Regie und Drehbuch: Leigh Whannell, Musik: Joseph Bishara:
Darsteller:
Lin Shaye, Stefanie Scott, Dermot Mulroney, Angus Sampson, Leigh Whannell,
Michael Reid MacKay, Tom Fitzpatrick, Hayley Kiyoko, Tate Berney, Steve
Coulter, Ashton Moio, Phyllis Applegate, Jeris Poindexter, Joseph Bishara,
James Wan
FSK: 16, Dauer: 98 Minuten.
Nach dem krankheitsbedingten Tod ihrer Mutter lebt die
Schülerin Quinn Brenner (Stefanie Scott, "Freundschaft Plus")
gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Alex und ihrem von der Situation
überforderten Vater Sean (Dermot Mulroney, "The Grey") in einem
großen, optisch nicht übermäßig freundlichen Wohnhauskomplex in Chicago. Da Quinn,
die hofft, nach der High School in der Schauspielschule aufgenommen zu werden,
ihre Mutter unendlich vermißt, will sie Kontakt zu der Verstorbenen aufnehmen
und landet so bei dem Medium Elise Rainier (Lin Shaye, "Snakes on a
Plane"). Obwohl Elise diese Tätigkeit inzwischen aufgegeben hat, macht sie
für die verzweifelte Quinn eine Ausnahme – ohne Erfolg. Quinn spricht in ihrer
Wohnung trotzdem weiterhin mit ihrer toten Mutter, bis sie eines Nachts
tatsächlich Antwort zu erhalten scheint. Doch schon bald muß sie erkennen, daß es
sich in Wirklichkeit um einen mächtigen Dämon handelt, der es auf ihre Seele abgesehen
hat. Ob Elise die arme Quinn noch vor einem grausamen Schicksal bewahren kann?
Kritik:
Nachdem sich Regisseur James Wan mit dem großen Erfolg der
Gruselfilme "Conjuring – Die Heimsuchung" und "Insidious"
sowie "Insidious: Chapter 2" für höhere Aufgaben in Hollywood
qualifiziert hat und dieses Jahr mit "Fast & Furious 7" prompt
einen weltweiten Blockbuster landete, hat er die Leitung beim dritten
"Insidious"-Film seinem langjährigen kreativen Partner Leigh Whannell
überlassen (er selbst fungiert nur noch als Produzent). Whannell war eine
ausgesprochen naheliegende Wahl, da er für die ersten beiden Teile
bereits das Drehbuch schrieb und zudem als Nebendarsteller in Erscheinung trat.
Beides tut er auch in "Chapter 3", dazu hat er eben die
Regie übernommen. Kontinuität hinter der Kamera ist damit gewährleistet,
vor der Kamera trifft das zumindest teilweise zu. Denn da "Chapter 3"
ein Prequel ist, sind die bisherigen Hauptdarsteller Patrick Wilson und Rose
Byrne nicht mit von der Partie; stattdessen gibt es eine andere Familie, die
Brenners, die in ihrem neuen Heim von bösen übernatürlichen Mächten heimgesucht wird
und schließlich Hilfe bei Experten sucht. Der deutsche Untertitel "Jede Geschichte hat
einen Anfang" ist übrigens nicht ganz zutreffend, denn Elise ist hier
bereits seit langem als Medium tätig und hat auch bereits Bekanntschaft mit der
"Braut in Schwarz" gemacht, die im Zentrum von "Insidious: Chapter 2"
stand. Allerdings erzählt dieses dritte Kapitel tatsächlich den Beginn der
Geschichte von Specs (Whannell) und Tucker (Angus Sampson, "Mad Max: Fury Road") als "echte" Geisterjäger, zu denen sie nämlich erst durch
das Zusammentreffen mit Elise bei den Brenners werden. Wie das geschieht,
ist für Gruselfans sehr unterhaltsam anzuschauen.
Ehrlich gesagt waren meine Erwartungen an "Insidious:
Chapter 3" verhalten. Der zweite Teil war für mich eine ziemliche
Enttäuschung, daß nun auch noch Wilson und Byrne fehlen und statt einer
Fortführung der Story ein Rückblick in frühere Zeiten stattfindet, löste in mir
auch nicht gerade die helle Begeisterung aus. Auf der anderen Seite ist es aber
immer noch Leigh Whannell, und selbst die schlechteren Filme von Whannell
und/oder Wan haben ihre guten Seiten. Glücklicherweise sind die bei
"Chapter 3" wieder ziemlich stark ausgeprägt. Zwar läßt sich nicht
leugnen, daß die Handlung alles andere als innovativ ist und daher Kennern
früherer Spukhaus- oder Exorzismus-Filme von "Das Omen" über "Der Exorzist" und "Poltergeist" bis hin zu "Conjuring" kaum Neues zu bieten hat – was
vermutlich die ziemlich mittelmäßigen Kritiken erklärt. Dennoch ist die Inszenierung
so spannend, effektvoll und kurzweilig geraten, daß ich als erklärter Anhänger
des Grusel-Genres kaum etwas auszusetzen habe.
