Dienstag, 5. Mai 2015

AVENGERS: AGE OF ULTRON (3D, 2015)

Regie und Drehbuch: Joss Whedon, Musik: Danny Elfman und Brian Tyler
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo, Chris Hemsworth, Jeremy Renner, Scarlett Johansson, James Spader, Elizabeth Olsen, Aaron Taylor-Johnson, Paul Bettany, Don Cheadle, Samuel L. Jackson, Claudia Kim, Thomas Kretschmann, Anthony Mackie, Stellan Skarsgård, Cobie Smulders, Linda Cardellini, Andy Serkis, Hayley Atwell, Idris Elba, Julie Delpy, Henry Goodman, Stan Lee, Josh Brolin
Avengers: Age of Ultron
(2015) on IMDb Rotten Tomatoes: 76% (6,8), weltweites Einspielergebnis: $1405,0 Mio.
FSK: 12, Dauer: 141 Minuten.

Nachdem die Nazi-Geheimorganisation Hydra in "Captain America 2" das über Jahrzehnte von ihr infiltrierte S.H.I.E.L.D. übernommen und dabei beinahe dessen Direktor Nick Fury (Samuel L. Jackson, "Kingsman: The Secret Service") beseitigt hat, kommen die Avengers ein weiteres Mal zusammen, um den Tag zu retten. Sogar Thor hat sich aus Asgard herabbegeben, denn Hydra fiel auch Lokis mächtiges Zepter in die Hände. Mit dessen Hilfe "trainiert" Baron von Strucker (Thomas Kretschmann, "Wanted") die übernatürlich begabten Maximoff-Zwillinge zu noch größerer Macht: Pietro (Aaron Taylor-Johnson, "Anna Karenina") alias Quicksilver ist buchstäblich blitzschnell, während seine Schwester Wanda (Elizabeth Olsen, "Godzilla") alias Scarlet Witch die Gedanken der Menschen kräftig manipulieren kann. Doch relativ bald stellen sich diese Probleme als noch vergleichsweise harmlos heraus, als eine von Tony Stark (Robert Downey Jr., "Sherlock Holmes") und Dr. Bruce Banner (Mark Ruffalo, "Can a Song Save Your Life?") zum Schutz vor künftigen Alienangriffen konzipierte, extrem fortschrittliche künstliche Intelligenz namens Ultron (James Spader, "Lincoln") sich verselbständigt und die Menschheit mit drastischen Methoden zur Weiterentwicklung zwingen will, mit der kompletten Auslöschung als einziger Alternative ...

Kritik:
Bislang hält sich das Marvel Cinematic Universe an das Motto "Bigger, Better, Faster, More" – wobei man über den "Better"-Teil natürlich streiten kann, speziell "Iron Man 3" und "Thor 2" sind in Fankreisen ja nicht ganz unumstritten (mir haben beide gut gefallen). Kein Zweifel besteht dagegen an dem "Bigger", denn die weltweiten Einspielergebnisse kannten in Phase 1 (die mit "The Avengers" endete) und Phase 2 (die mit "Age of Ultron" und dem Nachklapp "Ant-Man" endet) nur den Weg nach oben. Die große Frage ist: Wann ist der Höhepunkt erreicht? Manche meinen, daß "Avengers: Age of Ultron" diesen Moment markieren könnte, ab dem es langsam, aber sicher wieder bergab geht. Ein Indiz dafür ist jedenfalls der etwas schwächere US-Start, der überraschend nicht den Rekord des ersten Teils überbieten konnte – das wird zwar durch die internationalen Steigerungsraten (vor allem in China, wo US-Blockbuster mittlerweile nicht selten mehr Geld einspielen als in den USA) mehr als kompensiert, aber im Zusammenspiel mit den gemischten Kritiken und Publikumsreaktionen könnte "Age of Ultron" in der Tat das Wachstumspotential des Marvel Cinematic Universe an seine Grenzen bringen. Wohlgemerkt: "Age of Ultron" ist weit davon entfernt, ein schlechter Film zu sein; stattdessen hat Regisseur und Autor Joss Whedon erneut spektakulär-unterhaltsames Blockbuster-Sommerkino kreiert. Aber: Dem Vergleich mit dem hervorragenden Vorgänger "The Avengers" hält die Fortsetzung nicht stand.

