Regie und Drehbuch: Joss Whedon, Musik: Danny Elfman und Brian Tyler
Darsteller: Robert Downey Jr., Chris Evans, Mark Ruffalo,
Chris Hemsworth, Jeremy Renner, Scarlett Johansson, James Spader, Elizabeth
Olsen, Aaron Taylor-Johnson, Paul Bettany, Don Cheadle,
Samuel L. Jackson, Claudia Kim, Thomas Kretschmann, Anthony Mackie, Stellan
Skarsgård, Cobie Smulders, Linda Cardellini, Andy Serkis, Hayley Atwell, Idris Elba, Julie
Delpy, Henry Goodman, Stan Lee, Josh Brolin
Nachdem die Nazi-Geheimorganisation Hydra in
"Captain America 2" das über Jahrzehnte von ihr infiltrierte
S.H.I.E.L.D. übernommen und dabei beinahe dessen Direktor Nick Fury (Samuel L.
Jackson, "Kingsman: The Secret Service") beseitigt hat, kommen die Avengers ein
weiteres Mal zusammen, um den Tag zu retten. Sogar Thor hat sich aus Asgard
herabbegeben, denn Hydra fiel auch Lokis mächtiges Zepter in die Hände.
Mit dessen Hilfe "trainiert" Baron von Strucker (Thomas Kretschmann,
"Wanted") die übernatürlich begabten Maximoff-Zwillinge zu noch
größerer Macht: Pietro (Aaron Taylor-Johnson, "Anna Karenina") alias
Quicksilver ist buchstäblich blitzschnell, während seine Schwester Wanda
(Elizabeth Olsen, "Godzilla") alias Scarlet Witch die Gedanken der
Menschen kräftig manipulieren kann. Doch relativ bald stellen sich diese
Probleme als noch vergleichsweise harmlos heraus, als eine von Tony Stark (Robert
Downey Jr., "Sherlock Holmes") und Dr. Bruce Banner (Mark Ruffalo,
"Can a Song Save Your Life?") zum Schutz vor künftigen Alienangriffen
konzipierte, extrem fortschrittliche künstliche Intelligenz namens Ultron
(James Spader, "Lincoln") sich verselbständigt und die Menschheit mit
drastischen Methoden zur Weiterentwicklung zwingen will, mit der kompletten Auslöschung als einziger Alternative ...
Kritik:
Bislang hält sich das Marvel Cinematic Universe an das Motto
"Bigger, Better, Faster, More" – wobei man über den
"Better"-Teil natürlich streiten kann, speziell "Iron Man 3" und "Thor 2" sind in Fankreisen ja nicht ganz unumstritten
(mir haben beide gut gefallen). Kein Zweifel besteht dagegen an dem
"Bigger", denn die weltweiten Einspielergebnisse kannten in Phase 1
(die mit "The Avengers" endete) und Phase 2 (die mit "Age of
Ultron" und dem Nachklapp "Ant-Man" endet) nur den Weg nach
oben. Die große Frage ist: Wann ist der Höhepunkt erreicht? Manche meinen, daß
"Avengers: Age of Ultron" diesen Moment markieren könnte, ab dem es
langsam, aber sicher wieder bergab geht. Ein Indiz dafür ist jedenfalls der
etwas schwächere US-Start, der überraschend nicht den Rekord des ersten Teils
überbieten konnte – das wird zwar durch die internationalen Steigerungsraten
(vor allem in China, wo US-Blockbuster mittlerweile nicht selten mehr Geld einspielen als in den USA) mehr als kompensiert, aber im Zusammenspiel mit den
gemischten Kritiken und Publikumsreaktionen könnte "Age of Ultron" in
der Tat das Wachstumspotential des Marvel Cinematic Universe an seine Grenzen
bringen. Wohlgemerkt: "Age of Ultron" ist weit davon entfernt, ein
schlechter Film zu sein; stattdessen hat Regisseur und Autor Joss Whedon erneut
spektakulär-unterhaltsames Blockbuster-Sommerkino kreiert. Aber: Dem
Vergleich mit dem hervorragenden Vorgänger "The Avengers" hält die
Fortsetzung nicht stand.
