Regie: Justin Kurzel, Drehbuch: Jacob Koskoff, Michael
Lesslie und Todd Louiso, Musik: Jed Kurzel
Darsteller:
Michael Fassbender, Marion Cotillard, David Thewlis, Sean Harris, Paddy Considine, Jack Reynor,
Elizabeth Debicki, David Hayman, Ross Anderson
FSK: 12, Dauer: 113 Minuten.
Schottland, 11. Jahrhundert: Die Rebellion gegen König
Duncan (David Thewlis, "Regression") steht kurz vor dem Triumph, als
Duncans tapferer Heerführer Macbeth (Michael Fassbender, "Shame") mit
dem letzten Aufgebot die entscheidende Schlacht doch für sich entscheiden kann.
Noch auf dem nebelverhangenen Schlachtfeld wird er Zeuge der Prophezeiung
dreier Hexen, die ihm unter anderem weissagen, daß er dereinst König wird. Als sich ein Teil der Prophezeiung binnen kürzester Zeit
erfüllt, ist Macbeth wie besessen von der Erlangung der Königswürde, und auf
Drängen seiner Ehefrau (Marion Cotillard, "The Dark Knight Rises")
tötet er den König heimlich des Nachts in seinem Zelt. Da Duncans Sohn Malcolm
(Jack Reynor, "Unbroken"), der Thronfolger, nach England flieht, wird
Macbeth tatsächlich zum neuen König ernannt. Doch noch ist nicht die gesamte
Prophezeiung erfüllt, und das trübt das Seelenheil des frisch gekrönten
Herrschers ganz erheblich …
Kritik:
Als ich sah, daß mein Stammkino die neueste von inzwischen beinahe zahllosen
"Macbeth"-Verfilmungen auch in der Originalfassung mit deutschen
Untertiteln zeigt, war für mich die Sache klar: Wenn ich schon die Chance habe,
Shakespeare auf Englisch zu sehen und zu hören, dann werde ich die auch
wahrnehmen. Rückblickend betrachtet war das ein Fehler. Bekanntlich ist das
Shakespeare-Englisch sowieso schon anspruchsvoll, weshalb ich über die
deutschen Untertitel froh war – Shakespeare-Englisch mit schottischem Akzent
ist aber noch mal eine ganz andere Liga. Kurzum: Ich war im Grunde genommen
schon froh, ab und zu mal einen kompletten Satz verstehen zu können. Aber gut,
dafür sind ja die Untertitel da. Problem: Die orientieren sich vermutlich an
der gängigen, recht freien Übersetzung des Bühnenstücks anstatt – wie sonst bei
untertitelten Filmen üblich – eine möglichst wörtliche Übertragung ins Deutsche
zu bieten. Das erschwert das Verständnis des Gesagten zusätzlich, da man nicht
einfach nur kurz auf die Untertitel achten kann, wenn man ein Wort oder einen
Satzteil nicht verstanden hat, da die "Übersetzung" eben nicht
ansatzweise wortgetreu ist. Glücklicherweise habe ich schon mehrere "Macbeth"-Versionen gesehen, weshalb sich aus der kleinen Misere für mich keine
wirklichen Verständnisprobleme der Handlung ergaben – aber den Filmgenuß trübt
die Konstellation eindeutig. Diese Vorbemerkung ist wichtig, weil meine
Rezension von Justin Kurzels bildgewaltiger Adaption des "Scottish
Play" deutlich negativer ausfällt als viele andere – inwiefern das durch
meine leicht problematische OmU-Sichtung beeinflußt ist, läßt sich schwer beurteilen,
ich will es aber jedenfalls nicht verheimlichen.
Dabei ist "Macbeth" eigentlich einer dieser Filme,
die – wenn man seine einzelnen Elemente betrachtet – wie für mich geschaffen
sein müßte. Eines der berühmtesten Shakespeare-Stücke (auch wenn es noch nie zu
meinen persönlichen Favoriten aus der Feder des Barden zählte), eine opulente
visuelle und akustische Umsetzung und eine (mit einer Ausnahme) hervorragende
Besetzung bis in die Nebenrollen hinein. Das sollte mich begeistern, so wie es viele andere Zuschauer begeistert (einer aus der von mir besuchten
Vorstellung sprach mich anschließend vor dem Kino sogar spontan an, weil er einfach
seiner Bewunderung für den Film Ausdruck verleihen mußte). Allein, so ist es
nicht. Und dafür finde ich auch abseits meiner spezifischen OmU-Problematik
so einige Gründe. Der wichtigste: Kurzel konzentriert sich so stark darauf, einen ganz eigenen Look und eine zum Greifen dichte, schwermütige Atmosphäre zu
kreieren, daß er darob den Erzählfluß und die Figurenzeichnung vernachlässigt.