Das liegt vor allem daran, daß es Whedons Drehbuch nicht gelingt, das Kunststück des ersten Teils zu wiederholen, der trotz der großen Menge an Protagonisten perfekt ausbalanciert und höchst amüsant war. Die klassische Dreiaktstruktur (im ersten Drittel das Zusammentrommeln der Avengers, im zweiten Drittel die Konfrontation mit Bösewicht Loki samt Rückschlag für die Helden, schließlich der große Showdown) mag nicht originell gewesen sein, sie hat aber einen ausgezeichnet funktionierenden Spannungsbogen hervorgebracht. Bei "Age of Ultron" ist das nicht der Fall. Sieht es zunächst nach einem gelungenen Schachzug aus, daß die erneute Einführung der Avengers gleich zu Beginn in kaum zwei Minuten in einer großen, rasant in Szene gesetzten Schlacht mit den Hydra-Bösewichten und Baron von Strucker absolviert wird, läßt sich rasch erkennen, daß dieses anfängliche Highlight mehr verspricht, als der Rest des Films halten kann. Naturgemäß verliert "Age of Ultron" nach dem kampflastigen Einstieg, der nahtlos in eine amüsante Siegesfeier (samt Gastauftritten von Charakteren aus den vorherigen Marvel-Filmen) in Tony Starks "Avengers Tower" übergeht, rasant an Tempo, das es bis zum Finale nie wieder richtig aufnimmt. Stattdessen wird der Film lange Zeit recht dialoglastig und widmet sich ausführlicher als der erste Teil einzelnen Figuren. Das ist an sich natürlich nicht schlimm, eher sogar eine gute Idee – nur kommt die Ausführung über ein "gut" kaum hinaus. Die neue, selbstgeschaffene Bedrohung durch die Künstliche Intelligenz Ultron wird zwar sehr gelungen eingeführt und sorgt zwischendurch immer wieder für spannende, teils sogar leicht gruselige Szenen – an den umwerfend charismatischen "The Avengers"-Antagonist Loki (Tom Hiddleston) reicht er jedoch nicht heran. Was übrigens auch daran liegt, daß er zu wenige Szenen erhält, die ihn direkt mit den Avengers konfrontieren. So bleibt der Spannungsbogen dieses Mal leider ziemlich flach und die einzelnen Szenen – wiewohl für sich genommen fast ausnahmslos unterhaltsam – wirken eher wie lose aneinandergereiht als harmonisch ineinander verflochten.

Für manche Zuschauer könnte außerdem problematisch sein, daß "Avengers: Age of Ultron" deutlich phantastischer ist als der erste Teil. Es klingt komisch, das über eine Comic-Adaption zu schreiben, in der Superhelden und Halbgötter die Erde vor einer Alieninvasion bewahren – aber im Kern kam "The Avengers" durchaus einigermaßen geerdet daher. "Age of Ultron" zielt dagegen zunehmend in Fantasygefilde ab, was mit den "Hexen-Fähigkeiten" von Scarlet Witch beginnt und mit dem im Wortsinn abgehobenen Showdown mit Ultron endet, der von seinem Publikum eine ganze Menge "Suspension of disbelief" einfordert. Zu den großen Pluspunkten des Films zählen dagegen – wie erwartet – erneut die Interaktionen der Helden untereinander. Zwar muß man auch hier konstatieren, daß die Dialoge nicht ganz die von Joss Whedon sonst auch aus seinen TV-Serien von "Buffy" bis "Firefly" gewohnte, extrem hohe Schlagfertigkeit und Gewitztheit erreichen, dennoch ist es schön, daß man speziell von jenen Figuren, die noch keine Solo-Filme hatten, endlich etwas mehr erfährt. Dazu zählen speziell Hawkeye (Jeremy Renner, "American Hustle"), Black Widow (Scarlett Johansson, "Under the Skin") und Bruce Banner alias Hulk. Vor allem die Hintergrundgeschichte von Hawkeye ist sehr stimmungsvoll erzählt, während die sich anbahnende Romanze zwischen Black Widow und Dr. Banner recht kontrovers diskutiert wird. Zugegeben, es knistert nicht unbedingt vor erotischer Spannung zwischen den Darstellern Scarlett Johansson und Mark Ruffalo, dennoch finde ich, daß ihre gemeinsamen Szenen alles in allem gut funktionieren und den Charakteren etwas mehr Tiefe verleihen. Von den übrigen Superhelden hat Thor trotz einiger schöner Szenen am wenigsten zu tun, während Tony Stark und Captain America über die eigenmächtig von Stark und Dr. Banner vorgenommene und so fatal schiefgelaufene Entwicklung Ultrons ziemlich aneinandergeraten – das erzeugt gleich in mehrfacher Hinsicht eine willkommene Spannung, die gleichzeitig als verheißungsvoller Vorgeschmack auf "Captain America 3: Civil War" dient.

