Regie: Sam
Mendes, Drehbuch: John Logan, Neal Purvis, Robert Wade und Jez Butterworth,
Musik: Thomas Newman
Darsteller:
Daniel Craig, Christoph Waltz, Léa Seydoux, Ralph Fiennes, Andrew Scott, Ben
Whishaw, Naomie Harris, Dave Bautista, Monica Bellucci, Rory Kinnear, Jesper
Christensen, Alessandro Cremona, Stephanie Sigman, Detlef Bothe, Dame Judi
Dench
Während in London eine von Max Denbigh (Andrew Scott,
Moriarty in der TV-Reihe "Sherlock") alias C vorangetriebene Geheimdienstreform trotz
der gegenteiligen Bemühungen von M (Ralph Fiennes, "Grand Budapest Hotel")
die Existenz des gesamten Doppelnull-Programms bedroht, sorgt James Bond (Daniel Craig,
"Verblendung") in Mexiko wieder einmal für aufsehenerregende
Verwüstungen – und das ohne Auftrag des MI6. Konsequenterweise wird Bond
vorübergehend suspendiert, was ihn jedoch erwartungsgemäß nicht davon abhält,
mithilfe von Quartiermeister Q (Ben Whishaw, "Cloud Atlas") und
Miss Moneypenny (Naomie Harris, "Ninja Assassin") auf eigene Faust Spuren
zu verfolgen, die ihn schließlich zu der mächtigen Geheimorganisation Spectre
führen. Als deren Anführer entpuppt sich der seit vielen Jahren totgeglaubte Franz
Oberhauser (Christoph Waltz, "Django Unchained") – Bonds Ziehbruder. Daraufhin
startet 007 gemeinsam mit der unfreiwillig mit Spectre verbundenen Psychiaterin Madeleine
Swann (Léa Seydoux, "Midnight in Paris") die Jagd auf Oberhauser,
hat allerdings selbst Spectres obersten "Problemlöser" Mr. Hinx (Dave
Bautista, "Guardians of the Galaxy") auf den Fersen …
Kritik:
Die James Bond-Filme mit Daniel Craig waren von Anfang an
deutlich serieller ausgelegt als die früheren Bond-Abenteuer – in denen sich
die seriellen Elemente in der Regel im wiederholten Auftreten einiger Figuren oder
Organisationen erschöpften. In der Craig-Ära wurde hingegen immer wieder ganz direkt
Bezug genommen auf vergangene Ereignisse, "Ein Quantum Trost"
knüpfte sogar unmittelbar an das Ende von "Casino Royale" an. In
"Spectre" findet dieses Vorgehen seinen (vorläufigen?) Höhepunkt – wie
sich bereits anhand der gewohnt kunstvoll gestalteten Titelsequenz erahnen läßt,
in die einige Szenen aus den drei vorangegangenen Filmen eingeflochten sind.
Doch auch abseits der speziellen Craig-Kontinuität verneigen sich Regisseur Sam
Mendes ("Zeiten des Aufruhrs") und das von OSCAR-Gewinner John Logan
("Gladiator") angeführte Drehbuch-Autoren-Quartett immer wieder mit
subtilen Anspielungen und Zitaten vor früheren Teilen der Reihe (obwohl ich die
Prä-Craig-Bonds seit vielen Jahren nicht mehr gesehen habe, fielen mir mehr
oder weniger klare Verbindungen mindestens zu "Goldfinger",
"Octopussy" und "Man lebt nur zweimal" auf). Doch auch wenn die Filmemacher sich so offensichtlich der Vergangenheit und der Stärken der Reihe
bewußt sind, gelingt es "Spectre" unglücklicherweise nicht, in die
Riege der besten Bond-Filme aufzusteigen.
