Regie und Drehbuch: Alex Garland, Musik: Geoff Barrow und
Ben Salisbury
Darsteller: Oscar Isaac, Domhnall Gleeson, Alicia Vikander,
Sonoya Mizuno
FSK: 12, Dauer: 108 Minuten.
Caleb (Domhnall Gleeson, "Alles eine Frage der Zeit") ist ein Programmierer beim führenden Suchmaschinenanbieter Bluebook.
Eines Tages wird er auserwählt, dem Firmengründer Nathan (Oscar Isaac,
"Inside Llewyn Davis") – Typ exzentrisches Computer-Genie – auf
dessen extrem abgelegenem Anwesen eine Woche lang Gesellschaft zu leisten. Wie Caleb
erst nach seiner Ankunft erfährt, ist das aber natürlich nicht der eigentliche
Zweck seines Aufenthalts. Vielmehr soll Caleb gewissermaßen der Betatester von
Nathans neuester Erfindung sein: Ava (Alicia Vikander, "Anna Karenina") ist ein hochentwickelter Roboter mit bahnbrechender künstlicher
Intelligenz. Calebs Aufgabe ist es nun, eine Art erweiterten Turing-Test (siehe
"The Imitation Game") durchzuführen, um herauszufinden, ob Ava
tatsächlich ein eigenes Bewußtsein besitzt oder doch "nur" ein weiterer Roboter mit vorgetäuschter Persönlichkeit ist ...
Kritik:
Das Thema "Künstliche Intelligenz" ist ein echter
Klassiker im Science Fiction-Genre. In der Literatur gibt es unzählige Werke
darüber (etwa von Philip K. Dick), doch auch im Kino- und TV-Bereich herrscht
kein Mangel daran: Ob Stanley Kubrick ("2001 – Odyssee im Weltraum"),
Sir Ridley Scott ("Blade Runner"), James Cameron
("Terminator"), Steven Spielberg ("A.I. – Künstliche
Intelligenz", nach einem Drehbuch von Kubrick) oder zuletzt Spike Jonze
("Her") und Joss Whedon ("Avengers: Age of Ultron") –
die Thematik mit all ihren Facetten hat schon viele Filmemacher inspiriert.
Einer davon ist Alex Garland. Der Brite hat sich als Schriftsteller einen Namen
gemacht, wechselte dann mit der Adaption seines eigenen Romans "Der
Strand" als Drehbuch-Autor in die Filmwelt und pflegt seit langem eine
fruchtbare Zusammenarbeit mit Regisseur Danny Boyle, der neben "The
Beach" ebenfalls der SF-Thriller "Sunshine" und der Zombie-Horrorfilm
"28 Days Later" entsprangen. Mit "Ex Machina" feiert
Alex Garland nun sein Regiedebüt – und zeigt, daß mit ihm auch in dieser Funktion
noch zu rechnen sein wird. Denn "Ex Machina" fasziniert in fast allen
Aspekten: den intelligenten Dialogen ebenso wie der
leicht futuristischen Optik, der unterkühlt-bedrohlichen Atmosphäre, den angenehm zurückhaltend, aber sehr effektiv präsentierten und mit einem OSCAR ausgezeichneten visuellen Effekten und nicht zuletzt den Leistungen der Schauspieler.
Letzteres trifft vor allem auf Oscar Isaac zu, der einmal
mehr nicht nur sein Können, sondern auch seine beachtliche Wandlungsfähigkeit beweist. Sein
vollbärtiger, muskulöser Nathan ist ein exzentrisches Genie á la Steve Jobs
oder Bill Gates, das sich Caleb gegenüber betont kumpelhaft gibt, aber etwas zu
merkwürdig rüberkommt, als daß man ihm das joviale Gehabe abnehmen würde. Caleb
geht das genauso wie dem Publikum, doch wie auch die Zuschauer kann er sich dem
gewaltigen Charisma des genialen Milliardärs nicht enziehen, obwohl ihm dessen
latente Bedrohlichkeit nicht nur im betrunkenen Zustand (den Nathan häufig
erreicht) keineswegs entgeht. Caleb dagegen ist mehr oder weniger ein
Durchschnittstyp, ein netter, schüchterner Kerl, der die einmalige Chance, an
etwas Visionärem teilzuhaben, ergreifen will, sich aber doch stets einen Rest
gesunder Vorsicht bewahrt. Auch Domhnall Gleeson spielt seine Rolle einwandfrei
und funktioniert sehr gut als Identifikationsfigur für die Zuschauer, doch
schauspielerisch kann er ob der gewollten Blässe seiner Figur nicht so sehr
glänzen wie Isaac oder auch Ava-Mimin Alicia Vikander. Der attraktiven
Schwedin nimmt man die fortschrittliche Künstliche Intelligenz jedenfalls locker
ab: Sie wirkt und verhält sich menschlich, doch eben nicht zur Gänze, sodaß man
stets an ihre Herkunft erinnert wird. Und dennoch kann man hervorragend
nachvollziehen, daß sich Caleb ihr immer näher und verbundener fühlt – und wie
Caleb kommt man ins Grübeln, wenn Ava während eines der wiederkehrenden
Stromausfälle warnt, Nathan lüge und verheimliche etwas ...
