Donnerstag, 13. August 2015

TURBO KID (2015)

Regie und Drehbuch: François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell, Musik: Le Matos
Darsteller: Munro Chambers, Laurence Leboeuf, Michael Ironside, Aaron Jeffery, Edwin Wright, Romano Orzari, Orphée Ladouceur, François Simard, Anouk Whissell, Yoann-Karl Whissell
Turbo Kid
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 91% (7,1); weltweites Einspielergebnis: $0,1 Mio.
FSK: 16, Dauer: 93 Minuten.
Wir schreiben das Jahr 1997: Nach einem fatalen Atomkrieg ist die Erde nahezu unbewohnbar geworden, die wenigen Überlebenden vegetieren in einer Welt vor sich hin, in der einzig das Recht des Stärkeren zählt. In der Gegend, in der ein jugendlicher Comic-Fan lebt, der einfach nur "The Kid" (Munro Chambers aus der kanadischen Kult-Jugendserie "Degrassi") genannt wird, ist dieser Stärkere der brutale Zeus (Michael Ironside, "Starship Troopers"), der mit seinen Schergen mitleidlos die Zivilisten auspresst. Eines Tages steht plötzlich eine überdrehte junge Frau namens Apple (Laurence Leboeuf, TV-Serie "Being Erica") vor Kid, die sich ihm ungefragt anschließt. Wider Erwarten freundet sich Kid recht schnell mit Apple an, deren unschuldige Naivität im positiven Sinne fehlplaziert wirkt in dieser unwirtlichen neuen Welt. Als Apple kurz darauf in Zeus' Gefangenschaft landet, macht sich Kid auf, um sie zu befreien – als hilfreich erweist sich dabei eine mächtige, aber sehr energiehungrige Handschuh-Waffe, die er zufällig in einem abgestürzten Flugzeug gefunden hat. Mit Apple und dem einarmigen Armdrück-Experten (lange Geschichte …) Frederic (Aaron Jeffery aus der TV-Serie "McLeods Töchter") will Kid Zeus' Schreckensherrschaft ein blutiges Ende setzen …

Kritik:
Die 1980er Jahre waren eine schöne Zeit – zumindest wenn man Gefallen an Synthesizer-Pop fand sowie an von der Endphase des Kalten Kriegs geprägten dystopischen Filmen von "Blade Runner" oder "Brazil"  über kostengünstig, aber häufig einfallsreich produzierte (mal mehr, mal weniger) B-Movies wie der "Mad Max"-Trilogie, "Das Ding", "Repo Man", "Videodrome", "Sie leben" oder "RoboCop" bis hin zu Trash der Sorte "Cherry 2000". Natürlich gab es viel mehr Dinge, die diese Dekade prägten – manche toll, manche schrecklich –, aber die sind nicht Ziel der liebevollen Hommage durch die kanadisch-neuseeländische Co-Produktion "Turbo Kid".

Das Regie-Trio läßt sich zunächst ungewöhnlich viel Zeit, um die buchstäblich verwüstete Erde des Jahres 1997 zu etablieren und dem Publikum den Protagonisten Kid näherzubringen. Das gelingt insofern gut, als einem der etwas unbeholfene, aber durchaus gewitzte Comic-Fan schnell ans Herz wächst. Dennoch ist die Einführungsphase tendenziell eher zu lang geraten, denn um ehrlich zu sein: So wahnsinnig ungewöhnlich oder spannend sind das präsentierte Endzeitszenario und seine Bewohner nicht, wenn man einmal davon absieht, daß sie großteils auf BMX-Rädern unterwegs sind. Und so dauert es etwa eine halbe Stunde, bis die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt – was größtenteils der energetischen Apple geschuldet ist, die in jeder Hinsicht wie ein bunter Farbtupfer in der ansonsten von monotonen Wüstenfarben dominierten Filmwelt wirkt. Laurence Leboeuf und Munro Chambers geben als Apple und Kid ein wunderbar schräges und unheimlich sympathisches Duo ab, das – beinahe wie Hitchcock-Protagonisten – unverhofft und unverschuldet in ganz erhebliche Kalamitäten gelangt. Und spätestens mit einer herrlichen Anspielung auf den Charlton Heston-Klassiker "... Jahr 2022 ... die überleben wollen" (aka "Soylent Green") hatte mich "Turbo Kid" endgültig auf seine Seite gezogen.

Kid erfährt schnell, daß er Apple nicht mit schönen Worten oder schlauen Taten befreien kann, stattdessen muß der brutale Widerling Zeus eine nicht völlig neue Weisheit lernen: Gewalt erzeugt Gegengewalt. Und im Fall von "Turbo Kid" bedeutet das dank der von Kid gefundenen "Superwaffe", daß sich die Zuschauer über haarsträubende, handgemachte Splatter-Sequenzen mit zerplatzenden Körpern, durcheinanderfliegenden Gliedmaßen und lachhaft übertriebenen Blutfontänen freuen rfen (zumindest solange, bis die Batterien leer sind)! Das klingt gar nicht witzig? Ist es aber, wenn es mit solch kindlicher Zerstörungsfreude, so absurder Inszenierung (es ist einfach herrlich, wenn die Schurken sich ihren Opfern in obercoolen Posen auf ihren BMX-Rädern nähern und dabei noch ein paar Tricks vorführen!) und dermaßen unglaubwürdigen Spezialeffekten präsentiert wird wie in "Turbo Kid". Und da es nunmal eine Hommage an die B-Movies der 1980er Jahre ist (kurz vor der Etablierung von CGI-Effekten in den 1990er Jahren bekanntlich Hochphase kunstvoll handgemachter und von deutschen Jugendschutzbehöreden inbrünstig gehasster Splatterszenen in heutigen Kultfilmen wie "The Evil Dead", "Re-Animator" oder Cronenbergs "Scanners"), wird das ganze permanent von einem schmissigen Synthie-Soundtrack der kanadischen Gruppe Le Matos begleitet (der allerdings so dominant ausfällt, daß er in der Originalfassung leider manchmal die Dialoge übertönt).

Die Story verkommt da trotz gelegentlicher unerwarteter Schlenker und ein paar Rückblenden zur Randnotiz, ja sogar zum reinen Mittel zum Zweck. Unwahrscheinliches Helden-Trio (den Mad Max-Verschnitt Frederic miteingerechnet) legt sich mit fiesem Brutalo und seiner Bande an … mehr muß man nicht wissen. Logischerweise leidet unter diesem spartanischen Ansatz ein wenig die Figurenzeichnung, zumindest nach der sehr gemächlich erzählten ersten halben Stunde. Neben Kid und Apple hinterläßt nur noch Frederic Eindruck, der von Aaron Jeffery charismatisch verkörpert wird und dessen zynische Macho-Helden-Klischeehaftigkeit immer wieder durch nette Drehbuch-Einfälle ironisch gebrochen wird. Und die B-Movie-Ikone Michael Ironside ist perfekt gewählt, um den sadistischen, aber eigentlich wenig originellen Bösewicht Zeus mit lustvollem Overacting so hassenswert rüberzubringen, daß man es kaum abwarten kann, bis er endlich seine gerechte – und selbstverständlich blutige! – Strafe erhält …

Fazit: "Turbo Kid" ist eine wenig originelle, aber umso sympathischere B-Movie-Hommage, die langsam beginnt, aber schließlich in ein wahres – infolge bewußt übertriebener Präsentation niemals ernstzunehmendes – Splatterinferno mündet. Das ist sehr amüsant für Genrefans, aber sicher nichts für den durchschnittlichen Multiplex-Besucher.

Wertung: 7 Punkte.


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