Mittwoch, 23. Dezember 2020

Nachruf: Claude Brasseur (1936-2020)

In Deutschland wurde er vor allem als Vater der jugendlichen Sophie Marceau in den beiden "La Boum - Die Fete"-Filmen in den frühen 1980er Jahren bekannt, doch in seiner französischen Heimat zählte der vor allem mit seinen komödiantischen Rollen populäre Claude Brasseur zu den Großen des Schauspieler-Metiers. Gestern starb er im Alter von 84 Jahren in Paris, womit das französische Kino im Jahr 2020 nach Michel Piccoli und Michael Lonsdale einen dritten großen Verlust verbuchen muß.

Der Sohn eines Schauspieler-Ehepaares - Vater Pierre spielte eine Hauptrolle in Marcel Carnés Meisterwerk "Kinder des Olymp" (1945), Mutter Odette Joyeux agierte u.a. in Max Ophüls' "Der Reigen" (1950) - trat früh in die Fußstapfen seiner Eltern und nach ein paar Umwegen (während des Algerienkrieges Ende der 1950er Jahre diente er in der französischen Armee) feierte er ab den 1960er Jahren erste Erfolge im Theater und im Kino. So spielte er 1960 im Horror-Klassiker "Augen ohne Gesicht" (auch als "Das Schreckenshaus des Dr. Rasanoff" bekannt) die Rolle eines Chirurgen, der alles versucht, um das bei einem von ihm verschuldeten Unfall entstellte Gesicht seiner Tochter wiederherzustellen und dabei auch vor Morden nicht zurückschreckt, und agierte 1962 in der Komödie "Wir fahren nach Deauville" an der Seite von Louis de Funès und Michel Serrault. Seinen endgültigen Durchbruch feierte Brasseur 1964 in Jean-Luc Godards "Die Außenseiterbande" - einem zentralen Werk der Nouvelle Vague, das stilsicher und skurril amerikanische B-Movies parodiert -, wo er und Sami Frey zwei Einbrecher spielen, die um die naive Studentin Odile (Anna Karina) wetteifern. In Costa-Gavras' moralischem Kriegsdrama "Ein Mann zuviel" (1967) zeigte der Mann, der mit dem gutmütigen Knautschgesicht und der großen Nase wie für Komödien geschaffen schien, einmal mehr auch sein dramatisches Talent in der beklemmenden Geschichte französischer Widerstandskämpfer, die in letzter Sekunde vor ihrer Hinrichtung gerettet werden, dann jedoch feststellen, daß sich unter den Geretteten auch ein unbekannter Mann befindet, der nicht zu ihnen gehört - was anfangen mit ihm?

Die 1970er Jahre eröffnete Claude Brasseur mit einem geglückten Ausflug zum Fernsehen als Titeldarsteller in zwei Staffeln der historischen TV-Serie "Die Abenteuer des Monsieur Vidocq" (1971-1973). Neben einigen Filmen, die heutzutage weitgehend in Vergessenheit geraten sind, stechen aus Brasseurs Arbeit dieser Dekade vor allem François Truffauts Krimikomödie "Ein Schönes Mädchen wie ich" (1972), Yves Roberts Komödienhit "Ein Elefant irrt sich gewaltig" (1976) und Claude Sautets unprätentiöses Liebesdrama "Eine einfache Geschichte" (1978) hervor. Vor allem der für einen Golden Globe nominierte "Ein Elefant irrt sich gewaltig" - zu dem Hollywood acht Jahre später das Remake "Die Frau in Rot" mit Gene Wilder drehte - war ein wichtiger Schritt auf Brasseurs Karriereleiter, denn für seine ebenso amüsante wie einfühlsame Darstellung des homosexuellen Mechanikers Daniel gewann er einen ersten César, ein zweiter folgte 1980 für seine Hauptrolle eines Polizei-Kommissars in Robin Davis' "Der Polizeikrieg". In den 1980er Jahren wechselten sich für Claude Brasseur Hits und Flops in ziemlich schneller Folge ab. Beispielhaft dafür: Während er in "La Boum - Die Fete" (1980) sowie der zwei Jahre später folgenden Fortsetzung "La Boum - Die Fete geht weiter" als untreuer, aber keineswegs unsympathischer Zahnarzt und Vater der 13-jährigen und heftig pubertierenden Vic - jener Rolle, die Sophie Marceau früh zum Weltstar machte - glänzte, löste er wenige Jahre später heftige Kontroversen aus, die man heutzutage wohl als Shitstorm bezeichnen würde. Denn in "Abstieg zur Hölle" spielte Brasseur 1986 den deutlich älteren Ehemann der weiblichen Hauptfigur Lola, ziemlich explizite Sexszenen inklusive; warum das als skandalös angesehen wurde? Nun, Lola wird gespielt von der 19-jährigen Sophie Marceau, deren Filmvater Brasseur nur vier Jahre zuvor gegeben hatte ...

Ab den 1990er Jahren spielte Claude Brasseur zwar weiterhin fleißig in vielen Filmen und TV-Produktionen mit, wirklich Bemerkenswertes war aber nur noch selten dabei. 1993 erhielt er für Édouard Molinaros Historiendrama "Ein Abendessen mit dem Teufel" seine fünfte und letzte César-Nominierung, von 2003 bis 2007 spielte er den titelgebenden Polizei-Kommissar in der TV-Krimireihe "Franck Keller" und im Jahr 2006 überzeugte er in einer großen Nebenrolle als von seinem Sohn entfremdeter verwitweter Kunstsammler an der Seite von Cécile de France in der gelungenen Tragikomödie "Ein perfekter Platz" von Danièle Thompson. Ein letztes Mal in einer großen Hauptrolle agierte Brasseur 2015 in Ivan Calbéracs Tragikomödie "Frühstück bei Monsieur Henri", in der er als griesgrämiger und verbitterter Witwer durch eine idealistische Untermieterin - die chaotische Studentin Constance (Noémie Schmidt) - seine Lebensfreude wiederfindet. Letztmals vor der Kamera stand Brasseur für Franck Duboscs Liebeskomödie "Liebe bringt alles ins Rollen", die 2018 in die Kinos kam und in der er den Vater der Hauptfigur spielt.

Am 22. Dezember 2020 starb Claude Brasseur mit 84 Jahren in Paris. R.I.P.
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