Dienstag, 12. November 2019

MIDWAY – FÜR DIE FREIHEIT (2019)

Regie: Roland Emmerich, Drehbuch: Wes Tooke, Musik: Harald Kloser und Thomas Wanker
Darsteller: Ed Skrein, Patrick Wilson, Luke Evans, Dennis Quaid, Woody Harrelson, Etsushi Toyokawa, Tadanobu Asano, Mandy Moore, Aaron Eckhart, Alexander Ludwig, Darren Criss, Nick Jonas, Luke Kleintank, Keean Johnson, Rachael Perrell Fosket, Jake Weber, Brennan Brown, David Hewlett, Mark Rolston, James Carpinello, Geoffrey Blake, Jun Kunimura, Nobuya Shimamoto, Peter Shinkoda, Annie Trousseau
Midway - Für die Freiheit (2019) on IMDb Rotten Tomatoes: 42% (5,2); weltweites Einspielergebnis: $127,4 Mio.
FSK: 16, Dauer: 139 Minuten.

Der Flugzeugträger U.S.S. Enterprise befindet sich unter der Leitung von Vice Admiral "Bull" Halsey (Dennis Quaid, "Pandorum") im Dezember 1941 in relativer Nähe des amerikanischen Flottenstützpunktes Pearl Harbor auf Hawaii, als dieser ohne Vorwarnung von den Japanern angegriffen wird – als Folge treten die bis dahin offiziell neutralen USA nun auch in den Zweiten Weltkrieg ein. Dem erfahrenen Admiral Nimitz (Woody Harrelson, "Three Billboards …") wird das Kommando über die schwer getroffene Pazifikflotte verliehen, in Zusammenarbeit mit dem Nachrichtenoffizier Edwin Layton (Patrick Wilson, "Insidious") – der vor dem japanischen Angriff gewarnt hatte, aber von Nimitz' Vorgänger ignoriert worden war – soll er fortan die weiteren Angriffspläne der Japaner vorhersehen und im Idealfall vereiteln. Nach einigen Scharmützeln auf hoher See ist Layton aufgrund abgefangener, wenn auch codierter Nachrichten überzeugt, daß die Japaner als nächstes den US-Vorposten auf den Midwayinseln attackieren werden. Nimitz stellt ihnen dort eine Falle und so werden die zahlenmäßig und technisch überlegenen Japaner von allem erwartet, was die Amerikaner auf die Schnelle zusammentreiben können – besonders entscheidend wird der Einsatz der Kampfpiloten von der U.S.S. Enterprise, die von Lieutenant Commander Wade McClusky (Luke Evans, "Die Schöne und das Biest") und Lieutenant Dick Best (Ed Skrein, "Deadpool") angeführt werden …

Kritik:
Für mein Buch über "Die Darstellung des Krieges im US-amerikanischen Spielfilm" habe ich so ziemlich jeden auch nur ansatzweise bedeutenden US-(Anti-)Kriegsfilm seit 1960 gesehen und analysiert, zudem viele aus der Zeit davor. Seitdem habe ich wenig überraschend ein gewisses Faible für das Genre und bin immer gespannt, wie sich neue Vertreter historisch und qualitativ einordnen lassen. Für den schwäbischen Hollywood-Regisseur Roland Emmerich ist "Midway" der zweite Kriegsfilm nach dem während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges im 18. Jahrhundert spielenden "Der Patriot" (der in meinem Buch kaum eine Rolle spielt, da ich mich darin auf die Kriege des 20. Jahrhunderts konzentriere) – die beiden "Independence Day"-Filme gehören zwar streng genommen auch zum Genre, handeln aber bekanntlich nicht von einem tatsächlichen historischen Konflikt. Emmerichs Inspirationsquellen dürften sich in erster Linie in den 1960er und 1970er Jahren finden, als der Zweite Weltkrieg lang genug in der Vergangenheit lag und zudem vom neuen "Kalten Krieg" überschattet wurde, sodaß sich Hollywood auf eine zunehmend realistische und ausgewogene Darstellung der Geschehnisse einlassen konnte. In Werken wie den die europäischen Kriegsschauplätze beleuchtenden "Der längste Tag" (1962) und "Die Brücke von Arnheim" (1977) sowie dem im Pazifikraum spielenden "Tora! Tora! Tora!" (1970) wurden die Ereignisse von mehreren Seiten beleuchtet, wobei teilweise sogar mehrere Regisseure für den Dreh der Szenen der jeweiligen Kriegsparteien (in erster Linie die USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Japan) engagiert und diese – was für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich war – in der passenden Landessprache gedreht und für das Publikum untertitelt wurden. Emmerich hat sich für seinen Film keinen japanischen Koregisseur geholt, setzt aber ebenfalls auf eine annähernd gleichberechtigte japanische Perspektive und verzichtet weitestgehend auf die in den ersten Jahrzehnten nach Kriegsende übliche Dämonisierung der Japaner. Ganz ohne Patriotismus und vor allem Pathos kommt er zwar nicht aus, doch die Befürchtungen, welche der dümmlich-pathetische deutsche Untertitel "Für die Freiheit" weckt, erweisen sich zum Glück als grundlos.

