Regie: Steven Spielberg, Drehbuch: Matt
Charman und Joel und Ethan Coen, Musik: Thomas Newman
Darsteller: Tom Hanks, Mark Rylance, Scott Shepherd, Austin
Stowell, Amy Ryan, Sebastian Koch, Alan Alda, Billy Magnussen, Michael Gaston,
Jesse Plemons, Michail Gorewoi, Peter McRobbie, Will Rogers, Burghart Klaußner,
Dakin Matthews, Eve Hewson, Max Mauff
FSK: 12, Dauer: 142 Minuten.
Im Jahr 1957 ist der Kalte Krieg zwischen den USA und der
Sowjetunion in vollem Gange. Die Angst vor einem alles vernichtenden Atomkrieg
ist beiderseits groß, in den USA werden den Kindern in der Schule Videos über
die "richtige" (rückblickend selbstverständlich völlig sinnlose)
Verhaltensweise im Fall eines Atombombenabwurfs gezeigt. Als in dieser – auch
wenn es im "Kalten Krieg" paradox klingt – aufgeheizten Atmosphäre der
russische Spion Rudolf Abel (OSCAR für Mark Rylance, "Anonymus") verhaftet wird, ist die öffentliche
Hysterie groß. Nicht weniger als die Todesstrafe darf es für diesen Mann trotz
dünner Beweislage geben. Das sehen auch die Behörden so, doch um den Anschein
eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu wahren, soll der erfahrene
Versicherungsanwalt James B. Donovan (Tom Hanks, "Captain Phillips")
– der einst an den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen beteiligt war – Rudolf Abel
verteidigen. Nach anfänglichem Zögern willigt er ein und macht dann seinen Job richtig gut. Zwar wird er so zum
zweitverhasstesten Menschen in Amerika und sogar seine Frau Mary (Amy Ryan,
"Gone Baby Gone") und die Kinder werden zur Zielscheibe; doch Donovan
glaubt an die Verfassung und jene aufgeklärten demokratischen Werte, für die
sie steht. So gelingt es ihm tatsächlich, den Richter zu überzeugen, "nur" eine langjährige Haftstrafe zu verhängen. Als wenige Jahre
später der amerikanische Spionagepilot Francis Gary Powers (Austin Stowell, "Whiplash")
über sowjetischem Gebiet abgeschossen wird und in Gefangenschaft gerät, soll er
gegen Rudolf Abel ausgetauscht werden – und Donovan soll in Ost-Berlin dafür sorgen, daß
die schwierigen Verhandlungen mit der Sowjetunion und der DDR einen glücklichen
Abschluß finden …
Kritik:
Wer mein Blog schon seit längerer Zeit liest, weiß, daß ich absolut
nichts gegen actionreiche Spionagethriller á la "Mission: Impossible", Jason Bourne oder James Bond habe. Doch meine wahre
Leidenschaft innerhalb dieses kleinen, aber feinen Subgenres gehört den auf den
ersten Blick unspektalulären, dialogstarken und intellektuell fordernden
Werken, wie sie vor allem der britische Ex-Spion und Bestseller-Autor John Le
Carré seit Jahrzehnten fabriziert. In letzter Zeit schreibt er zwar meistens
Storys, die in der Gegenwart stattfinden (zuletzt adaptierte Anton Corbijn
"A Most Wanted Man"), aber die besten Spionage-Geschichten spielen
meiner Ansicht nach stets zur Zeit des Kalten Krieges, als es noch mehr auf die
Männer und Frauen ankam als auf moderne Spionagetechnik – "Der Spion, der aus
der Kälte kam" und "Dame, König, As, Spion" sind
großartige Beispiele dafür. Steven Spielbergs eine (weitgehend) wahre Geschichte nacherzählender "Bridge of Spies" geht deutlich in diese Richtung und
verzichtet fast völlig auf Actionsequenzen, an die Qualität der genannten Le
Carré-Adaptionen (auch die BBC hat einige hervorragende fabriziert) reicht er
allerdings nicht heran.
