Regie: Paul Hyett, Drehbuch: Mark Huckerby und Nick Ostler,
Musik: Paul E. Francis
Darsteller:
Ed Speleers, Holly Weston, Elliot Cowan, Shauna Macdonald, Sam Gittins, Duncan Preston, Ania
Marson, Amit Shah, Rosie Day, Calvin Dean, Sean Pertwee
Rotten Tomatoes: 63% (5,6); weltweites Einspielergebnis: $0,5 Mio.
FSK: 16, Dauer: 92 Minuten.
FSK: 16, Dauer: 92 Minuten.
Joe (Ed Speleers, "Eragon") ist ziemlich mies
drauf. Der Londoner Zug-Schaffner hat gerade erfahren, daß seine Bewerbung um
eine Beförderung abgelehnt wurde – und dann drückt ihm derjenige, der an seiner
statt befördert wurde, auch noch eine zusätzliche Nachtschicht auf. Die
Passagiere sind um die Uhrzeit nicht mehr allzu freundlich, dann läßt ihn
auch noch seine hübsche Kollegin Ellen (Holly Weston, TV-Serie "Hollyoaks"), die für das Catering im
Zug zuständig ist, abblitzen. Und als Krönung des Ganzen stößt der Zug mit
irgendetwas auf den Gleisen zusammen und bleibt mitten in einem
Waldgebiet stehen, woraufhin der Zugführer Tony (Sean Pertwee, "Doomsday") aussteigt, um
nachzuschauen – und spurlos verschwindet! Da die Verbindung zur Zugleitzentrale
gestört ist und die Handys keinen Empfang haben, läßt sich Joe
von den verbliebenen Passagieren – dem großkotzigen Adrian (Elliot Cowan,
TV-Serie "Da Vinci's Demons"), der taffen Geschäftsfrau Kate (Shauna
Macdonald, "The Descent"), dem älteren Ehepaar Ged (Duncan Preston, TV-Serie "Emmerdale Farm")
und Jenny (Ania Marson, "Nikolaus und Alexandra"), der schlecht gelaunten Jugendlichen Nina (Rosie Day),
dem jungen Ingenieurstudent Billy (Sam Gittins) und dem schüchternen Bücherwurm
Matthew (Amit Shah, "Alles koscher!") – überreden, zur nächsten Haltestelle zu laufen. Ein
Vorhaben, das sie nach lautem Wolfsgeheul und einem Angriff unheimlicher
Kreaturen schnell wieder fallenlassen, um sich stattdessen im Zugabteil zu
verbarrikadieren …
Kritik:
Neben Vampiren sind Werwölfe wohl die beliebtesten Kreaturen
in Horrorfilmen. Das begann so richtig mit Universals "Der
Wolfsmensch" (1941) mit Lon Chaney Jr. und Claude Rains. Auch in der Ära
des britischen Studios Hammer Film spielten Werwölfe natürlich eine Rolle
("Der Fluch von Siniestro", 1961), weitere Klassiker sind John
Landis' humoristisch angehauchte Variante "American Werewolf" (1981) und
Joe Dantes gruseliger "Das Tier" (1981), vielleicht kann man (dank
Hauptdarsteller Jack Nicholson) auch noch Mike Nichols' eher romantischen
"Wolf" (1994), John Fawcetts kanadische Pubertäts-Metapher
"Ginger Snaps" aus dem Jahr 2001 und Neil Marshalls Actionfilm "Dog
Soldiers" (2002) zu den Klassikern dieser Subspezies des Horrorgenres
zählen. Daß sich "Howl" in diese Liste einreihen wird, wage
ich zu bezweifeln, dafür ist er dann doch zu unspektakulär geraten – die zweite Regiearbeit (nach "The Seasoning
House") des eigentlichen Spezialeffekt- und Makeup-Spezialisten Paul Hyett
(u.a. "Centurion", "Doomsday", "Attack the Block") qualifiziert sich aber definitiv als grundsolider Vertreter der
Werwolf-Filme, der speziell dank eines vergleichsweise gut ausgearbeiteten
Figurenensembles bis zum Schluß Laune macht.