Das liegt vor allem daran, daß es Whedons Drehbuch nicht
gelingt, das Kunststück des ersten Teils zu wiederholen, der trotz der großen
Menge an Protagonisten perfekt ausbalanciert und höchst amüsant war. Die
klassische Dreiaktstruktur (im ersten Drittel das Zusammentrommeln der
Avengers, im zweiten Drittel die Konfrontation mit Bösewicht Loki samt
Rückschlag für die Helden, schließlich der große Showdown) mag nicht originell gewesen
sein, sie hat aber einen ausgezeichnet funktionierenden Spannungsbogen
hervorgebracht. Bei "Age of Ultron" ist das nicht der Fall. Sieht es
zunächst nach einem gelungenen Schachzug aus, daß die erneute Einführung
der Avengers gleich zu Beginn in kaum zwei Minuten in einer großen, rasant in
Szene gesetzten Schlacht mit den Hydra-Bösewichten und Baron von Strucker
absolviert wird, läßt sich rasch erkennen, daß dieses anfängliche Highlight
mehr verspricht, als der Rest des Films halten kann. Naturgemäß verliert
"Age of Ultron" nach dem kampflastigen Einstieg, der nahtlos in
eine amüsante Siegesfeier (samt Gastauftritten von Charakteren aus den vorherigen
Marvel-Filmen) in Tony Starks "Avengers Tower" übergeht, rasant an
Tempo, das es bis zum Finale nie wieder richtig aufnimmt. Stattdessen
wird der Film lange Zeit recht dialoglastig und widmet sich ausführlicher als
der erste Teil einzelnen Figuren. Das ist an sich natürlich nicht schlimm,
eher sogar eine gute Idee – nur kommt die Ausführung über ein "gut"
kaum hinaus. Die neue, selbstgeschaffene Bedrohung durch die Künstliche Intelligenz
Ultron wird zwar sehr gelungen eingeführt und sorgt zwischendurch immer wieder für
spannende, teils sogar leicht gruselige Szenen – an den umwerfend
charismatischen "The Avengers"-Antagonist Loki (Tom Hiddleston)
reicht er jedoch nicht heran. Was übrigens auch daran liegt, daß er zu wenige
Szenen erhält, die ihn direkt mit den Avengers konfrontieren. So bleibt der
Spannungsbogen dieses Mal leider ziemlich flach und die einzelnen Szenen –
wiewohl für sich genommen fast ausnahmslos unterhaltsam – wirken eher wie lose
aneinandergereiht als harmonisch ineinander verflochten.
Für manche Zuschauer könnte außerdem problematisch sein, daß
"Avengers: Age of Ultron" deutlich phantastischer ist als der erste Teil. Es klingt komisch, das über eine Comic-Adaption zu schreiben, in der Superhelden
und Halbgötter die Erde vor einer Alieninvasion bewahren – aber im Kern kam
"The Avengers" durchaus einigermaßen geerdet daher. "Age of
Ultron" zielt dagegen zunehmend in Fantasygefilde ab, was mit den
"Hexen-Fähigkeiten" von Scarlet Witch beginnt und mit dem im Wortsinn
abgehobenen Showdown mit Ultron endet, der von seinem Publikum eine ganze Menge
"Suspension of disbelief" einfordert. Zu den großen Pluspunkten des
Films zählen dagegen – wie erwartet – erneut die Interaktionen der Helden
untereinander. Zwar muß man auch hier konstatieren, daß die Dialoge nicht ganz
die von Joss Whedon sonst auch aus seinen TV-Serien von "Buffy" bis
"Firefly" gewohnte, extrem hohe Schlagfertigkeit und Gewitztheit erreichen,
dennoch ist es schön, daß man speziell von jenen Figuren, die noch keine
Solo-Filme hatten, endlich etwas mehr erfährt. Dazu zählen speziell Hawkeye (Jeremy Renner, "American Hustle"),
Black Widow (Scarlett Johansson, "Under the Skin") und Bruce Banner alias Hulk. Vor allem die Hintergrundgeschichte
von Hawkeye ist sehr stimmungsvoll erzählt, während die sich anbahnende Romanze
zwischen Black Widow und Dr. Banner recht kontrovers diskutiert wird.
Zugegeben, es knistert nicht unbedingt vor erotischer Spannung zwischen den
Darstellern Scarlett Johansson und Mark Ruffalo, dennoch finde ich, daß ihre
gemeinsamen Szenen alles in allem gut funktionieren und den Charakteren etwas
mehr Tiefe verleihen. Von den übrigen Superhelden hat Thor trotz einiger
schöner Szenen am wenigsten zu tun, während Tony Stark und Captain America
über die eigenmächtig von Stark und Dr. Banner vorgenommene und so
fatal schiefgelaufene Entwicklung Ultrons ziemlich aneinandergeraten – das erzeugt gleich in mehrfacher Hinsicht
eine willkommene Spannung, die gleichzeitig als verheißungsvoller Vorgeschmack
auf "Captain America 3: Civil War" dient.
