Donnerstag, 20. Mai 2021

UNDERWATER – ES IST ERWACHT (2020)

Regie: William Eubank, Drehbuch: Brian Duffield und Adam Cozad, Musik: Marco Beltrami und Brandon Roberts
Darsteller: Kristen Stewart, Vincent Cassel, T.J. Miller, Jessica Henwick, John Gallagher Jr., Mamoudou Athie
Underwater - Es ist erwacht (2020) on IMDb Rotten Tomatoes: 48% (5,3); weltweites Einspielergebnis: $40,9 Mio.
FSK: 16, Dauer: 95 Minuten.
Mehr als 300 Männer und Frauen arbeiten auf der Kepler-822-Station, einer hochmodernen Forschungs- und Bohreinrichtung am Grund des Marianengrabens (der tiefsten Meeresstelle). Als aus unbekannten Gründen eine Druckwelle weite Teile der Station zerstört, kann Captain Lucien (Vincent Cassell, "Jason Bourne") einige Menschen rechtzeitig evakuieren, viele andere überleben die Druckwelle nicht. Gerade so mit dem Leben kommen die Ingenieurin Norah Price (Kristen Stewart, "Snow White & The Huntsman"), die Biologin Emily Haversham (Jessica Henwick, "On the Rocks"), ihr Freund Liam Smith (John Gallagher Jr., "10 Cloverfield Lane") sowie die beiden Arbeiter Rodrigo Nagenda (Mamoudou Athie, "Unicorn Store") und Paul Abel (T.J. Miller, "Ready Player One") davon, die aber nun gemeinsam mit Captain Lucien festsitzen, weil sämtliche Rettungskapseln entweder benutzt wurden oder unbrauchbar sind. Die einzige Überlebens-Option für das Sextett ist ein Gang über den Meeresboden in Druckanzügen zu der eine Meile entfernten Roebuck-Station. Das wäre an sich schon eine riskante Wegstrecke, doch es kommt noch schlimmer: Offensichtlich haben die Bohrarbeiten in der Tiefsee etwas Monströses geweckt, das sich nun auf die Jagd nach den Menschen macht, die in sein Revier eingedrungen sind …
 
Kritik:
Mit gerade mal Anfang 30 kann Kristen Stewart auf eine Schauspiel-Karriere zurückblicken, die aufregender, abwechslungsreicher und auch kontroverser ist als bei den meisten Schauspielern in ihrem ganzen Leben. Erste kleine Rollen erhielt sie im Kindesalter, richtig bekannt wurde sie als Teenager. Kein Wunder, schließlich hielt sie sich in David Finchers "Panic Room" (2002) glänzend an der Seite von Weltstar Jodie Foster, überzeugte in "Speak – Die Wahrheit ändert alles" (2004) als Vergewaltigungsopfer sowie im Aussteiger-Drama "Into the Wild" (2008) und zeigte im Familienabenteuer "Zathura" (2005), daß sie auch leichtere Stoffe beherrscht. Zum Weltstar wurde Stewart mit 18, als sie die weibliche Hauptrolle in der Young Adult-Adaption "Twilight – Bis(s) zum Morgengrauen" (2008) ergatterte. Die Rolle als Bella Swan, die sie in fünf sehr erfolgreichen Filmen spielte und die zum Zentrum eines Liebesdreiecks mit einem Vampir und einem Werwolf wird, machte sie zum umschwärmten Idol zahlloser Jugendlicher, brachte ihr und ihrem Co-Star Robert Pattinson aber auch heftige Abneigung von jenen ein, die mit der übernatürlichen Teenie-Schmonzette wenig anfangen konnten. Dazu kam, daß Kristen Stewart in diesen Filmen schauspielerisch wesentlich steifer wirkte als zuvor und deshalb auch an ihren Fähigkeiten gezweifelt wurde. Wie Pattinson entschied sich Stewart nach dem Ende der Reihe im Jahr 2012 zu einem scharfen Schnitt und widmete sich vorerst komplett dem Arthouse-Kino. Eine glänzende Idee, denn speziell der französische Filmemacher Olivier Assayas forderte und förderte Stewart und trieb sie in den anspruchsvollen, vielfach ausgezeichneten Dramen "Die Wolken von Sils Maria" (2014; hierfür erhielt sie sogar eine César-Nominierung) und "Personal Shopper" (2016) zu Spitzenleistungen, auch in Walter Salles' "On the Road" (2012), Woody Allens "Café Society" (2016) oder Benedict Andrews' "Jean Seberg" (2019) überzeugte sie die Kritiker. Und nachdem sie sich genügend von der "Twilight"-Zeit emanzipiert hatte, ging sie den nächsten Schritt und öffnete sich (wie Pattinson, der als "The Batman" den Sprung zurück ins Mainstream-Kino vollzieht) wieder vermehrt für größere Produktionen wie das jedoch gefloppte Reboot "3 Engel für Charlie" (2019) und das Creature Feature "Underwater – Es ist erwacht". Man darf gespannt sein, wie sich Kristen Stewarts Karriere weiter entwickeln wird, jedenfalls sollte inzwischen klar sein, daß sie nicht nur in eher seichten Blockbustern und in komplexen Independent-Produktionen punktet, sondern auch eine vortreffliche, glaubwürdige Actionheldin abgibt – wie sie im insgesamt leider wenig einfallsreichen "Underwater" beweist.
 