Die Neuankömmlinge im Marvel Cinematic Universe funktionieren derweil ziemlich gut. Aaron Taylor-Johnson macht seine Sache als Quicksilver sehr ordentlich, leidet aber etwas darunter, daß ihm das Drehbuch nicht solch eine grandiose Sequenz zugesteht wie es bei "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" der Fall war, wo die gleiche Figur von Evan Peters verkörpert wurde. Scarlet Witch ist sogar eine große Bereicherung, die dem "Avengers"-Universum hoffentlich lange erhalten bleibt. Denn Elizabeth Olsen ist eine überaus talentierte junge Schauspielerin, die die Ambivalenz des Charakters auch ohne große Worte überzeugend zur Geltung bringt – außerdem sind die Kräfte der "Hexe" (unter anderem die Fähigkeit zur Gedankenmanipulation, die dem Zuschauer einige interessante Einblicke in die Psyche der Avengers gewährt) optisch sehr schön umgesetzt. Gleiches gilt für Paul Bettany ("Wimbledon"), der bislang in den "Iron Man"-Filmen als Stimme von Tony Starks intelligentem Computer-Helfer J.A.R.V.I.S. zu hören war und nun als dessen Weiterentwicklung "Vision" sehenswert körperliche Gestalt annimmt. Thomas Kretschmann dagegen ist als Hydra-Führungsfigur Baron von Strucker leider komplett verschenkt – eigentlich wurde er ja gleich für mehrere Marvel-Filme verpflichtet, nach "Age of Ultron" sieht es allerdings so aus, als wäre es das schon wieder gewesen für ihn. Im Marvel-Universum ist solch eine Annahme natürlich niemals gesichert (wer hätte in "Captain America 2" schon mit der Rückkehr Arnim Zolas gerechnet?), aber ich vermute eher, daß Kretschmanns geplante Rolle in den künftigen Filmen nun einfach Daniel Brühl einnehmen wird, der für eine potentiell ähnliche Rolle (Baron Zemo) in "Captain America 3" engagiert wurde.

Damit bliebe noch Ultron. Der ist sicher ein würdiger neuer Oberbösewicht, der schön "creepy" daherkommt; allerdings spielt Whedons Skript jenes Potential, das Ultrons "Geburtsszenen" offenbaren, später nicht mehr richtig aus – womit die Künstliche Intelligenz insgesamt nicht an den Reiz des umwerfend charismatischen "The Avengers"-Bösewichts Loki heranreicht. In der deutschen Synchronfassung kommt erschwerend hinzu, daß Ultron nicht von James Spaders bewährter Stimme vertont wurde, sondern von einem neuen Sprecher. Zugegeben, vielen wird das gar nicht auffallen, da auch Andreas Fröhlich ohne Zweifel seine Sache sehr gut macht. Dennoch: Wenn man jahrelang fast wöchentlich die hervorragende, nahezu perfekt auf Spaders exaltiertes Schauspiel abgestimmte Synchronarbeit von Benjamin Völz in den TV-Serien "The Blacklist" und "Boston Legal" mitverfolgt hat, dann ist es schon etwas irritierend, daß Ultron – dessen Darstellung durch Spader dank Motion Capture-Verfahren auch ohne Spaders Gesicht deutlich erkennbar ist – wie Edward Norton klingt ...

Daß ein moderner Superhelden-Film sehr spezialeffektlastig ist, versteht sich von selbst. Daß bei einer angeblich $280 Mio. teuren Produktion wie "Avengers: Age of Ultron" wenig Grund zur Klage über die Qualität selbiger Spezialeffekte zu erwarten ist, ebenso. Dennoch geht Joss Whedon in dieser pompösen Fortsetzung noch einen Schritt weiter als zuvor, was manchen Zuschauern, die eher den handgemachten Charme früherer Actionfilme bevorzugen, etwas übel aufstoßen könnte. Generell sind die CGI-Effekte aber tadellos, wiewohl die unspektakuläre nachträgliche 3D-Konvertierung wieder mal ziemlich sinnfrei erscheint (aber natürlich trotzdem Aufpreis an der Kinokasse kostet …). So bleibt abschließend festzuhalten, daß "Avengers: Age of Ultron" zwar gute Unterhaltung für Blockbuster-Freunde bietet, aber letztlich doch eine kleine Enttäuschung (auf immer noch einem ziemlich hohen Niveau) ist. Der typische Whedon-Charme kommt einfach nicht so richtig zur Geltung, vor allem in Sachen Humor hält sich "Age of Ultron" – trotz der wie immer sehr gut funktionierenden Frotzeleien zwischen den einzelnen Avengers – merklich zurück, ohne dies durch die dramatische Komponente ausgleichen zu können. Und vor allem fehlen solch erinnerungswürdige ikonische Szenen, wie es sie im ersten Teil noch zuhauf gab (etwa der köstliche "mickriger Gott!"-Moment).

Fazit: "Avengers: Age of Ultron" ist gut gemachtes, optisch spektakuläres Superhelden-Kino, das zwar mit dem bewährten, hochkarätigen Ensemble ebenso formidabel zu unterhalten weiß wie mit den überwiegend gelungen integrierten Neulingen, in Sachen Handlung und Charme jedoch nicht die außergewöhnlich hohe Qualität des Vorgängers erreicht.

Wertung: Gut 7 Punkte.


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