Gut, bei genauerer Betrachtung ist es schon auffällig, daß
die Laufzeit durch etwas halbherzig verfolgte Storylines gestreckt wird. So ist
die erste Hälfte, die fast komplett der Familie Brenner und ihrer Wohnstatt
gewidmet ist, nicht allzu temporeich, außerdem werden Nebenfiguren aus Quinns
direktem Umfeld eingeführt, die in der zweiten Hälfte fast so spurlos aus der Handlung verschwinden, als wären sie selbst Geister. Das ist nicht gerade
elegant, positiv betrachtet stört es aber auch nicht sonderlich. Immerhin gibt
der gemächliche Auftakt Whannell reichlich Gelegenheit, sein feines Gespür für eine
Atmosphäre zu zeigen, deren Gruselfaktor langsam, aber beständig zunimmt. Zusätzlich bereitet
die stimmungsvolle Bildsprache von Kameramann Brian Pearson ("Final Destination 5") gekonnt das drohende Unheil vor – und
schließlich zeigt Whannell, wie man die berühmt-berüchtigten "Jump-Scares"
richtig einsetzt. Diese Methodik, die Zuschauer durch plötzliche Schock-Szenen
so sehr zu erschrecken, daß sie sprichwörtlich (manchmal vielleicht auch
buchstäblich) aus dem Kinositz springen, ist ja ziemlich umstritten, und das
meiner Ansicht nach vollkommen zu Recht. Denn allzu viele Horrorfilme versuchen
mit solchen meist durch übertriebene Soundeffekte zusätzlich hervorgehobenen
Jump-Scares den Mangel an eigenen Ideen und das fehlende Können, allein durch
Story und Inszenierung eine überzeugende Grusel-Atmosphäre zu schaffen, zu
übertünchen. Im Extremfall geht das (leider gar nicht selten) so weit,
daß eine vollkommen einfallslose, vorhersehbare und auch noch billig gefilmte
Szene überhaupt nur durch einen übertriebenen Soundeffekt Wirkung erzielt – ein
Armutszeugnis für jeden Beitrag zum Genre. Doch wenn sie gut gemacht sind, dann
können Jump-Scares sehr wohl funktionieren. Genau dann nämlich, wenn sie spärlich und
wirklich unerwartet eingesetzt werden, aber mit perfektem Timing und im Idealfall gar
ohne begleitende Musik oder Soundeffekte. Und genau diese Effektivität erreicht
Leigh Whannell in "Insidious: Chapter 3".
In der zweiten Hälfte sind dann sowieso keine Jump-Scares
mehr nötig, da geht es nämlich – wie in den beiden Vorgängern – so richtig
rund. Und das erinnert erfreulicherweise deutlich stärker an den ersten Film
als an den zweiten, bei dem das Finale arg konfus und eher chaotisch als
erschreckend ausfiel. "Chapter 3" versucht sich, wie bereits erwähnt, gar nicht erst an
Neuem, sondern konzentriert sich darauf, das Bewährte beizubehalten und nur
leicht abzuwandeln – und da Whannells Inszenierung so stilsicher ausfällt, die
gekonnt dissonante musikalische Begleitung des neuen "Master of
Horror" Joseph Bishara gewohnt verstörend daherkommt und es in den Details
doch ein paar ausgezeichnete Horror-Ideen gibt, macht das richtig viel Spaß.
Dafür sorgt auch Whannells genauer Blick auf seine Protagonisten, die ihm
sichtlich am Herzen liegen. Vor allem trifft das natürlich auf Elise Rainier zu
– wiederum überzeugend verkörpert von Lin Shaye –, über deren Charakter und
Lebensweg wir einiges Neues erfahren. Aber auch das neue Dämonen-Opfer Quinn
erringt schnell das Mitgefühl des Publikums, und zwar sowohl aufgrund ihrer
"irdischen" Schicksalsschläge wie auch der vor allem psychischen
Tortur, der sie durch den Dämon ausgesetzt wird. Die Anwesenheit der beiden
ungleichen, nerdigen Geisterjäger Tucker und Specs beschränkt sich allerdings fast noch
mehr als in den Vorgängern darauf, gelegentlich etwas auflockernden Humor
einzubringen – aber gut, Whannell war ja auch mit der Regie beschäftigt, da
wäre eine größere Rolle vor der Kamera wohl eher hinderlich gewesen. Vielleicht klappt das dann ja im sehr wahrscheinlichen vierten Teil der Reihe, der wegen mir gerne kommen darf ...
Fazit: "Insidious: Chapter 3" ist ein guter
Gruselfilm – den man, wenn man sich nur ein bißchen mit den Genreklassikern beschäftigt hat, sehr ähnlich garantiert schon mal gesehen hat; wer aber
willens und fähig ist, dieses permanente Déjà-vu-Gefühl abzustreifen, der
bekommt einen handwerklich gut gemachten, nicht immer ganz logischen,
dafür aber atmosphärisch stimmigen Genrebeitrag mit leichtem B-Movie-Charakter
präsentiert, der wenig Grund zur Klage gibt.
Wertung (ausdrücklich aus Sicht eines Grusel-Fans): 7,5
Punkte.
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