rebecca und Tom Riley als sein verhasster – da im Gegensatz zu Steven tatsächlich kompetenter – Konkurrent Parker-Hall überzeugen auf der ganzen Linie, während der unerschrockene James Corden zu Beginn für einige herrlich absurd-peinliche Szenen sorgen darf. Achja, nicht zu vergessen: Moritz Bleibtreus ("World War Z") kultverdächtiger Gastauftritt als prolliger deutscher Musikproduzent Rudi, der Steven seinen größten Hit in Deutschland seit vielen Jahren verkaufen will. Und dieser (ich bin fest davon überzeugt: von Scooter inspirierte) Song ist so ganz nebenbei ein wunderbar fieser (und nicht vollkommen unwahrer) Seitenhieb auf den deutschen Musikgeschmack, der den respektlosen schwarzen Humor des Films treffend charakterisiert.

Apropos Musik: Die steht in dieser Geschichte natürlich im Vordergrund. Einerseits schlicht und ergreifend durch die vom aktuellen It-Guy der Filmmusik-Branche Junkie XL ("Mad Max: Fury Road", "300 – Rise of an Empire") erstklassig zusammengestellte und gemixte Musik, die einige Eigenkompositionen mit zahlreichen Highlights der britischen Musik der 1990er Jahre vereint (Oasis, Blur, Radiohead, Chemical Brothers, The Prodigy, Mark Morrison – dazu kommt in einer Clubszene ein tanzbeinanimierender Song des deutschen Dance-Projekts Sash!, das damals auch in Großbritannien erfolgreich war) und sich als Soundtrack hervorragend verkaufen sollte. Die Musik ist zwar seit den 1960er Jahren eine andere geworden, aber das legendäre "Swinging London" ist hier in gewisser Weise noch immer existent. Andererseits geht es eben vor allem um einen Insider-Blick auf das Musikgeschäft (Autor Niven hat selbst in der Branche gearbeitet, seine "bedeutendste" Tat war laut Wikipedia die Ablehnung der heutigen Megaseller Coldplay und Muse …), das – wenn wir dem Film glauben dürfen – von ebenso selbstgefälligen wie weitestgehend untalentierten Egomanen geprägt und beherrscht wird. Womit wir dann auch schon beim bereits angedeuteten Vergleich mit "Thank You for Smoking" wären, denn das Musikgeschäft kommt in "Kill Your Friends" ähnlich schlecht weg wie es dort Tabak-, Auto- und Rüstungsbranche erging. Inwiefern das nun realistisch ist, vermag ich nicht zu sagen, aber wie so oft bei solchen Filmen denke ich mir: Wahrscheinlich ist alles in Wirklichkeit sogar noch schlimmer. Aber solange das wenigstens zu einem dermaßen unterhaltsamen, von Regisseur Harris temporeich und (im Gegensatz zu den Verhaltensweisen der von Zynismus geleiteten Protagonisten) stilvoll inszenierten Film führt ...

Fazit: "Kill Your Friends" ist eine respektlose, saukomische Musikbusiness-Satire mit einem zutiefst amoralischen, aber von Nicholas Hoult exzellent gespielten Protagonisten.

Wertung: 8,5 Punkte.


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