Das liegt vor allem daran, daß Spielberg gleich zwei Genres in
einen Film preßt: Die erste Hälfte ist ein klassisches Justizdrama, die zweite ein
– im herbstlichen Berlin spielender – Spionagethriller. Beide Hälften machen
Laune, gehen aber mangels Zeit nicht genügend in die Tiefe. Das ist vor allem beim Justizdrama-Teil sehr bedauerlich, da aus Donovans juristischem Feldzug im
Sinne der amerikanischen Prinzipien gegen die Willkür derer, die einem
russischen Spion den fairen Prozeß verweigern wollen, noch viel mehr hätte
herausgeholt werden können. Für die zweite Filmhälfte gilt das nur bedingt,
denn im Kern sind Donovans Verhandlungen mit den Sowjets und der DDR über
den Gefangenenaustausch simpler als es der Film weismachen will (und vor
allem bei weitem nicht so komplex wie die genannten Le Carré-Romane). Doch es
handelt sich nunmal um eine wahre Geschichte, und zwar um eine ziemlich
bemerkenswerte – da ist es natürlich nachvollziehbar, daß Spielberg und die
Autoren (darunter die Coen-Brüder, deren Handschrift speziell bei Abels herrlich
lakonischen Sätzen unverkennbar ist) möglichst viel davon zeigen
wollen. Dennoch bleibt ein gewisses Gefühl der Halbherzigkeit zurück, zumal die
zweite Filmhälfte die große Wichtigkeit der ersten ein wenig unterminiert.
Andererseits sind die in treffend zwielichtigen Grautönen gefilmten Berlin-Sequenzen
dafür deutlich cineastischer inszeniert mit vielen atmosphärischen,
penibel choreographierten Kamerafahrten von Spielbergs Stamm-Kameramann Janusz
Kamiński ("Schindlers Liste").
Doch Spielbergs großes Vorbild für diesen Film ist nicht
etwa John Le Carré, sondern Frank Capra. Der ist heute außerhalb Amerikas
(abseits seines Weihnachtsklassikers "Ist das Leben nicht schön?") leider
ein wenig in Vergessenheit geraten, zählt aber zu den besten
Regisseuren aller Zeiten. Und seine größte Stärke waren die "Inspirational
Movies", in denen er an die in der Tat verteidigenswerten Prinzipien und an
das Potential der amerikanischen Nation appelliert und das mit nachahmenswerten
positiven Beispielen durch die Filmhelden effektvoll unterfüttert. Bei
zwei Filmen (neben "Ist das Leben nicht schön?") gelang ihm das besonders gut: "Mr. Deeds geht in die
Stadt" und "Mr. Smith geht nach Washington". In "Mr. Deeds
geht in die Stadt" nimmt Capra die Wirtschaft und die Banken aufs Korn, in "Mr.
Smith geht nach Washington" die große Politik. In beiden Fällen ist es James
Stewart, der den prinzipienfesten Protagonisten verkörpert; eine ideale
Besetzung, da der sympathische Stewart zeitlebens als "All-American"
galt, den quer durch die Bildungs- und Bevölkerungsschichten alle bewunderten
oder zumindest mochten. So gesehen war Tom Hanks die einzig richtige Wahl für
Steven Spielberg, um Capras Erfolgsformel nachzueifern, denn auch Hanks zählt
zu den beliebtesten und respektiertesten Schauspielern überhaupt. Und wie einst
James Stewart schafft es Hanks scheinbar spielerisch, einen Mann glaubhaft und
überzeugend zu verkörpern, der in seinem unbeirrbaren Glauben an Recht, Gerechtigkeit und
Moral beinahe naiv wirkt – was aber eigentlich nur zeigt, wie kaputt die restliche
Welt um ihn herum ist. Wobei ich die Ironie nicht verschweigen will, daß Hanks
diese Wirkung ausgerechnet in der Rolle eines Versicherungsanwalts erzielt, was ja nun nicht
unbedingt die beliebteste aller Professionen ist …
Man mag einwenden, daß seit den Geschehnissen von
"Bridge of Spies" mehr als ein halbes Jahrhundert vergangen ist und sich in der Zwischenzeit
viel verändert hat; bedauerlicherweise sind Donovans aufrüttelnde und
stark argumentierte Plädoyers heute jedoch aktueller denn je – was Spielberg sehr
offensichtlich stets im Hinterkopf hatte. Denn in einer Zeit, in der nicht nur
in den USA und in Rußland, sondern auch im restlichen Europa, in Japan oder in
Australien der Nationalismus wieder immer stärker überhand nimmt, in der
amerikanische Präsidenschafts-Anwärter verbal kräftig aufrüsten und
Geheimdienste sowie Politiker nahezu jeglicher Couleur angesichts aktueller
(lange vorhersehbarer) Krisensituationen Gesetze und sogar Grundrechte
umgehen oder gleich komplett abschaffen wollen, da tut es einfach gut, wenn mal
jemand daran erinnert, was wirklich wichtig ist. Und es kann nicht überraschen,
daß dieser jemand Steven Spielberg ist. Umso bedauerlicher, daß
ausgerechnet "Bridge of Spies" Spielbergs
in kommerzieller Hinsicht am wenigsten erfolgreiches Werk seit vielen Jahren ist.