Angesichts der überschaubaren Anzahl von Personen, die sich
in dem Zug blutiger Attacken erwehren müssen, kann man sich bereits denken, daß
"Howl" einer jener Filme ist, die dem "Zehn kleine
Negerlein"-Prinzip folgen (auch wenn der Begriff inzwischen als politisch
unkorrekt gilt: ich habe noch keine gleichwertige Alternative gefunden). Und
damit das funktioniert, ist ganz entscheidend, daß man die Reihenfolge der Todesopfer
nicht vorhersehen kann. Viele Genrevertreter versauen sich die Spannung schon
dadurch, daß entweder zwei oder drei sehr bekannte Namen zum Cast gehören, bei
denen man genau weiß, daß sie sich nicht vorzeitig verabschieden werden; oder
dadurch, daß einigen Figuren viel mehr Zeit und Aufmerksamkeit gewidmet
wird als anderen (von denen deshalb klar ist, daß sie nicht lange leben
werden). Regisseur Paul Hyett und die beiden Drehbuch-Autoren Huckerby und Ostler
vermeiden diese Stolperfalle erfreulicherweise sehr geschickt. Zwar gibt es ein
paar Namen in der Besetzung, die schon größere Rollen gespielt haben, doch
keiner qualifiziert sich für die Bezeichnung "Star". Und
der Schaffner Joe ist zwar erkennbar der Protagonist von "Howl", aber
ansonsten werden die Passagiere weitgehend gleichwertig präsentiert (mit einer
Ausnahme, die dann auch früh hopsgeht). Ich kann jedenfalls versichern, daß ich
weder das erste "echte" Opfer (den verschollenen Zugführer nicht
mitgerechnet) noch das letzte vorhergesehen habe; und so etwas passiert mir als langjährigem Anhänger
des Horrorgenres leider nicht mehr oft.
Natürlich muß man aber Zugeständnisse machen. So orientieren
sich die Passagiere anfangs doch erkennbar an gängigen Klischeevorstellungen,
was einerseits schon ein bißchen stört, andererseits aber hilft, die
Konstellation ohne große Vorarbeit zu etablieren. Und da alle im Angesicht der
tödlichen Bedrohung eine zwar unterschiedlich bedeutsame, aber in jedem Fall wahrnehmbare
Charakterentwicklung durchlaufen, ist die anfängliche Schablonenhaftigkeit von meiner Seite aus schnell verziehen. Man mag kritisieren, daß ein
echter Sympathieträger fehlt, mit dem man aus ganzem Herzen mitfiebern kann; dafür wirken die Figuren mit zunehmender Laufzeit erfreulich realistisch,
und Hyett gönnt ihnen allen mindestens einen starken Moment. Zugegeben: Die
Dialoge sind nicht die größte Stärke des Drehbuchs; manche Sätze klingen
wenig authentisch, andere sind so banal, daß man sie lieber hätte weglassen
sollen. Aber insgesamt macht die gelungene Besetzung dieses Manko einigermaßen
wett. Nichts machen können die Schauspieler gegen die unübersehbaren dramaturgischen Verrenkungen, um im Smartphone-Zeitalter nicht weit von London entfernt eine Situation ohne jeden Kontakt zum Rest der Welt zu schaffen. Aber irgendwie gehört ja auch das seit jeher zum Horrorgenre dazu (auch wenn es in der Prä-Handy-Ära wesentlich glaubwürdiger zu machen war) ...
Die starke Konzentration auf die bedrohte Gruppe hat zudem einen angenehmen Nebeneffekt: Die Angreifer bleiben lange Zeit eine eher
abstrakte Bedrohung. Auch dies gehört ja zu den Grundregeln des Genres: Je
länger man über die Natur und das genaue Aussehen einer unheimlichen
Bedrohung rätselt, desto effektiver ist sie. In den letzten Jahren scheinen das
viele Filmemacher vergessen zu haben, die bereits früh alles enthüllen und sich
dann wundern, daß das Interesse des Zuschauers bis zum Ende deutlich
nachläßt. Hyett begeht diesen Fehler nicht, stattdessen hält er Spannung und Neugierde hoch. Einen ersten genaueren Blick auf
den tierischen Angreifer gewährt er erst kurz vor "Halbzeit", in
voller Pracht wird der Werwolf noch deutlich später enthüllt. Dessen Design
wird vermutlich nicht jedem gefallen, denn Hyett hat sich (bewußt, wie er in
Interviews erzählt) von früheren Werwolf-Darstellungen emanzipiert und auf
die altmodische, CGI-freie Art eine eigene Kreatur erschaffen, bei der die
menschlichen Elemente ungewöhnlich deutlich ausgeprägt sind. Ehrlich gesagt bin
ich mir selbst noch nicht so ganz sicher, wie ich das Resultat im Vergleich zu
anderen Filmen beurteilen soll – es ist aber auf jeden Fall mal was Neues und
das ist doch lobenswert. Durch das lange Hinauszögern der direkten
Konfrontation ist "Howl" übrigens nicht übermäßig brutal geraten. Es
gibt zwar einige kleinere (und gut gemachte) Splatter-Einlagen und nicht wenig Blut, aber oft schwenkt die Kamera auch im entscheidenden Moment weg und
überläßt das Folgende (im Verbund mit schaurigen Toneffekten) der Phantasie des
Zuschauers. Das mag Anhänger harter Horrorkost ärgern, dem Film an sich schadet es aber nicht.
Fazit: "Howl" ist ein rundum solider
Werwolf-Streifen, der sich ziemlich eng an die etablierten Gesetze des Genres
hält, sie aber im Detail genügend variiert, um durchgängig unterhaltsam zu
bleiben.
Wertung: Knapp 7 Punkte.
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