Mittwoch, 22. Dezember 2021

ICH BIN DEIN MENSCH (2021)

Regie: Maria Schrader, Drehbuch: Jan Schomburg und Maria Schrader, Musik: Tobias Wagner
Darsteller: Maren Eggert, Dan Stevens, Sandra Hüller, Wolfgang Hübsch, Hans Löw, Annika Meier, Falilou Seck, Jürgen Tarrach, Marlene-Sophie Haagen, Henriette Richter-Röhl
Ich bin dein Mensch (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 96% (7,6); weltweites Einspielergebnis: $1,1 Mio.
FSK: 12, Dauer: 108 Minuten.
Dr. Alma Felser (Maren Eggert, "Die Unsichtbaren") ist eine etwas spröde Wissenschaftlerin, die im Berlin der nahen Zukunft eher widerwillig der Teilnahme an einer Studie zustimmt, um im Gegenzug mehr Forschungsgelder für ihr eigenes Projekt zu erhalten. Im Rahmen der Studie soll Alma drei Wochen lang den humanoiden Roboter Tom (Dan Stevens, "The Guest") auf Herz und Nieren testen, der ganz auf sie zugeschnitten und als ihr perfekter Partner konzipiert ist. Alma hält das Ganze für Mumpitz und behandelt Tom wie eine Maschine, zumal der Roboter zunächst etliche Fehler macht, da seine Künstliche Intelligenz ja erst lernen muß, was genau Alma mag und was nicht. Trotzdem kann die Wissenschaftlerin eine gewisse Faszination für den gutaussehenden und immer freundlichen Tom mit seinem leichten britischen Akzent nicht verhehlen. Nach und nach gewöhnt Alma sich an Toms durchaus angenehme Gesellschaft und nimmt ihn auch zur Arbeit oder zu einer Party mit, wo er – ohne daß die Anwesenden merken würden, daß er kein Mensch ist – sehr gut ankommt. Alma, die noch unter ihrer Trennung von Julian (Hans Löw, "Hedi Schneider steckt fest") leidet, beginnt sich zu fragen, wie es wäre und welche konkreten Folgen es hätte, mit einem humanoiden Roboter zusammenzuleben ...

Kritik:
Die gebürtige Hannoveranerin Maria Schrader war in den 1990er Jahre eine der gefragtesten Schauspielerinnen Deutschlands, sie arbeitete häufiger mit den Regisseuren Dani Levy ("Stille Nacht", "Meschugge") und Doris Dörrie ("Keiner liebt mich", "Bin ich schön?") zusammen und spielte teils auch nach der Jahrtausendwende in Filmen wie dem Golden Globe-nominierten "Aimée und Jaguar", "Emil und die Detektive", "Rosenstraße" und Agnieszka Hollands für den Auslands-OSCAR nominiertem "In Darkness" tragende Rollen. In den 2010er Jahren verlegte sich Schrader mehr aufs Fernsehen, wo sie vor allem mit der hochgelobten Serie "Deutschland 83/86/89" Erfolge feierte. Dennoch wurden die großen Kinorollen nach der Jahrtausendwende weniger, was vermutlich ein Grund dafür ist, daß sich Schrader ab 2007 und mit zunehmendem Erfolg als Regisseurin und Drehbuch-Autorin versuchte. Speziell mit dem Stefan Zweig-Biopic "Vor der Morgenröte" errang sie 2016 auch internationale Aufmerksamkeit, die ihr wohl den Regiejob bei der gefeierten Netflix-Miniserie "Unorthodox" und in der Folge sogar einen Emmy einbrachte. Der Erfolgslauf setzt sich mit der auf einer Kurzgeschichte von Emma Braslavsky basierenden philosophisch-romantischen Tragikomödie "Ich bin dein Mensch" fort, die weltweit großartige Kritiken einheimste und als deutscher OSCAR-Beitrag des Kinojahres 2021 erwählt wurde.