Das würde sich mit Sicherheit anders darstellen, wäre der gesamte
Film so stark wie seine Eröffnungssequenz. Denn das Highlight von
"Spectre" gibt es gleich zu Beginn, als Mendes (natürlich mit Hilfe
des niederländischen "Interstellar"-Kameramannes Hoyte van Hoytema)
mit einer virtuosen, rund fünfminütigen "One Take"-Sequenz (also ohne
jeden Zwischenschnitt) während des "Tages der Toten" in Mexiko
beweist, daß er nicht nur irgendein Bond-Regisseur ist, sondern ein wahrer
Meister seines Fachs. Diese Eröffnung funktioniert wunderbar und ist zudem ausgesprochen
stimmungsvoll, was nicht nur an den tollen Kostümen der Maskierten liegt,
sondern auch an Thomas Newmans einfallsreichem Score, der typisch mexikanische Klänge spielerisch mit den ikonischen Bond-Motiven der
Vergangenheit vermengt. Angesichts dieser geballten Kunstfertigkeit kann man
auch über einige Logik- und Glaubwürdigkeitsmängel im actionreichen zweiten Teil des
Prologs großzügig hinwegsehen (ein ganzes Gebäude kracht dank James Bond lautstark zusammen, aber nur wenige Hundert Meter entfernt wird ungerührt weitergefeiert;
ein Hubschrauer landet inmitten eines hoffnungslos überfüllten Platzes, da die
Passanten in einer spontanen organisatorischen Meisterleistung diszipliniert
genau genügend Platz machen).
Daß "Spectre" anschließend die Qualität nicht ganz
halten kann, hat meines Erachtens zwei Hauptgründe. Der erste ist die mangelnde
Präsenz des Bösewichts. Jeder wird sich vorstellen können, daß Christoph Waltz
diese Rolle wieder einmal wunderbar sardonisch ausfüllt, wie man es aus
"Inglourious Basterds" oder "Green Hornet" gewohnt ist.
Diese Erwartung erfüllt Waltz, das Problem ist nur: In den ersten 100 Minuten
hat er gerade einmal einen einzigen Auftritt. Der ist zwar sehr effektiv in
Szene gesetzt und macht innerhalb von Sekunden gekonnt klar, wie
gefährlich dieser Mann mit dem harmlos klingenden Namen Franz Oberhauser ist –
aber im Vergleich zum direkten Vorgänger "Skyfall", in dem Javier
Bardem als durchgeknallter, von persönlichen Motiven getriebener Raoul
Silva durchgehend präsent war, ist Oberhausers sehr sparsamer Einsatz in den
ersten beiden Akten von "Spectre" schlicht und ergreifend
enttäuschend und dabei schädlich für das Gesamtkunstwerk. Bis zum großen Finale
müssen wir uns mit dem Ex-Wrestler Dave Bautista als Bösewicht-Platzhalter
begnügen, der zwar – wie Oberhauser – eindrucksvoll eingeführt wird,
anschließend vom Drehbuch aber keine wirklich mitreißenden Szenen mehr gegönnt
bekommt, ehe er bezeichnend unspektakulär den Abgang macht. Bautista ist sicher
kein meisterhafter Schauspieler, aber wer ihn in "Guardians of the Galaxy"
oder in "The Man with the Iron Fists" gesehen hat, der weiß, daß
man ihn und seine beeindruckende physische Präsenz deutlich besser einsetzen
kann als das hier der Fall ist. Was im Grundsatz ebenso für die im Vergleich
zu "Skyfall" häufigeren Actionsequenzen gilt, die sehr solide umgesetzt sind, aber trotz der netten Anspielungen auf frühere
Bond-Filme echte Höhepunkte missen lassen.
Der zweite gewichtige Grund für das leider nicht vollkommene Gelingen
von "Spectre" ist der Nebenhandlungsstrang rund um C und die geplante
Geheimdienstreform. Zwar ist die Intention dahinter klar und auch sehr
nachvollziehbar, denn einerseits wird so der neue M aktiver in die Handlung
involviert als es bei den meisten früheren Bond-Filmen der Fall war; und
andererseits können auf diese Weise aktuelle gesellschaftspolitische
Themen wie der NSA-Abhörskandal aufgegriffen werden (und die Briten stellen
derzeit ja in ihrer Lauschwut die Amerikaner fast noch in den Schatten).
