Nach der Weihnachtspause geht die Awards Season nun schwungvoll in die zweite Hälfte, nachdem der Aufgalopp im Dezember ein bislang ausgesprochen offenes Rennen offenbart hat, in dem der Journalisten-Thriller "Spotlight" sich eine leichte Favoritenposition erarbeiten (bzw. bewahren) konnte. Eröffnet wurde die Saison ja wie stets mit den Nominierungen für die traditionsreichen NBR Awards, deren Preisträger vorgestern bekanntgegeben wurden. Hier die wichtigsten Kategorien:
Bester Film: "Mad Max: Fury Road"
Regie: Sir Ridley Scott, "Der Marsianer"
Hauptdarsteller: Matt Damon, "Der Marsianer"
Hauptdarstellerin: Brie Larson, "Room"
Nebendarsteller: Sylvester Stallone, "Creed"
Nebendarstellerin: Jennifer Jason Leigh, "The Hateful 8"
Originaldrehbuch: Quentin Tarantino, "The Hateful 8"
Adaptiertes Drehbuch: Drew Goddard, "Der Marsianer"
Animationsfilm: "Alles steht Kopf"
Fremdsprachiger Film: "Son of Saul", Ungarn
Dokumentarfilm: "Amy"
Ensemble: "The Big Short"
Alle Gewinner gibt es auf der NBR-Homepage nachzulesen.
Tja, da habe ich eingangs die Favoritenstellung von "Spotlight" erwähnt und schon geht er bei den NBR Awards komplett leer aus. Stattdessen dominieren die Genrefilme so deutlich wie vielleicht nie zuvor: Der Endzeitfilm "Mad Max: Fury Road" gewinnt den Hauptpreis (sonst aber interessanterweise nichts), das Weltraum-Abenteuer "Der Marsianer" holt sich mit drei die meisten Auszeichnungen, dazu schneidet auch der Schneewestern "The Hateful 8" mit zwei Preisen gut ab (zur Erinnerung: "Star Wars" stand nicht zur Auswahl, da er den Juroren nicht rechtzeitig gezeigt wurde). Mit der zuletzt recht stark aufkommenden Wirtschaftssatire "The Big Short" konnte sich eigentlich nur ein von der Thematik her eher traditioneller "OSCAR-Film" durchsetzen; und das in einer Kategorie, die es bei den Academy Awards gar nicht gibt. Hinsichtlich der OSCARs gibt es (bis auf die beiden "No Brainer"-Kategorien Animationsfilm und Fremdsprachiger Film) mit Hauptdarstellerin Brie Larson nur einen klaren Favoritensieg, wenngleich man sagen muß, daß auch Ridley Scott in der Regiesparte mittlerweile relativ klar in Führung zu liegen scheint.
Für eine weitere Zuspitzung der Lage sorgen die Gilden. Aufgrund hoher Überschneidungen der Mitglieder der einzelnen Sparten mit den Academy-Mitgliedern sind die Gildenauszeichnungen stets ein verläßlicher Gradmesser, doch dieses Mal scheint auch diese scheinbare Gewißheit fraglich, so offen ist das Rennen. Die wichtigsten Gilden sind die der Schauspieler, die der Produzenten und die der Regisseure. Während die Schauspieler ihre Nominierungen bereits vor Weihnachten bekanntgaben und die Regisseure erst nächste Woche dran sind, sorgten die Produzenten diese Woche für einige Überraschungen. Zur Einordnung: Normalerweise werden von den zehn "Bester Produzent"-Nominierungen bei den PGA Awards sechs oder sieben auch bei den OSCARs in der Kategorie "Bester Film" nominiert (wo es ja nur "bis zu" 10 Plätze gibt, bisher waren es letztlich stets acht oder neun), wer es also nicht auf die PGA-Liste schafft, dessen OSCAR-Aussichten verringern sich ganz erheblich. Folglich gab es bei der Verkündung der zehn Auserwählten mit Sicherheit einige schockierte Gesichter in den Studios (aber auch einige Jubelschreie).