Um von diesen eher grundsätzlichen Erwägungen zurück
zu dem konkret im Film Gezeigten zu kommen: Obwohl "Bridge of Spies"
also in zwei deutlich unterschiedliche Hälften unterteilt ist, gibt es noch
mehr Handlungsstränge. Vor allem in der ersten Hälfte wird parallel zum Prozeß
gegen Rudolf Abel die Ausbildung von Francis Gary Powers zum Piloten des hochmodernen
Spionageflugzeugs U-2 gezeigt. Das sorgt für ein wenig inhaltliche Abwechslung,
man erkennt aber schnell, daß es tatsächlich nicht viel mehr als Beiwerk ist.
Inhaltlich ist diese Storyline eigentlich überflüssig, denn die Handlung würde
ebenso gut funktionieren, würde man Powers vor dem Gefangenenaustausch gar nicht zu Gesicht bekommen. Spielberg und die Drehbuch-Autoren nutzen
Powers' Erlebnisse allerdings geschickt, um wiederholt Parallelen zu Donovans
gleichzeitigen Erlebnissen in den USA respektive später in Berlin aufzuzeigen.
Wie gesagt: Inhaltlich bringt das nicht viel, formal ist es aber dafür so gekonnt
umgesetzt, wie man das von Spielberg und den Coen-Brüdern nicht anders erwartet; zumal
so auf (meist) subtile Weise das Publikum dazu angeregt wird,
verfestigte Meinungen zu hinterfragen und demokratische Werte nicht als
selbstverständlich hinzunehmen – denn das sind sie nicht, wie man in vielen
Teilen der Welt erleben kann und muß.
Dadurch, daß Donovan klar im Fokus der Geschichte steht
und durch den Schauplatzwechsel zur Filmmitte das ergänzende Ensemble annähernd vollständig ausgetauscht wird, erhalten die Nebenfiguren leider nur wenig Raum zur
Entfaltung. Außer Donovan gewinnt eigentlich nur noch Rudolf Abel echtes Profil, wobei es
eine lobenswert mutige Entscheidung der Filmemacher ist, den russischen Spion
zu einem echten Sympathieträger zu machen. Sein von dem britischen Theaterstar Mark Rylance wunderbar transportierter lakonischer,
schicksalsergebener Humor (Donovan: "Machen Sie sich keine
Sorgen?" – Abel: "Würde es helfen?") und sein kauziges, aber
stets aufrichtiges und loyales Verhalten sorgen nicht nur dafür, daß Donovan
ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zu ihm entwickelt, sondern ebenso
dafür, daß auch die Zuschauer viel Verständnis für diesen Mann haben – der ja
letztlich nur seinen Job erledigt hat und nicht jener Verräter ist, als den die
meisten Amerikaner ihn betrachten (denn als Nicht-Amerikaner kann er die
Amerikaner ja nicht verraten, sondern sie lediglich ausspionieren). Die
restliche Besetzung verkommt dagegen zur Randnotiz, was bei Könnern wie Alan
Alda (als Donovans Kanzleichef), Amy Ryan oder Sebastian Koch (als DDR-Anwalt
Vogel) bedauerlich ist. Doch das Zusammenspiel von Hanks und Rylance tröstet gut darüber hinweg.
Fazit: "Bridge of Spies" ist ein sehr solider
Hybrid aus Justizdrama und Spionagethriller, der mit viel Herz und Engagement sowie einem
gewohnt starken Tom Hanks die fehlende Komplexität der Handlung überspielt.
Wertung: 7,5 Punkte.
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