Darsteller: Saoirse Ronan, Emory Cohen, Domhnall Gleeson,
Julie Walters, Jim Broadbent, Nora-Jane Noone,
Jane Brennan, Fiona Glascott, Maeve McGrath, Eva Birthistle, Emily Bett Rickards, Eve Macklin, Samantha
Munro, Jenn Murray, Mary O'Driscoll, Brid Brennan, Jessica Paré
Irland, 1952: Da es im von ärmlichen Verhältnissen geprägten
Irland kaum Zukunftsaussichten für die jüngeren Generationen gibt, verschafft die fürsorgliche Mittdreißigerin
Rose Lacey (Fiona Glascott, "Resident Evil") ihrer kleinen Schwester Eilis (Saoirse Ronan,
"Violet & Daisy") über die Kirche eine Anstellung als Verkäuferin in New York. Eilis (das wird übrigens "Äy-lihsch" ausgesprochen) verläßt Heimat und Familie mit sehr zwiespältigen Gefühlen, da sie einerseits
natürlich alles zurückläßt, was sie kennt und liebt, andererseits aber nur so
die Chance sieht, ihre beruflichen und auch privaten Ziele zu erreichen. In den
USA angekommen und mit einigen anderen irischen Mädchen und Frauen in der Pension der
zwar resoluten, aber gutherzigen Ms. Kehoe (Julie Walters, die Mrs. Weasley in den "Harry Potter"-Filmen) einquartiert, wird Eilis
schnell von schrecklichem Heimweh gequält und hat erhebliche
Anpassungsschwierigkeiten an die amerikanische Lebensart. Erst als ihr der mit
ihrer Schwester befreundete Father Flood (Jim Broadbent, "Cloud Atlas") ein Abendstudium ermöglicht und sie den charmanten Klempner
Anthony (Emory Cohen, "The Gambler") kennenlernt, scheint sie doch
ihr Glück zu finden. Dann erreicht sie aber eine traurige Nachricht aus der Heimat,
die sie veranlaßt, den langen Rückweg nach Irland anzutreten. Nicht nur Anthony
fragt sich: Wird es nur ein vorübergehender Aufenthalt? Wird sie in das neue
Leben, das sie sich in Brooklyn aufgebaut hat, zurückkehren?
Kritik:
Als der irische Regisseur John Crowley ("Boy A") seine
Verfilmung eines Romans von Colm Tóibín in Angriff nahm, konnte er kaum ahnen,
wie aktuell die Thematik der immerhin sechs Jahrzehnte in der Vergangenheit
spielenden Geschichte bei der Veröffentlichung des Films sein würde. Denn Eilis ist
wie Millionen Landsleute, die vor allem im 19. und frühen 20. Jahrhundert in
die USA emigrierten, jemand, der aus der Perspektivlosigkeit der Heimat in ein anderes Land, einen anderen Kontinent gar, auswandert, um dort das Glück zu suchen – etwas, das heute (meist abschätzig) als
"Wirtschaftsflüchtling" bezeichnet wird. Natürlich ist ihre Situation
dennoch verschieden von der heutiger in Europa Asylsuchender aus Syrien, Afghanistan
oder (besagte "Wirtschaftsflüchtlinge") dem Balkan, da Eilis sich in
ihrer neuen Heimat weder an eine neue Sprache noch an ein deutlich anderes
religiös-gesellschaftliches Umfeld gewöhnen muß. Daß sie trotz dieser Vorteile
anfangs so schrecklich leidet unter der Trennung von ihrer Familie (die sie,
wie heutige Flüchtlinge aus einem anderen Kontinent, auch nicht einfach mal
kurz mit dem Flugzeug übers Wochenende besuchen kann), ist aber ein
universelles Problem, das eigentlich jeder nachfühlen können sollte, der über
ein Mindestmaß an Empathie verfügt. Insofern hat John Crowley mit seinem Film
ein hochaktuelles Einwandererdrama geschaffen, jedoch ist das natürlich nur ein
Element von "Brooklyn", der ebenfalls eine im besten Sinne altmodische
Edelromanze ist wie auch ein einfühlsam erzählter Coming of Age-Film.
Die beiden größten Stärken von "Brooklyn" sind
die Hauptdarstellerin Saoirse Ronan und das Drehbuch von Bestseller-Autor Nick Hornby
("High Fidelity") – die passenderweise beide
für einen OSCAR nominiert wurden (eine dritte Nominierung ging an den Film selbst). Crowley
ist sich dieser Stärken bewußt und bringt sie glänzend zur Geltung. So läßt Kameramann Yves Bélanger ("Dallas Buyers Club") sein
Arbeitsgerät das in Freude wie Trauer oder Sehnsucht so ausdrucksstarke Gesicht
Ronans regelrecht liebkosen, immer wieder richtet sich der Blick der Kamera –
und damit der des Zuschauers – sekundenlang nur darauf und vergißt das ganze
Drumherum. Diese selbstvergessene Zeitlosigkeit kennzeichnet den gesamten Film:
Crowley läßt sich nicht hetzen, stattdessen entfaltet er die erfrischend
unspektakuläre Handlung mit viel Augenmaß und Sinn für Details, wobei natürlich auch
Hornbys Drehbuch ins Spiel kommt. Das verknüpft mit der für Hornby so typischen
Leichtigkeit ernste und humorvolle Elemente virtuos zu einem funktionierenden
Gesamtkunstwerk und begeistert dabei mit amüsanten Dialogen und sympathischen Charakteren. Vor
allem das Zusammenspiel zwischen der mit einem wunderbar trockenen Humor
ausgestatten Ms. Kehoe und einigen fröhlich-albernen Mitbewohnerinnen von Eilis
sorgt für beste Stimmung. Aber auch in den romantischen Momenten findet Hornby
stets genau die richtigen Worte, die er Eilis und Tony in den Mund legt und die die
zarte Annäherung zwischen den beiden ebenso glaubwürdig wie unterhaltsam machen
– das natürlich stets im Zusammenspiel mit der hervorragenden schauspielerischen
Darbietung von Saoirse Ronan wie auch dem Newcomer Emory Cohen, die zusammen
ein so harmonisches Liebespaar abgeben, daß man von Herzen gerne zusieht.