Damit sind wir auch schon beim handlungstechnischen und
letztlich auch emotionalen Kern von "Ex Machina", denn unweigerlich
wird man sich früher oder später fragen: Wer ist wer? Oder auch: Wer ist was?
Daß in Garlands Regiedebüt nicht alles so ist, wie es scheint, das dürften
selbst genreunerfahrene Zuschauer schnell bemerken. Die Frage ist nur: Was
stimmt nicht? Die offensichtlichste Vermutung ist wohl, daß Caleb ebenfalls ein
"Roboter" ist, ohne zu wissen, und damit das eigentliche Testobjekt. Vorstellbar ist aber ebenso, daß Nathan
eine KI ist – oder seine schöne japanische Bedienstete Kyoko (Sonoya Mizuno),
die kein Wort spricht, weil sie nach Nathans Angaben der englischen Sprache nicht mächtig ist (und
deshalb keine Betriebsgeheimnisse ausplaudern kann) und in ihrem Verhalten
sowieso verdächtig ... nunja, roboterhaft wirkt. Besonders paranoide Naturen könnten
sogar mutmaßen, daß am Ende Ava KEINE Künstliche Intelligenz ist ...
Selbstverständlich werde ich an dieser Stelle keine Antwort auf diese Fragen
geben, doch eines kann ich gefahrlos verraten: "Ex Machina" ist sich dieses
unvermeidlichen Ratespiels vollkommen bewußt und spielt gezielt mit den
Erwartungen und Gedankengängen seines Publikums. So gibt es bei allen vier
handelnden Figuren absolut einleuchtende Argumente für die eine oder andere Denkrichtung – und
zumindest ein Teil des Ensembles stellt sich irgendwann die gleichen Fragen.
Dies faszinierende Katz-und-Maus-Spiel im Verbund mit Calebs täglichen
Sitzungen mit Ava zur Eruierung ihrer "Menschlichkeit", die zugleich
immer wieder spannende existentielle Fragen über das menschliche Wesen an sich
berühren, ist die wohl größte Stärke von "Ex Machina". Da sieht man über gelegentliche leichte Glaubwürdigkeitsschwächen in den Details (wie
den von Nathan trotz seines unbestreitbaren Genius nicht wirklich zu Ende gedachten Einsatz- und vor allem Mißbrauchsmöglichkeiten der personalisierten Schlüsselkarten in seinem
Anwesen) relativ problemlos hinweg.
Die latente Bedrohlichkeit der Szenerie wird durch den
stilistisch ein wenig an "The Social Network" erinnernden, häufig düster
wummernden Klangteppich von den eher unbekannten Ben Salisbury und Geoff Barrow
("Banksy – Exit Through the Gift Shop") wie auch durch das generelle
Sounddesign unterstrichen; als ebenso hilfreich für die Atmosphäre erweist sich
die elegante, aber kühle, zweckmäßige und passenderweise künstlich wirkende Optik. Wenn es
überhaupt irgendetwas an "Ex Machina" zu kritisieren gibt, dann ist das
wohl die Auflösung der Geschichte. Daß diese ein wenig kontrovers ist und den vorangegangenen Erzählstil recht deutlich abändert, hat sich fast schon
zu einem Markenzeichen Garlands entwickelt – speziell bei "Sunshine"
gingen die Meinungen zum dritten Akt weit auseinander. Für mich funktioniert
das Ende von "Ex Machina" durchaus, allerdings kann ich mich doch des
Gefühls nicht ganz erwehren, daß da noch deutlich mehr drin gewesen wäre, beispielsweise
wenn Garland das existenzialistische Gedankenspiel-Potential seiner Geschichte
konsequent bis zum Schluß durchgehalten hätte, ohne es durch die gegen Ende etwas marktschreierisch rüberkommenden Thriller-Anteile
zu verwässern. Aber das ist letztlich eben Geschmackssache und ändert nichts daran,
daß "Ex Machina" ein sehr gelungener und zum Nachdenken anregender Film
ist, der einmal mehr beweist, daß man auch ohne ganz großes Budget spannendes,
beklemmendes Science Fiction-Kino gestalten kann.
Fazit: "Ex Machina" ist ein
kammerspielartiger, dialoggetriebener Science Fiction-Thriller, der mit seinen
existentialistischen Diskussionsansätzen ebenso fasziniert wie mit seiner kühlen,
durchgestylten Optik und dem intensiven Spiel des von Oscar Isaac angeführten vierköpfigen Kern-Ensembles.
Wertung: 8,5 Punkte.
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