Tatsächlich ist "Ich bin dein Mensch" ein gelungener Film, der in der ersten Hälfte sehr witzig ausfällt und in der zweiten zunehmend zum Nachdenken anregt – diese Zweiteilung mag nicht hundertprozentig rund wirken, ergibt aber eine unkonventionelle, gut gespielte Geschichte mit einem ziemlich hohen Unterhaltungswert. Mir persönlich gefällt die locker-leichte erste Hälfte besser – vielleicht gerade deshalb, weil ich "Ich bin dein Mensch" eher als Film erwartet hatte, der häufig zum Schmunzeln anregt denn als Komödie mit wirklich richtig lustigen Szenen und Dialogen. Doch genau die gibt es in der ersten Hälfte, in der sich Alma zunächst betont bockig gibt und den armen Tom einerseits wie eine (hochmoderne) Haushaltsmaschine behandelt, ihn andererseits aber auch immer wieder reizt und provoziert. Zwar nimmt Tom das gelassen hin – so ist er nunmal programmiert –, trotzdem sorgen seine anfänglichen, zutiefst klischeehaften Annäherungsversuche ebenso für Lacher wie sein merkwürdiges Verhalten in der Öffentlichkeit. In dieser Phase hat Schraders Film etwas von einer Culture Clash-Komödie, immerhin ist für Tom ja alles neu und trotz seiner ausgefeilten Programmierung muß er noch viel in der Praxis erlernen – und das führt immer wieder zu für das Publikum amüsanten Szenen und Dialogen. Ab einem Schlüsselmoment in der Mitte des Films, der für Alma einen beruflichen Rückschlag bedeutet, wandelt sich die heitere, mit der Annäherung von Alma und Tom sogar zunehmend romantische Atmosphäre jedoch und der Humor tritt – leider – immer mehr in den Hintergrund. Stattdessen wird die Handlung nun von Almas Frustration geleitet, die neben dem beruflichen Rückschlag auch von privaten Entwicklungen rund um ihren Ex-Lebensgefährten wie auch um ihren geistig abbauenden Vater gespeist wird. Das ist immer noch präzise beobachtet und gut gespielt, aber eben nicht mehr so unterhaltsam wie die erste Filmhälfte, zumal das Drehbuch von Maria Schrader und Jan Schomburg ("Über uns das All") es versäumt, rechtzeitig stärker auf die gesellschaftlich-philosophischen Fragen rund um hochentwickelte humanoide Roboter wie Tom einzugehen. Die werden zwar durchaus aufgeworfen, so richtig und dann gesammelt aber eigentlich erst in Almas Abschlußbericht für die Studie, und das ist doch ziemlich spät. Etwas weniger von Almas privaten Problemen und dafür eine intensivere Auseinandersetzung mit den auch moralischen Fragen rund um humanoide Roboter wäre in meinen Augen besser gewesen.

Daß "Ich bin dein Mensch" insgesamt trotzdem gut funktioniert und sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt, was man selbst tun würde, gäbe es solche humanoiden Roboter wie Tom wirklich (was nur eine Frage der Zeit sein dürfte), sowie darüber, welche gesellschaftlichen Konsequenzen das haben könnte (würden sich am Ende alle für den einfachen programmierten Roboter entscheiden anstatt für komplizierte "echte" Beziehungen? Und könnte das am Ende sogar zum Aussterben der Menschheit führen, weil sich kaum noch jemand fortpflanzt?), liegt neben Maria Schraders souveräner Regie und dem Drehbuch – das etwas an themenverwandte Filme wie "Her" oder "Robot & Frank" erinnert – natürlich an den glänzenden Darstellern. Maren Eggert erhielt bei der Berlinale sogar den Silbernen Bären für die beste Schauspielerin und der britische Hollywood-Star ("Die Schöne und das Biest") Dan Stevens spielt seine Rolle ebenso überzeugend. Eggerts Performance ist etwas nuancierter, da Alma als Mensch nun einmal ein breiteres emotionales Spektrum hat, doch Stevens überzeugt als buchstäblich un-menschlich freundlicher, romantischer und immer zuvorkommender Tom ebenfalls auf der ganzen Linie. Der mit vier Deutschen Filmpreisen prämierte "Ich bin dein Mensch" ist übrigens in Deutsch gedreht worden, Stevens spricht also tatsächlich Deutsch und das nahezu perfekt mit einem leichten britischen Akzent (für dessen Existenz bei Tom es übrigens eine sehr witzige Erklärung gibt) – das ist für ihn auch nicht das erste Mal, denn seine erste Kinorolle hatte Stevens 2009 in Kai Wessels Hildegard Knef-Biopic "Hilde" an der Seite von Heike Makatsch. Etwas stiefmütterlich werden sämtliche Nebenrollen behandelt, höchstens Sandra Hüller ("Toni Erdmann") entwickelt als für Tom zuständige Unternehmensvertreterin ein wenig Profil, wobei der Clou an ihrer Rolle ziemlich vorhersehbar ist. Insgesamt ist "Ich bin dein Mensch" aber schlicht und ergreifend ein guter Film, der das intellektuelle Potential seiner Prämisse nicht ganz ausreizt, aber trotzdem einige kluge Denkanstöße gibt.

Fazit: Maria Schraders "Ich bin dein Mensch" ist eine futuristische romantische Tragikomödie mit zwei starken Hauptdarstellern, die phasenweise ungemein lustig ist, jedoch in der zweiten Hälfte zunehmend ins Dramatische kippt.

Wertung: 7,5 Punkte.
 
 
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