Allerdings bleibt das alles viel zu sehr an der Oberfläche und ist, vor allem C und
seine Rolle in der Geschichte betreffend, zu klischeehaft aufgezogen.
Thematisch erinnert "Spectre" in diesem Handlungsstrang frappierend
an "Mission: Impossible – Rogue Nation", hat aber das Pech, eben erst
ein paar Monate nach diesem an der imaginären Ziellinie anzulangen. Und auch
sonst zieht "Spectre" im direkten Vergleich mit dem fünften
"Mission: Impossible"-Teil und seinen spektakulären Actionsequenzen knapp
den Kürzeren. Da kann die Hauptstory mit Bonds Jagd nach Oberhauser auch nicht herausreißen, weil das Abklappern diverser mehr oder weniger exotischer Locations zwar immer noch Laune macht, aber inhaltlich absolut nichts Neues bringt und auch die emotionale Verbindung zwischen Bond und seinem Zieh-Bruder erst ganz am Schluß zum Tragen kommt.
Den Craig-Filmen wird von Bond-Nostalgikern ja gerne nachgesagt, sie seien humorlos. Das entspricht nicht der Wahrheit, denn Bonds
Humor in der Craig-Ausprägung ist zwar angesichts der Schicksalsschläge, die
ihm seit "Casino Royale" widerfuhren, ein gutes Stück rauer und
ironischer, nicht selten sogar regelrecht zynisch geworden, aber er ist
definitiv noch vorhanden. Ich muß allerdings zugeben, daß sich die witzigen
Momente in "Spectre" im Vergleich zu den direkten Vorgängern doch
ziemlich rar machen. Das paßt zwar zu der generellen Entwicklung dieses betont
problembeladenen, ja sogar traumatisierten James Bond, aber wenn – wie hier –
die Actionsequenzen und auch die anderen Figuren nicht allerhöchste Qualität
erreichen, dann vermißt man vielleicht doch ein paar richtige Gags (gerade in
der Roger Moore-Ära gab es nicht wenige recht mittelmäßige Produktionen, die durch
viele gute Oneliner vor der Belanglosigkeit gerettet wurden). Hier mag ein
gewisser Zusammenhang mit der ebenfalls gewandelten Rolle der unverzichtbaren
Bond-Girls bestehen, die in der Vergangenheit häufig für pikant-humorvolle Szenen
und mal einfallsreiche, mal ziemlich platte Wortspiele herhalten mußten (wer
erinnert sich nicht an Dr. Christmas Jones und Bonds letzte Zeile in "Die
Welt ist nicht genug"?). Beim ernsthafteren Craig-Bond läuft das eben
anders ab, dennoch hat "Spectre" in diesem Bereich doch tatsächlich
eine Premiere zu bieten: Mit Monica Bellucci ("Brothers Grimm") in
der Rolle der Mafia-Witwe Donna Lucia Sciarra gibt es zum ersten Mal ein
"Bond-Girl" (hier wirkt die Bezeichnung etwas unpassend), das älter
ist als Bond selbst (aber trotzdem ganz erheblich schöner; meine Meinung)! Das bedeutet jedoch nicht, daß sie von 007 schwerer ins Bett
zu bekommen wäre als ihre zahllosen Vorgängerinnen, eher im Gegenteil. Als
ein feministisches Statement taugt dieser PR-trächtige Besetzungscoup also eher
weniger. Etwas glaubwürdiger gestaltet sich das bei Léa Seydoux, die eine
starke Frauenfigur spielen darf – auf Dauer aber natürlich auch nicht immun
ist gegen Bonds Charme …
Fazit: "Spectre" ist ein unterhaltsamer
James Bond-Film geworden, der aber trotz des gleichen kreativen Teams nicht die
turmhohen Erwartungen erfüllen kann, die der Vorgänger "Skyfall" so virtuos
schürte – das ist vor allem der zu langen Abwesenheit des Oberschurken
geschuldet, aber auch einem generellen Mangel an echten erzählerischen oder inszenatorischen
Highlights (abseits der Eröffnungssequenz).
Wertung: Knapp 7,5 Punkte.
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