Regie und Drehbuch: Gia Coppola, Musik: Devonté Hynes und
Robert Schwartzman
Darsteller:
Jack Kilmer, Emma Roberts, Nat Wolff, Zoe Levin, James Franco, Val Kilmer,
Olivia Crocicchia, Claudia Levy, Keegan Allen, Margaret Qualley, Chris Messina,
Talia Shire
FSK: 16, Dauer: 100 Minuten.
April (Emma Roberts, "Scream 4") ist ein kluges
Mädchen mit guten Aussichten auf einen Studienplatz an einem hochkarätigen College, doch beschäftigt
die bekennende Jungfrau im Moment vor allem ihre angehende Affäre mit ihrem charmanten
Fußball-Trainer (James Franco, "127 Hours"). Teddy (Jack Kilmer) ist
heimlich in April verliebt, hängt jedoch lieber mit seinem besten Freund Fred
(Nat Wolff, "Das Schicksal ist ein mieser Verräter") ab, mit dem er ständig kifft. Beide haben eine sexuelle Begegnung mit der offenherzigen
Emily (Zoe Levin, "Ganz weit hinten"). Alle vereint, daß sie gewisse
Probleme mit dem Erwachsenwerden haben. Als Teddy betrunken einen Autounfall
(ohne Verletzte) baut und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird, erhält er
immerhin indirekt Unterstützung – Fred, der zunehmend psychopathische
Tendenzen an den Tag legt, hat dieses Glück nicht …
Kritik:
Die Familie Coppola zählt zu den berühmtesten und
einflußreichsten in Hollywood. Star der Familie ist selbstverständlich noch
immer der große Francis Ford Coppola, der mit der "Der Pate"-Trilogie
(zumindest den ersten beiden Teilen – der dritte ist gut, aber sicherlich kein
Meisterwerk) und dem Anti-Kriegsfilmklassiker "Apocalypse Now" einige
der besten Filme aller Zeiten gedreht hat und insgesamt fünf OSCARs (plus 2011
einen Ehren-OSCAR) gewann. Sein Vater Carmine erhielt als Co-Komponist von
"Der Pate" einen OSCAR, Tochter Sofia (in den "Pate"-Filmen
übrigens auch dabei: in den ersten beiden als Baby, im dritten sogar als eine
Hauptdarstellerin – deren Leistung von der Kritik allerdings verrissen wurde)
ist inzwischen dank ihres Geniestreichs "Lost in Translation"
ebenfalls OSCAR-Gewinnerin, Sohn Roman erhielt im Jahr 2013 zumindest seine erste
Nominierung als Co-Autor von Wes Andersons grandiosem "Moonrise
Kingdom". Zur Familie zählen außerdem seine Schwester Talia Shire
("Rocky") und seine Neffen Nicolas Cage ("Kick-Ass") und Jason Schwartzman
("Rushmore"). Und nun
betritt auch noch Francis Ford Coppolas Enkeltochter Gia Coppola die Filmbühne als
Regisseurin und Drehbuch-Autorin des Coming of Age-Dramas "Palo
Alto", unterstützt übrigens vom Großvater – der als Stimme des Richters
zu hören ist, der über Teddys Unfall urteilt –, von ihrer Großtante Talia Shire (die eine
Altenheim-Bewohnerin spielt) und von Jason Schwartzman (der einige Songs beiträgt). Daß sie die Gene ihrer Familie hat, merkt man
"Palo Alto" bereits an – der Film wird sicher keine Academy Awards
gewinnen, er taugt aber allemal als vielversprechende Visitenkarte im Haifischbecken Hollywood.
Wann immer James Franco in irgendeiner Kapazität an einem
Film beteiligt ist, kann man sich sehr sicher sein, daß dieser nicht unbedingt
der üblichen Vorstellung eines "normalen" Films entspricht. In diesem
Fall spielt er lediglich eine Nebenrolle, wichtiger ist jedoch: Er hat die
Kurzgeschichten-Sammlung "Palo Alto Storys" geschrieben, die
Coppola als Vorlage diente. Und so ist "Palo Alto" auch nicht
irgendein Coming of Age-Film. Es findet keine nostalgische Verklärung statt, es
gibt auch keine spannende, romantische oder gar spektakuläre Handlung. Kurz
gesagt: "Palo Alto" ist wesentlich näher bei "Spring Breakers" oder auch "Wie ein weißer Vogel im Schneesturm" (ohne
den Krimi-Plot) als bei "Vielleicht lieber morgen", "Ganz weit hinten" oder dem 1980er Jahre-Genreklassiker "Die Goonies". Somit
erhält das Publikum einen ungeschönten Blick auf das komplizierte
Erwachsenwerden von vier kalifornischen Teenagern, denen es erkennbar an Führung
fehlt und die mit ihren Problemen ziemlich bis komplett allein gelassen werden.