Die Neuankömmlinge im Marvel Cinematic Universe funktionieren
derweil ziemlich gut. Aaron Taylor-Johnson macht seine Sache als Quicksilver
sehr ordentlich, leidet aber etwas darunter, daß ihm das Drehbuch nicht solch
eine grandiose Sequenz zugesteht wie es bei "X-Men: Zukunft ist Vergangenheit" der Fall war, wo die gleiche Figur von Evan Peters
verkörpert wurde. Scarlet Witch ist sogar eine große Bereicherung, die dem
"Avengers"-Universum hoffentlich lange erhalten bleibt. Denn
Elizabeth Olsen ist eine überaus talentierte junge Schauspielerin, die die Ambivalenz des
Charakters auch ohne große Worte überzeugend zur Geltung bringt – außerdem
sind die Kräfte der "Hexe" (unter anderem die Fähigkeit zur
Gedankenmanipulation, die dem Zuschauer einige interessante Einblicke in die
Psyche der Avengers gewährt) optisch sehr schön umgesetzt. Gleiches gilt für
Paul Bettany ("Wimbledon"), der bislang in den
"Iron Man"-Filmen als Stimme von Tony Starks intelligentem
Computer-Helfer J.A.R.V.I.S. zu hören war und nun als dessen
Weiterentwicklung "Vision" sehenswert körperliche Gestalt annimmt. Thomas
Kretschmann dagegen ist als Hydra-Führungsfigur Baron von Strucker leider komplett
verschenkt – eigentlich wurde er ja gleich für mehrere Marvel-Filme
verpflichtet, nach "Age of Ultron" sieht es allerdings so aus, als wäre es
das schon wieder gewesen für ihn. Im Marvel-Universum ist solch eine Annahme
natürlich niemals gesichert (wer hätte in "Captain America 2" schon mit
der Rückkehr Arnim Zolas gerechnet?), aber ich vermute eher, daß
Kretschmanns geplante Rolle in den künftigen Filmen nun einfach Daniel Brühl
einnehmen wird, der für eine potentiell ähnliche Rolle (Baron Zemo) in
"Captain America 3" engagiert wurde.
Damit bliebe noch Ultron. Der ist sicher ein würdiger neuer
Oberbösewicht, der schön "creepy" daherkommt; allerdings spielt
Whedons Skript jenes Potential, das Ultrons "Geburtsszenen" offenbaren,
später nicht mehr richtig aus – womit die Künstliche Intelligenz insgesamt
nicht an den Reiz des umwerfend charismatischen "The
Avengers"-Bösewichts Loki heranreicht. In der deutschen Synchronfassung
kommt erschwerend hinzu, daß Ultron nicht von James Spaders bewährter Stimme
vertont wurde, sondern von einem neuen Sprecher. Zugegeben, vielen wird das gar
nicht auffallen, da auch Andreas Fröhlich ohne Zweifel seine Sache sehr gut
macht. Dennoch: Wenn man jahrelang fast wöchentlich die hervorragende, nahezu
perfekt auf Spaders exaltiertes Schauspiel abgestimmte Synchronarbeit von
Benjamin Völz in den TV-Serien "The
Blacklist" und "Boston Legal" mitverfolgt hat, dann ist es schon etwas irritierend, daß
Ultron – dessen Darstellung durch Spader dank Motion Capture-Verfahren auch
ohne Spaders Gesicht deutlich erkennbar ist – wie Edward Norton klingt ...
Daß ein moderner Superhelden-Film sehr spezialeffektlastig
ist, versteht sich von selbst. Daß bei einer angeblich $280 Mio. teuren
Produktion wie "Avengers: Age of Ultron" wenig Grund zur Klage über
die Qualität selbiger Spezialeffekte zu erwarten ist, ebenso. Dennoch geht Joss Whedon
in dieser pompösen Fortsetzung noch einen Schritt weiter als zuvor, was manchen
Zuschauern, die eher den handgemachten Charme früherer Actionfilme bevorzugen, etwas
übel aufstoßen könnte. Generell sind die CGI-Effekte aber tadellos,
wiewohl die unspektakuläre nachträgliche 3D-Konvertierung wieder mal
ziemlich sinnfrei erscheint (aber natürlich trotzdem Aufpreis an der Kinokasse
kostet …). So bleibt abschließend festzuhalten, daß "Avengers: Age of Ultron"
zwar gute Unterhaltung für Blockbuster-Freunde bietet, aber letztlich doch eine
kleine Enttäuschung (auf immer noch einem ziemlich hohen Niveau) ist. Der typische Whedon-Charme
kommt einfach nicht so richtig zur Geltung, vor allem in Sachen Humor hält sich
"Age of Ultron" – trotz der wie immer sehr gut funktionierenden
Frotzeleien zwischen den einzelnen Avengers – merklich zurück, ohne dies
durch die dramatische Komponente ausgleichen zu können. Und vor allem fehlen
solch erinnerungswürdige ikonische Szenen, wie es sie im ersten Teil noch zuhauf gab (etwa der köstliche
"mickriger Gott!"-Moment).
Fazit: "Avengers: Age of Ultron" ist gut
gemachtes, optisch spektakuläres Superhelden-Kino, das zwar mit dem bewährten,
hochkarätigen Ensemble ebenso formidabel zu unterhalten weiß wie mit den
überwiegend gelungen integrierten Neulingen, in Sachen Handlung und Charme jedoch
nicht die außergewöhnlich hohe Qualität des Vorgängers erreicht.
Wertung: Gut 7 Punkte.
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