Gerade im Horrorbereich gelingt es etlichen Filmen, gut und stimmungsvoll anzufangen, bevor im dritten Akt die Ideen ausgehen und alles auf einen generischen, actionreichen Showdown hinausläuft. Bedauerlicherweise läuft das bei "Underwater" genau so ab, dabei hätte man vom genreerfahrenen Regisseur William Eubank ("The Signal") bei seiner ersten großen Hollywood-Produktion mehr erwarten dürfen – wobei da natürlich das Drehbuch von Brian Duffield ("Jane Got a Gun") und Adam Cozad ("Jack Ryan: Shadow Recruit") ebenso eine große Rolle spielt. Das sprüht nicht gerade vor Einfallsreichtum, ganz im Gegenteil: "Underwater" bedient sich bei zahlreichen anderen Genre-Vertretern wie "Alien", "The Abyss", "Deep Blue Sea" und "Meg" (in dem ebenfalls durch Forschungen im Marianengraben eine wenig menschenfreundliche Kreatur "geweckt" wird). Das ist natürlich nicht verboten und auch nicht grundsätzlich negativ, immerhin gibt es viele gute Filme – und wahrscheinlich sogar ganz besonders viele gute Horrorfilme –, die wenige oder keine neue Ideen einbringen. In diesem Genre spielt schließlich die Atmosphäre eine überdurchschnittlich große Rolle und wenn ein Film in diesem Punkt überzeugt, kann man ihm auch eine wiedergekäute Story verzeihen (Paradebeispiele dafür sind Filme wie "Crimson Peak", die "Conjuring"-Reihe oder "Die Frau in Schwarz"). Und in der Tat macht "Underwater" seine Sache in der ersten Hälfte gut. Das Figurenensemble wird kurz, aber effektiv eingeführt und erweist sich schnell als sympathisch genug, um mitfiebern zu können. Erfreulich ist dabei, daß auf Unsympathen und generell auf ernsthafte Konflikte unter den Überlebenden verzichtet wird. Bei anderen Genrevertretern gibt es häufig mindestens eine egoistische und skrupellose Person, der man früher oder später einen grausamen Tod wünscht (ein Wunsch, der meist erfüllt wird), doch hier machen alle einen netten Eindruck und arbeiten gut zusammen – selbst der etwas großmäulige Paul. Das ist eine nette Abwechslung.
 
Durch das visuell und akustisch gekonnt umgesetzte klaustrophobische Unterwasser-Setting fällt es sowieso nicht schwer, für Spannung zu sorgen, dafür bräuchte es gar nicht die Gefahr durch die mysteriösen Kreaturen. Die verleihen dem Film eine zunehmende Horrorkomponente, was zunächst ebenfalls gut hinhaut. In etwa so lange, wie weder die Protagonisten noch das Publikum wissen, womit genau man es eigentlich zu tun hat. Auch dies ist eine Lektion, die jeder Horrorfan früh lernt: In aller Regel funktionieren Creature Features besser, je länger die tödliche Bedrohung rätselhaft bleibt und höchstens ganz kurz und schemenhaft zu erkennen ist (Gareth Edwards' "Godzilla"-Reboot hat das glänzend vorgemacht, auch wenn da dafür einige Fans bemängelten, es sei insgesamt zu wenig von der Titelfigur zu sehen). "Alien", "Predator", "The Descent" ... es gibt zig Belege für diese These und nur vereinzelte Gegenbeispiele. Leider enthüllt "Underwater" jene Kreaturen, die unserem Sextett das Leben schwer machen, ziemlich früh, nämlich bereits nach der Hälfte der eineinhalbstündigen Laufzeit. Und diese Kreaturen sehen zwar gut (im Sinne von: furchterregend) aus, doch ab diesem Zeitpunkt wandelt sich der spannende und atmosphärische Survival-Thriller zunehmend in einen Horror-Actionfilm mit ein paar gut eingestreuten Jumpscares, in dem die Atmosphäre und die Figuren zur Nebensache werden. Die Actionsequenzen sind zwar gut gemacht, überzeugen aber weniger als die erste Filmhälfte, zumal die Abwechslung fehlt und angesichts des wenig augenfreundlichen Settings voller Blautöne nicht immer viel zu erkennen ist. Generell fehlen dieser zweiten Filmhälfte die Ideen, alles wirkt auf Dauer recht monoton – dazu kommt, daß die Musik von Marco Beltrami ("A Quiet Place") und Brandon Roberts ("Chaos Walking") gefällig ist, aber nicht ansatzweise die unheimliche und spannungsfördernde Wirkung so ikonischer Horror-Scores wie jener von Jerry Goldsmith ("Alien", "Das Omen") erreicht. Immerhin: Kristen Stewart kann hier beweisen, daß sie absolut zur taffen Horror-Actionheldin in der Tradition von "Alien"-Protagonistin Ellen Ripley taugt. Das Finale selbst fällt ordentlich aus und punktet mit einem schön designten, deutlich von H.P. Lovecrafts "Großen Alten" inspirierten Obermonster. Somit ist "Underwater" alles in allem ein solider Unterwasser-Horrorfilm mit einer starken Hauptdarstellerin, der aber in der ersten Hälfte deutlich mehr richtig macht als in der allzu generischen zweiten.
 
Fazit: "Underwater – Es ist erwacht" ist ein handwerklich gut gemachtes Unterwasser-Creature Feature, das in erster Linie in der atmosphärischen ersten Hälfte mit einem sympathischen Figurenensemble gefällt, sich dann jedoch arg einfallslos entwickelt.
 
Wertung: 6,5 Punkte.
 
 
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