Zu Beginn wird dem Publikum per Texteinblendung versichert, alles, was in "Midway" gezeigt werde, sei tatsächlich so passiert. Das entspricht in den Details wahrscheinlich nicht ganz der Wahrheit, aber im Großen und Ganzen hält sich Emmerich in der Tat eng an die historischen Geschehnisse, anders als etwa Jack Smights "Schlacht um Midway" von 1976 setzen er und Drehbuch-Autor Wes Tooke (TV-Serie "Colony") auch nicht auf fiktive Hauptfiguren, stattdessen sind diese allesamt historisch verbürgte Personen. In dramaturgischer Hinsicht ist dies nicht immer unproblematisch, da nur wenige Figuren wirklich mit Leben erfüllt werden können, zumal das Ensemble sehr groß ist. Daß sich der Film (anders als "Schlacht um Midway") nicht auf die titelgebende Schlacht beschränkt – die nimmt erst nach ungefähr 80 Minuten ihren Lauf –, sondern zuvor auch noch den Angriff auf Pearl Harbor und dessen Nachwehen schildert, läßt noch weniger Raum für engagierte Figurenzeichnung. Im Grunde genommen ist Dick Best, der zunächst als draufgängerischer, überheblicher Cowboy wie eine fragwürdige Identifikationsfigur erscheint, aber in den annähernd zweieinhalb Stunden eine deutliche, glaubwürdig dargestellte Wandlung durchläuft, die einzige Person, zu der das Publikum eine nennenswerte emotionale Verbindung aufbauen kann. Fast alle anderen bleiben letztlich Schablonen, weshalb es hilfreich ist, daß Emmerich die US-Rollen mit markanten Schauspielern wie Woody Harrelson, Dennis Quaid, Patrick Wilson, Luke Evans, Aaron Eckhart oder den Jungstars Nick Jonas ("Jumanji 2"), Alexander Ludwig (TV-Serie "Vikings") und Darren Criss (TV-Serie "American Crime Story") besetzt hat. Frauen spielen dagegen wie in so vielen Kriegsfilmen nicht wirklich eine Rolle, die Einbindung der Gattinnen von Best (Mandy Moore, "American Dreamz") und Layton (Rachael Perrell Fosket) in die Handlung wirkt sehr alibihaft. Das Staraufgebot von "Der längste Tag" oder "Die Brücke von Arnheim", in denen sich die Topstars ihrer Zeit die Klinke in die Hand gaben, erreicht "Midway" nicht, trotzdem zählt die Besetzung fraglos zu den Stärken des Films.