Hier sind die zur Auswahl stehenden zehn Werke:
- The Big Short
- Brooklyn
- The Revenant
- Sicario
- Spotlight
- Straight Outta Compton
In der Liste fehlen mit "Star Wars Episode VII", Todd Haynes' "Carol" und Lenny Abrahamsons "Room" gleich drei Filme, die fest erwartet wurden, überraschend berücksichtigt wurden dafür "Sicario" und "Ex Machina". Bei "Star Wars" kann es noch mit der langen Geheimhaltung zusammenhängen, denn eigentlich galt eine Nominierung als sicher. Bei den anderen beiden kann einem dagegen der Verdacht kommen, daß sie schlicht zu sehr gegen die Vorlieben der (von Kritikern gerne und faktisch nicht mal unkorrekt als "old white men" zusammengefaßten) Produzenten verstoßen: "Room" als kleiner Low Budget-Film (wobei ja eigentlich gerade bei einem so niedrigen Budget die Leistung des oder der Produzenten umso größer sein müßte, wenn tatsächlich ein gefeiertes Werk dabei herauskommt), die lesbische Romanze "Carol" wegen der Thematik. Vielleicht haben den Stimmberechtigten aber auch einfach andere Filme besser gefallen, die Auswahl an würdigen Kandidaten war 2015 ja wahrlich groß genug (zumal die Nennung des HipHop-Biopics "Straight Outta Compton" die Theorie schon ein Stück weit entkräftet). So kann ich auch nur begrüßen, daß es mit "Ex Machina" und vor allem "Sicario" zwei meiner absoluten Lieblingsfilme des Jahres in die Top 10 geschafft haben. Bei "Sicario" ist das keine komplette Sensation, da er in der Awards Season bereits ein paar entsprechende Nominierungen erhielt (z.B. bei den NBR Awards), bei "Ex Machina" dagegen hatte (abseits der technischen Kategorien) kaum jemand mehr als eine Drehbuch-Nominierung und vielleicht noch eine in der Nebendarstellerinnen-Kategorie für Alicia Vikander erwartet. Abbitte leisten muß ich wohl auch bei "Straight Outta Compton", denn viele hatten F. Gary Grays Film als ernsthaften Kandidaten für die "Best Picture"-Kategorie bei den OSCARs auf der Rechnung, auch wenn das dann eventuell die einzige Nominierung bleiben würde. Ich hielt diese Theorie trotz einiger Bestätigungen bei frühen Preisverleihungen der Saison für arg weit hergeholt, aber die Produzenten zeigen, daß es sich tatsächlich um eine sehr realistische Möglichkeit handelt.
Alle Gewinner (auch aus dem TV-Bereich) gibt es auf der PGA-Homepage.
Bleiben zum guten Schluß noch die Nominierungen der Autoren-Gilde WGA. Die sind zwar weit weniger aussagekräftig als andere Gildennominierungen, da aufgrund strenger Regularien jedes Jahr mehrere preisverdächtige Drehbücher im Vorfeld disqualifiziert werden (dieses Mal sind es besonders viele, darunter "Alles steht Kopf", "The Hateful 8", "Ex Machina", "Brooklyn", "Anomalisa", "Mad Max" und "Room"), aber natürlich trotzdem ein interessanter Fingerzeig gerade hinsichtlich der Zusammensetzung der "zweiten Reihe", die noch eine kleine Chance auf eine OSCAR-Nominierung hat.
Originaldrehbuch:
- Bridge of Spies
- Sicario
- Spotlight
- Straight Outta Compton
- Trainwreck
Größte Überraschung ist "Straight Outta Compton", was im Doppel mit der PGA-Nominierung die OSCAR-Chancen des Films weiter erhöht. Sehr erfreulich finde ich auch hier die Nennung von "Sicario", zumal das wagemutige Debüt-Drehbuch von Taylor Sheridan wirklich das Herz dieses großartigen Thrillers ist. Von den disqualifizierten Drehbüchern haben "Alles steht Kopf", "The Hateful 8" und "Ex Machina" die besten Aussichten.
Adaptiertes Drehbuch:
- The Big Short
- Carol
- Der Marsianer
- Trumbo
Erneut wurden mit "Anomalisa", "Brooklyn" und "Room" drei chancenreiche OSCAR-Anwärter disqualifiziert. Das sorgt immerhin für etwas Trost für "Carol", dessen Nominierung die große PGA-Enttäuschung zumindest ansatzweise kompensiert und zeigt, daß der Film noch nicht komplett raus aus dem Rennen ist.
Auch hier gibt es natürlich die komplette Liste auf der WGA-Homepage.
Kleine Vorschau: Am Sonntag steht in die Verleihung der Golden Globes an, nächste Woche gibt es dann (wie erwähnt) die Nominierungen der Regisseursgilde DGA und am Donnerstag auch schon die OSCAR-Nominierungen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen