Donnerstag, 30. Januar 2020

DIE ZWEI PÄPSTE (2019)

Originaltitel: The Two Popes
Regie: Fernando Meirelles, Drehbuch: Anthony McCarten, Musik: Bryce Dessner
Darsteller: Jonathan Pryce, Anthony Hopkins, Juan Minujín, Luis Gnecco, Cristina Banegas, Sofia Mayra Cessak, María Ucedo, Germán de Silva, Lisandro Fiks, Joselo Bella, Sidney Cole, Renato Scarpa, Achille Brugnini, Federico Torre, Nicola Acunzo
 Die zwei Päpste (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 89% (7,3); weltweites Einspielergebnis: $0,2 Mio.
FSK: 12, Dauer: 126 Minuten.
Im Jahr 2012 fliegt der argentinische Kardinal Jorge Bergoglio (Jonathan Pryce, "Die Frau des Nobelpreisträgers") nach Rom, um Papst Benedikt XVI. (Sir Anthony Hopkins, "Noah") um die Erlaubnis zu bitten, von seinem Amt zurückzutreten. Der deutsche Papst, der im Vatikan zu dieser Zeit von einigen Skandalen wie den sogenannten "Vatileaks"-Enthüllungen geplagt wird, lädt den Kardinal in die päpstliche Sommerresidenz Castel Gandolfo ein, wo sie erstmals seit dem letzten Konklave sieben Jahre zuvor von Angesicht zu Angesicht aufeinandertreffen. Dort war der reformwillige Jesuit Bergoglio unerwartet zum einzigen echten Konkurrenten des betont konservativen und traditionsbewußten damaligen Kardinals Ratzinger avanciert, der sich bei der Papstwahl dann aber doch deutlich durchsetzte. Das Wiedersehen zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Gottesmännern führt rasch zu Spannungen, da ihre theologischen Ansichten unverändert weit auseinanderliegen. Was Bergoglio nicht ahnt: Benedikt hat bereits so gut wie beschlossen, in Kürze als Papst zurückzutreten – ein fast einmaliger Vorgang in der Historie der katholischen Kirche! Was ihn noch zurückhält, ist, daß Bergoglio sein wahrscheinlichster Nachfolger wäre. Deshalb will er ihn näher kennenlernen und prüfen, um herauszufinden, ob der Jesuit trotz ihrer grundverschiedenen Glaubensansätze das Zeug zum Papst hat …

Kritik:
Angesichts der Thematik der dreifach OSCAR-nominierten Netflix-Produktion "Die zwei Päpste" sollte ich wohl gleich zu Beginn erwähnen, daß ich seit Jahrzehnten überzeugter Atheist bin. Innerhalb der sehr vielfältigen Gruppe der Atheisten bin ich meinem Eindruck nach jedoch in (mindestens) einer Hinsicht eher ungewöhnlich, denn ich bin hege ein aufrichtiges Interesse an dem Themenbereich Glaube, Religion und Spiritualität. Viele mir bekannte Atheisten sind die Thematik so leid, daß sie einen großen Bogen um Filme oder Serien mit religiösen Aspekten machen, selbst wenn es sich um fiktive Religionen wie in den TV-Serien "Game of Thrones" oder "Battlestar Galactica" handelt. Ich fand hingegen die Auseinandersetzung mit religiösen Themen schon immer spannend, gerade die Fragen, mit welcher Methodik institutionalisierte Religionen die Gläubigen an sich binden und was viele Menschen dazu motiviert, an Dinge zu glauben, für die es keinerlei handfeste Beweise gibt – vermutlich auch deswegen, weil ich das eben nicht kann. Trotzdem gebe ich zu, daß ich mir den Film des brasilianischen Regisseurs Fernando Meirelles ("City of God") wahrscheinlich eher nicht angesehen hätte, wäre er nicht so positiv besprochen und für mehrere Academy Awards nominiert worden sowie mit zwei großen Schauspielern in den Titelrollen besetzt. Mein Blick auf "Die zwei Päpste" ist sicher ein etwas anderer als der gläubiger Zuschauer, aber vielleicht ist es sogar ein umso größeres Lob, daß mir als Atheist der Film richtig gut gefallen hat.