Bei "Macbeth" hat dieses Manko eine besondere
Tragweite, da die Frage der Motivation hinter den Taten von Macbeth und Lady
Macbeth hohe psychologische Brisanz besitzt. Wenn man sich damit nicht intensiv
beschäftigt, dann wirkt es einfach unglaubwürdig. In dieser Version bringt das
Autoren-Trio zwar einen interessanten neuen Ansatz ein – Macbeth leidet im
Grunde genommen unter einer klassischen posttraumatischen Belastungstörung,
ausgelöst zunächst durch die brutalen Schlachten, an denen am Ende sogar Kindersoldaten mitwirken mußten, dann naturgemäß verstärkt
durch den Königsmord –, den Michael Fassbender ausgezeichnet auf die
Leinwand überträgt; sie meinen aber offensichtlich, daß das alleine bereits
ausreicht in Sachen psychologischer Feinzeichnung … was nicht der Fall
ist. Zudem spielt Lady Macbeth (von Marion Cotillard ebenfalls sehr überzeugend
interpretiert) erkennbar nur die zweite Geige, womit ihr Antrieb jenseits der
reinen Machtgier erst Recht fragwürdig bleibt. Gerade im direkten Vergleich zu
Roman Polanskis "Macbeth" aus dem Jahr 1971 ist das zumindest mir zu
doch etwas zu wenig. In Verbindung mit der Entscheidung des jungen
australischen Regisseurs, die Handlung eher bruchstückhaft zu
erzählen und sich vor allem auf die angesprochenen formalen Stärken und das
Schauspiel Michael Fassbenders zu konzentrieren, wirkt der annähernd zweistündige
Film deshalb nicht wirklich rund. Es ergibt sich kaum ein echter
Handlungsfluß, kein "Flow", der einen immersiv in die düstere Geschichte über Macht, Wahn und Vorsehung hineinzieht, sondern es wirkt alles eher
bruchstückhaft. Das entspricht zwar ein Stück weit dem (aufgrund der
natürlichen Beschränkungen) zwangsweisen Vortrag auf der Theaterbühne, ein
Kinofilm hat aber natürlich ganz andere Möglichkeiten, die er dann auch
ausschöpfen sollte. Bei Kurzel dagegen kommt es mitunter sogar vor, daß Dialoge, die auf der Bühne funktionieren, nun unfreiwillig komisch wirken. Ich verweise nur auf Lady Macbeths "What's the problem?" im Zelt des getöteten Königs, das einfach albern ist, wenn sie, während sie diese Zeile spricht, direkt auf den blutigen Leichnam Duncans blickt. Erneut verweise ich auf Polanskis Version, die die cineastische Umsetzung des Theaterstoffes für
mein Empfinden viel besser (wenngleich ebenfalls nicht perfekt) hinbekommt.
Dennoch kommen die vielen Lobeshymnen für Justin Kurzels
"Macbeth" auch nicht ganz von ungefähr. So gelingt es dem Regisseur vortrefflich, die düstere, schwermütige, pessimistische Atmosphäre der Tragödie
einzufangen – einen großen Anteil daran hat Kameramann Adam Arkapaw, dem es
bereits in Jane Campions vielfach prämierter TV-Miniserie "Top of the
Lake" gelang, die neuseeländische Landschaft gleichsam zu einer weiteren Hauptfigur
zu befördern. Das schafft er auch in "Macbeth", wo die nebelverhangenen
schottischen Highlands oder die dunkle, beengende Königsburg sehr viel zur Stimmung
beitragen. Dies gilt ebenso für die von Moll-Klängen dominierte musikalische
Untermalung durch Jed Kurzel (des Regisseurs jüngerer Bruder), die an Clint
Mansells hervoragenden "The Fountain"-Score erinnert und zugleich
auch ein wenig an Philip Glass' OSCAR-nominierte Klaviermelodien aus "The
Hours". Ausstattung, Kostüme und (betont schmutzige) Maske sind gleichfalls gekonnt und gewissenhaft
ausgeführt, und dann ist da natürlich noch die Besetzung. In den Hauptrollen
machen, wie erwähnt, Michael Fassbender und Marion Cotillard eine
ausgezeichnete Figur, wobei vor allem der Deutsch-Ire in der Vorführung des zunehmenden Wahns von Macbeth regelrecht brilliert. Doch auch die meisten Nebenfiguren sind paßgenau ausgewählt.
Das ist umso wichtiger, als sie zugungsten des Ehepaars Macbeth ziemlich
vernachlässigt werden und damit nur wenig Zeit haben, um an Kontur zu gewinnen. Am
besten gelingt das meines Erachtens Sean Harris ("Prometheus") als
Macbeth-Widersacher Macduff, aber auch Paddy Considine ("Das Bourne
Ultimatum", als Macbeths Freund Banquo), Jack Reynor (als regulärer Thronfolger
Malcolm) und Elizabeth Debicki ("Everest", als Lady Macduff) wissen
zu überzeugen. Einzige Ausnahme ist David Thewlis, der als König Duncan
schlicht und ergreifend fehlbesetzt ist. Während man allen übrigen Darstellern und
selbst den meisten Statisten problemlos die Bewohner des 11. Jahrhunderts
abnimmt, wirkt dieser König Duncan so, als wäre er ein Schauspieler aus dem 20.
oder 21. Jahrhundert, der einen Mittelalter-König mimt. Das liegt nicht allein an
seinem Schauspiel und seiner Sprechweise, sondern auch daran, wie Kurzel ihn in Szene setzt (und nicht zuletzt an seiner Frisur und der Maske), ist aber sehr
auffällig und stört ganz einfach. Etwas enttäuschend fand ich außerdem die
Kampfsequenzen; teils, weil ich den wiederholten stilisierten Zeitlupen-Einsatz
á la "300" in dieser Szenerie nur bedingt passend finde, vor allem
aber, weil die Choreographie nicht allzu mitreißend gestaltet ist – womit ich
ein letztes Mal Polanskis Version der Geschichte heranziehen muß, deren
wuchtige Kampfszenen mir deutlich besser gefallen haben. An Brutalität läßt es
zwar (trotz einer FSK 12-Freigabe) auch Kurzel nicht mangeln, den direkten Vergleich
gewinnt für mich aber Polanski.
Fazit: "Macbeth" ist eine Shakespeare-Verfilmung, die mit visueller und akustischer Opulenz auftrumpft
sowie mit (fast) durchgehend starken Schauspieler-Leistungen –
unglücklicherweise gelingt es Regisseur Kurzel jedoch nur bedingt, aus den
vielversprechenden Einzelteilen ein funktionierendes Ganzes zu machen, da er zu wenig
Zeit auf Figurenzeichnung und Handlung verwendet.
Wertung: 6 Punkte.
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