Daß man spektakuläre Action sehr wohl mit einer qualitativ ansprechenden Handlung und einer sorgfältigen Figurenzeichnung verbinden kann, hat allen voran Christopher Nolan mit "Dunkirk" bewiesen, der "Midway" insgesamt meilenweit überlegen ist. Aber seien wir ehrlich: Von dem Regisseur von "Independence Day" und "The Day After Tomorrow" dürfte sowieso niemand ein OSCAR-verdächtiges Werk mit Tiefgang erwarten, sondern eher ein spannendes und rasantes Actiongewitter. Und das liefert Roland Emmerich mit gewohnter Zuverlässigkeit ab. Sowohl die Flugkampf- als auch die Schiffskampfszenen sind von Kameramann Robby Baumgartner ("Die Tribute von Panem") aufregend und (besonders bei den Sturzkampfbomber-Angriffen) immersiv gefilmt, man ist jederzeit ganz nah dran am Geschehen – auch wenn die temporeiche Musik von Emmerichs Stammkomponisten Harald Kloser und Thomas Wanker mitunter etwas dick in Sachen Pathos aufträgt. Wobei das ganz allgemein für "Midway" gilt, aber das wird bei einem Emmerich-Film ebenfalls niemanden überraschen und ein bißchen Pathos ist bei einem Action-Kriegsfilm ja auch erlaubt. Das gilt umso mehr, als Emmerich sich dafür beim Patriotismus einigermaßen zurückhält und, wie bereits erwähnt, die Japaner erfreulich gleichwertig gestaltet. Zwar spielen sie keine so große Rolle wie die Amerikaner, weil sich die japanischen Szenen überwiegend auf die Befehlshaber – allen voran Admiral Yamamoto (Etsushi Toyokawa, "Krieg der Dämonen") und Konteradmiral Tamon (Tadanobu Asano, "Der Mongole") – konzentrieren und die einfachen Truppen nur am Rande beachten. Von der früher gewohnten Dämonisierung ist jedoch fast keine Spur zu finden; lediglich einige Szenen mit dem auf dem von den Japanern besetzten chinesischen Festland notgelandeten Lt. Col. Doolittle (Aaron Eckhart, "Olympus Has Fallen") wirken wie Fremdkörper und so, als wären sie lediglich eingefügt worden, um die chinesischen Geldgeber des Films zufriedenzustellen. Jedoch: Betrachtet man die historischen Ereignisse, ist es sehr wohl gerechtfertigt, diese zu erwähnen, auch wenn es gerne weniger plakativ hätte geschehen dürfen. Bei aller politischen Ausgewogenheit muß zudem eines klar festgehalten werden: "Midway" ist von einem Anti-Kriegsfilm in etwa so weit entfernt wie Steven Seagal von einem OSCAR. Die Konsequenzen der Kriegshandlungen für die Soldaten und ihre Angehörigen werden zwar wiederholt betont und durchaus eindringlich gezeigt, ein klassisches "Krieg ist die Hölle!"-Gefühl kommt aber niemals auf, stattdessen überwiegt – leicht überspitzt formuliert – der Eindruck, der Krieg sei ein großer Abenteuerspielplatz für echte Helden und solche, die gerne welche wären. Das ist zumindest besser als platte Propaganda, wie man sie in den letzten Jahren aus Hollywood wieder öfter vorgesetzt bekam (siehe "American Sniper"), und selbstredend ist es nicht verboten, sich gelegentlich auch von einem anspruchslosen, aber handwerklich stark gemachten Action-Kriegsfilm unterhalten zu lassen; gleichzeitig kann man sehr wohl darüber diskutieren, ob das gerade in einer Zeit, in der weltweit der Nationalismus wieder zunimmt, wirklich die beste Herangehensweise ist. Letzten Endes muß das jeder mit sich selbst ausmachen, mir hat "Midway" jedenfalls trotz seiner nicht unerheblichen Mängel erstaunlich viel Freude bereitet.

Fazit: "Midway – Für die Freiheit" ist ein inhaltlich wenig anspruchsvoller, jedoch handwerklich umso überzeugenderer, namhaft besetzter Action-Kriegsfilm, der glücklicherweise weitgehend auf Propagandaelemente verzichtet.

Wertung: Gut 6,5 Punkte.


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