Die Sprache der Teenager ist unverblümt, die angeschnittenen
Themen sind durchaus vielfältig: Es geht um Drogen, ums Rauchen, sogar um
Selbstmord(-Absichten) – und selbstverständlich um Sex. In ihren Gesprächen
scheint sich für die Teenager fast alles um Sex zu drehen – was ja nicht so
unrealistisch ist –, um Liebe eher weniger. Und wenn die vier Protagonisten
dann tatsächlich mal Sex haben, ist das meilenweit von jeder Romantik entfernt
und wirkt eher so, als ließen sie ihn einfach nur über sich ergehen. Weil das
eben einfach dazugehört zum Dasein als Teenager. Wie bereits angedeutet, fehlt
allen vieren ein verlässlicher Ratgeber. Aprils Mutter redet kaum mit ihr, Stiefvater Stewart (Val Kilmer, "Heat"), ein Schriftsteller, korrigiert ihren
Aufsatz nicht wie gewünscht, sondern schreibt ihn komplett um – was der
Lehrerin natürlich auffällt und April Probleme beschert. Freds Vater Mitch
(Chris Messina, "Ruby Sparks") kifft mindestens so ausgiebig wie sein Sohn und macht dessen Kumpel
Teddy ziemlich deutliche Avancen. Emilys Eltern lernen wir nicht
kennen, aber ihre Einsamkeit und ihr verzweifelter Ruf nach Nähe durch die
Bereitschaft zum Sex mit so ziemlich jedem sprechen Bände darüber, wie
unglücklich sie ist. Lediglich Teddy scheint relativ behütet aufzuwachsen, ihn
bringt vor allem sein Freund Fred in Schwierigkeiten – doch durch seine
aufgezwungene gemeinnützige Arbeit könnte er noch rechtzeitig die Kurve
kriegen.
Ich kann nicht beurteilen, wie realistisch diese Häufung
emotional überforderter Teenager mit schlechtem
Urteilsvermögen und schlechter Eltern für die USA oder Kalifornien ist, doch für sich genommen wirken
die Charaktere authentisch und werden gut gespielt. Vor allem Emma Roberts
zeigt als April eine starke Leistung, doch die drei anderen Hauptdarsteller
stehen ihr nicht viel nach, wobei Nat Wolff die mit Abstand unsympathischste
Rolle als Krawallmacher Fred überzeugend transportiert. Val Kilmers Sohn Jack feiert als Teddy übrigens sein Debüt vor einer Filmkamera.
Für den Zuschauer ein bißchen schwierig ist das weitgehende Fehlen einer Handlung.
Wie gesagt: Gia Coppola und James Franco liefern eher eine Momentaufnahme als
eine Geschichte mit Anfang und Ende. Zwar durchlaufen alle vier Hauptfiguren
eine erkennbare und weitgehend nachvollziehbare Entwicklung, dennoch fehlt ein wenig der rote Faden. Ganz eindeutig
ist den Filmemachern die Atmosphäre wichtiger als die Story oder ein
klassischer Spannungsbogen. Diese Atmosphäre bekommen sie dafür aber gut hin,
unterstützt von den von Kamerafrau Autumn Durald elegant eingefangenen
Bildkompositionen und einer gelungenen Musikauswahl. Coming of Age-Filme und
gute Musik scheinen ja seit jeher zusammengehören, und da macht "Palo
Alto" keine Ausnahme – wenngleich der Soundtrack vielleicht nicht ganz so
hervorragend zusammengestellt ist wie bei anderen Genrevertretern (aber das ist natürlich vorrangig Geschmackssache).
Fazit: "Palo Alto" ist ein Coming of
Age-Film, der ungeschminkt und ohne jegliche Verklärung auf das Heranwachsen
heutiger Teenager in Kalifornien blickt – die weitgehende Absenz einer echten
Handlung sorgt dafür, daß das ein mitunter schwieriges Sehvergnügen für das
Publikum ist, doch dafür entschädigt die glaubwürdige und detaillierte
Ausgestaltung der vier zentralen Charaktere.
Wertung: 7 Punkte.
Der Sichtungslink als Grundlage dieser Rezension wurde mir freundlicherweise von capelight pictures bereitgestellt, die auch die deutsche Heimkino-Veröffentlichung verantworten.
Der Sichtungslink als Grundlage dieser Rezension wurde mir freundlicherweise von capelight pictures bereitgestellt, die auch die deutsche Heimkino-Veröffentlichung verantworten.
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