Das liegt unter anderem daran, daß Religion und Glaube im Skript des Neuseeländers Anthony McCarten ("Bohemian Rhapsody") zwar naheliegenderweise eine bedeutende Rolle spielen, es aber auch genügend Raum für weitere Themen gibt. Besonders die für jeden offensichtliche Unterschiedlichkeit zwischen dem verkniffenen Papst Benedikt und dem jovialen argentinischen Kardinal Bergoglio sorgt für Abwechslung und viele unterhaltsame Szenen. Bereits das erste zufällige Zusammentreffen der beiden auf der Toilette des Vatikans während des Konklave zur Wahl des Nachfolgers von Papst Johannes Paul II. ist sehr symptomatisch für die Unterschiede zwischen den beiden Männern wie auch für den insgesamt unerwartet lockeren, humorvollen Ton des Films: Kardinal Bergoglio pfeift fröhlich "Dancing Queen" vor sich, woraufhin Kardinal Ratzinger ihn interessiert fragt, was das denn für eine Hymne sei – mit der Anwort "ABBA" kann er aber offensichtlich nichts anfangen … Als sich Papst Benedikt und Kardinal Bergoglio sieben Jahre später in der päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo wiedersehen, hat sich im Grunde genommen nicht viel geändert. Das erste Gespräch im Garten erinnert beide daran, wie verschieden ihre Haltungen zum richtigen Weg der katholischen Kirche sind. Die Spannung ist greifbar und so, wie der Papst sichtlich irritiert ist von Bergoglios eher formlosem Auftreten ihm gegenüber ist der Kardinal bedrückt wegen Benedikts unnachgiebiger Strenge in strittigen Themen. Trotz ihrer Differenzen – die auch vor den Eß- oder Fernsehgewohnheiten (Bergoglio ist Fußball-Fan, Benedikt liebt die österreichische TV-Serie "Kommissar Rex"!) kommen sie sich jedoch langsam näher, haben sie doch letzten Endes beide das gleiche Ziel: das Beste für die Kirche zu erreichen.

Regisseur Meirelles und Autor McCarten offenbaren im Lauf der zwei durchgehend kurzweiligen Stunden ein gutes Gespür dafür, den beiden starken Persönlichkeiten gleichermaßen gerecht zu werden und keinen eindeutig zu bevorzugen. Natürlich erringt der nahbare und weltoffene Bergoglio leichter die Sympathien des Publikums als der steife Akademiker Benedikt (außer bei strenggläubigen Zuschauern, vermute ich), doch wird dieser keineswegs zum Antagonisten hochstilisiert, sondern darf seine menschlichen und freundlichen Seiten offenbaren. Inwiefern das der Realität entspricht, kann ich nicht wirklich beurteilen, aber in dramaturgischer Hinsicht funktioniert das Vorgehen einwandfrei. Lobenswert ist zudem, daß die dunklen Flecken in der Biographie beider Kirchenmänner nicht ignoriert werden, speziell Bergoglios vor allem in seiner Heimat kontroverse Rolle während der argentinischen Militärdiktatur wird (wenn auch aus seiner subjektiven Perspektive) in recht ausführlichen Rückblenden anschaulich und nachvollziehbar geschildert. Diese Sorgfalt macht Bergoglio eindeutig zur Hauptfigur des Films bei Benedikt gibt es keine Rückblenden, weshalb seine Charakterzeichnung insgesamt doch oberflächlicher ausfällt. Bei ihm werden auch die erwähnten dunklen Seiten – wie seine Rolle in der NS-Zeit, die Vatileaks-Affäre und vor allem natürlich der große Mißbrauchsskandal – eher alibihaft und im Schnelldurchgang, wenngleich mit einigen durchaus intensiven Szenen behandelt. Letztlich beschreibt das ganz gut den gesamten Film: Wir sehen zwei großartigen, für ihre Rollen für je einen OSCAR nominierten Schauspielern dabei zu, wie sie ernsthaft, manchmal aber auch überraschend humorvoll diskutieren, über Gott und das Leben und darum, welches der richtige Weg für die Erhaltung der Kirche ist: Modernisierung oder Rückbesinnung auf die Traditionen ohne Rücksicht auf sich wandelnde gesellschaftliche Normen? Das alles ist nicht zuletzt dank intelligenter, leidenschaftlicher und amüsanter Dialoge sowie der Schauspielkunst der glänzend miteinander harmonierenden Jonathan Pryce und Anthony Hopkins auch für Atheisten äußerst unterhaltsam, manchmal sogar einsichtsreich – aber letztlich bleibt "Die zwei Päpste" eben doch die meiste Zeit über an der Oberfläche und wagt sich nicht sehr in die Tiefe, mutmaßlich primär aus Furcht, irgendwelche Zuschauer oder auch Interessengruppen zu verprellen. Gute Unterhaltung mit vermutlich überschaubarer Nähe zur Realität (nur die beiden Päpste selbst wissen logischerweise, worüber sie unter vier Augen gesprochen haben), nicht mehr und nicht weniger. Ach, die schönsten, witzigsten Szenen gibt es übrigens erst während des Abspanns, als Benedikt und sein inzwischen gewählter Nachfolger Franziskus gemeinsam im Fernsehen das Fußball-WM-Finale 2014 in Brasilien zwischen Deutschland und Argentinien verfolgen …

Fazit: "Die zwei Päpste" ist ein zwangsläufig spekulativer, jedodch spannender, humorvoller und unterhaltsamer Blick auf zwei prägende, denkbar unterschiedliche Kirchenmänner, der sich aber zumeist damit begnügt, nur an der Oberfläche der religiösen Grundthematik zu kratzen.

Wertung: 7,5 Punkte.


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