So nimmt die Story ihren Lauf und man fühlt sich
bestens unterhalten … bis es zu besagter trauriger Nachricht aus der Heimat
kommt, die Eilis und das Publikum aus ihrem gerade erst gefundenen Glück
herausreißt. Ich will natürlich nicht zu viel verraten, aber angesichts der Umstände
verschweigt Eilis in Irland ihre Beziehung und freundet sich während ihres
anfänglich für einen Monat vorgesehenen Aufenthalts mit Jim Farrell (Domhnall
Gleeson, "Alles eine Frage der Zeit") an, der nicht minder nett und
charmant ist als Tony. Dieser Teil der Geschichte sorgt dafür, daß sich
"Brooklyn" von einem bis dahin (trotz der dramatischen Untertöne)
klassischen Feelgood-Movie eher in die Drama-Richtung bewegt. Erfreulich ist
dabei, daß es hier keinerlei Schwarzweiß-Malerei gibt (selbst die mit Abstand
unsympathischste Figur hilft Eilis letztlich entscheidend, wenn auch ungewollt),
sondern sich alles sehr authentisch und nachvollziehbar entwickelt. Unglücklicherweise
wirkt die sich anbahnende Beziehung zwischen Eilis und Jim wegen
der fehlenden Alleinstellungsmerkmale aber wie eine kürzere Wiederholung der ersten
Filmhälfte; außerdem macht Eilis ihr Verhalten natürlich nicht unbedingt
sympathischer, auch wenn Crowley und Hornby das in ihrer Inszenierung erkennbar ein wenig überspielen wollen. Selbstverständlich wird Eilis nicht zum Bösewicht, weil sie sich zu zwei Männern gleichzeitig sehr
hingezogen fühlt, vielmehr wird das klar als ein (entscheidender) Teil des
Prozesses ihres Erwachsenwerdens geschildert – ein Thema, das Hornby in vielen
seiner Werke behandelt, darunter dem Drehbuch zu Lone Scherfigs in den 1960er
Jahren spielendem "An Education". Dennoch ist Eilis' Verhalten, wenn
man sich die Mühe macht, es zu hinterfragen, alles andere als vorbildlich. Ich
will das gar nicht mal als Kritikpunkt am Film anführen, denn Sinn ergibt das alles
sehr wohl und wahrscheinlich macht sogar gerade dieser Handlungsstrang, dieser
gewisse Bruch in Eilis' Lebensweg "Brooklyn" zu etwas
Besonderem; es ist gewissermaßen so, daß die Realität in der zweiten
Filmhälfte das bis dahin Märchenhafte einholt. Mir gefallen die
märchenhaften New York-Sequenzen schlicht und ergreifend etwas besser.
Nicht unerwähnt bleiben soll zu guter Letzt, wie gut es
"Brooklyn" gelingt, das Irland, vor allem aber das New York der
1950er Jahre einzufangen. Ähnlich wie Todd Haynes' zur gleichen Zeit ebenfalls
in New York spielender und "Brooklyn" auch in den Coming of Age-Aspekten nicht ganz
unähnlicher "Carol" gelingt John Crowley und seinem Team mit detailgetreuer
Ausstattung und prächtigen Kostümen (storybedingt aber natürlich weniger
prächtig als in "Carol", dessen Titelfigur ja wohlhabend ist)
ein authentisch wirkender Ausflug in eine andere, vergleichsweise entschleunigte Zeit. Interessant und
amüsant sind dabei vor allem die Unterschiede zwischen den USA und Irland, die
speziell nach Eilis' Rückkehr in die alte Heimat deutlich zu Tage treten und
gleichzeitig dazu dienen, ihre persönliche Entwicklung vom schüchternen irischen Mädchen
zur selbstbewußten jungen Frau zu unterstreichen. Und damit schließt sich auch
der Kreis innerhalb dieser Rezension, denn wo ich mit großem Lob für Saoirse
Ronan begann, kann und will ich es mir zum Abschluß nicht nehmen lassen, noch
einmal zu betonen, welch großartige Schauspielerin die gebürtige (aber
irischstämmige) New Yorkerin ist, die mit ihren 21 Jahren bereits zum zweiten
Mal (nach "Abbitte") für den OSCAR nominiert ist. Und das wird garantiert nicht das letzte Mal
gewesen sein.
Fazit: "Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei
Welten" ist eine betont altmodisch inszenierte Edelromanze mit einem ernsten,
immer noch aktuellen Hintergrund, die sich viel Zeit für das Erzählen ihrer
lebensnahen Geschichte nimmt und mit einem glänzenden Schauspielensemble
aufwartet, aus dem Hauptdarstellerin Saoirse Ronan noch herausragt.
Wertung: 8,5 Punkte.
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