Donnerstag, 8. September 2022

ARMY OF THIEVES (2021)

Regie: Matthias Schweighöfer, Drehbuch: Shay Hatten, Musik: Steve Mazzaro, Hans Zimmer
Darsteller: Matthias Schweighöfer, Nathalie Emmanuel, Ruby O. Fee, Stuart Martin, Guz Khan, Jonathan Cohen, Noémie Nakai, Christian Steyer, Barbara Meier, Peter Simonischek, Dave Bautista, Ana de la Reguera, Dunja Hayali
Army of Thieves (2021) on IMDb Rotten Tomatoes: 68% (5,9); Altersempfehlung: 12, Dauer: 129 Minuten.
Sebastian Schlencht-Wöhnert (Matthias Schweighöfer, "Keinohrhasen") ist ein unauffälliger und etwas wunderlicher Bankangestellter in Potsdam, doch seine wahre Leidenschaft gehört dem Safeknacken. Von Kindheit an übt er sich darin und sein großer Traum ist es, irgendwann die legendären Safes zu öffnen, die ein gewisser Hans Wagner vor vielen Jahrzehnten ersann: Eine Reihe von vier Einzelstücken, inspiriert von und benannt nach Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen", über die Sebastian sogar ein paar wenig beachtete YouTube-Videos gedreht hat. Völlig unerwartet erhält Sebastian die Chance, sich den Traum zu erfüllen, als die charmante Bankräuberin Gwendoline (Nathalie Emmanuel, TV-Serie "Game of Thrones") an ihn herantritt. Gemeinsam mit ihrer Crew – bestehend aus dem Mann fürs Grobe Brad Cage (Stuart Martin, TV-Serie "Crossing Lines"), der forschen Hackerin Korina (Ruby O. Fee, "Polar") sowie dem Fluchtwagenfahrer Rolph (der britische Komiker Guz Khan) – will sie drei der vier Wagner-Safes ausrauben, die in Banken in Paris, Prag und St. Moritz stehen und bereits in wenigen Tagen ausgemustert werden sollen! Obwohl Sebastian keinerlei kriminelle Erfahrung hat, willigt er schließlich ein und das Quintett macht sich auf den Weg zu seinem ersten Ziel in Paris. Was sie nicht ahnen: Der französische Interpol-Agent Delacroix (Jonathan Cohen, "Mein Leben mit Amanda") ist ihnen bereits auf der Spur und da er nach einer vorherigen Begegnung noch ein Hühnchen mit Gwen und Brad zu rupfen hat, setzt er nun wirklich alles daran, die Bande zu schnappen ...

Kritik:
In Deutschland ist Matthias Schweighöfer unter Kinofans nicht unumstritten, weil sich seine erfolgreichen Filme sowohl als Regisseur als auch als Hauptdarsteller – von "What a Man" über "Der geilste Tag" bis hin zu "Der Nanny" – strukturell doch ziemlich ähneln und inhaltlich nicht allzu anspruchsvoll sind. Klar ist aber auch: Schweighöfer ist definitiv sehr erfolgreich, neben (dem noch deutlich kontroverseren) Til Schweiger vermutlich sogar der erfolgreichste deutsche Kinostar der letzten Jahre bis Jahrzehnte. Und richtig ist ebenfalls, daß Schweighöfer seine internationale Karriere sehr strategisch und erfolgversprechend angeht. In englischsprachigen Filmen tritt er bereits seit "Der Rote Baron" und "Operation Walküre" (beide 2008) auf, verstärkt allerdings erst seit 2018 mit Rollen in "Kursk", "Resistance" und "Army of the Dead". Gerade Letzterer gab Schweighöfers geplanter Hollywood-Karriere noch mal einen starken Schub, denn in Netflix' Zombie-Heist-Spektakel avancierte er als plappernder, aber liebenswerter deutscher Safeknacker Ludwig Dieter zum Publikumsliebling und fand zudem in Regisseur Zack Snyder eine Art Mentor. Denn bereits vor dem Release von "Army of the Dead" brachte Schweighöfer den früheren DC Extended Universe-Lenker dazu, ein Ludwig Dieter-Prequel zu produzieren, bei dem Schweighöfer selbst die Regie führt. Das hat sich gelohnt, denn "Army of Thieves" erwies sich nicht nur als kleiner Achtungserfolg, sondern als ob der wenig zugkräftigen Besetzung und des sparsamen Budgets von $7 Mio. kaum erwarteter Hit, der zu den meistgesehenen Netflix-Filmen des Jahres 2021 zählt und beinahe an die Abrufzahlen des deutlich prestigeträchtigeren Mutterfilms "Army of the Dead" heranreichte. Und der Erfolg ist durchaus gerechtfertigt, denn obgleich "Army of Thieves" inhaltlich wenig originell daherkommt, ist er doch ein durchgehend unterhaltsamer und sympathischer Heistfilm mit viel Humor geworden.

Naturgemäß wird der Erfolg von "Army of Thieves" durch die Verwandtschaft mit dem zwar von der Kritik (zu Recht) ziemlich verrissenen, aber trotzdem sehr erfolgreichen "Army of the Dead" befeuert worden sein – dabei halten sich die inhaltlichen Verbindungen zwischen beiden Filmen in Grenzen. Der Zombieausbruch in Las Vegas kommt nur gelegentlich im Hintergrund in den Nachrichten (gesprochen von Dunja Hayali) sowie in den Alpträumen des Protagonisten vor, einen Gastauftritt von "Army of the Dead"-Darstellern gibt es erst im Epilog und selbst Ludwig Dieter heißt noch nicht Ludwig Dieter, sondern hört noch auf den erheblich uncooleren Namen Sebastian Schlencht-Wöhnert. Generell ist der Weg vom schüchternen Bankangestellten zum selbstbewußten Safeknacker Ludwig Dieter ziemlich weit, aber immerhin vergehen zwischen den Geschehnissen in "Army of Thieves" – die mehr oder weniger parallel zum Prolog von "Army of the Dead" stattfinden – und der Haupthandlung von "Army of the Dead" rund sechs Jahre. Insofern ist die doch recht radikale Veränderung von Sebastian zu Ludwig durchaus glaubwürdig. Ein begnadeter Safeknacker ist schließlich bereits Sebastian, wenngleich es sich noch lediglich um ein Hobby handelt, von dem allein die treue Zuschauerschaft seiner YouTube-Videos weiß – also niemand, denn die meisten seiner Videos zählen 0 Abrufe … Trotzdem wird Gwendoline durch sie auf Sebastian aufmerksam, tritt in der Folge in sein Leben und läßt es mit Volldampf aus den Fugen geraten.

Alles in allem hält sich "Army of Thieves" sehr eng – zu eng – an die ungeschriebenen Regeln des Heistfilm-Genres. Nachdem er sich in einem Test bewiesen hat, muß sich Sebastian schnell in ein bestehendes Team einfügen, das überall in Europa zuschlägt. Angesichts des überschaubaren Budgets bleiben spektakuläre Szenen dabei Mangelware und das Drehbuch von Shay Hatten ("John Wick: Kapitel 3") bleibt bei den Raubzügen selbst relativ oberflächlich, aber Schweighöfers Inszenierung ist ebenso routiniert wie humorvoll und über weite Strecken temporeich geraten, daß man dem Team gerne zusieht. Ein paar "überraschende" Wendungen sind ziemlich vorhersehbar, aber gerade zwischen Schweighöfer und Gwendoline-Darstellerin Nathalie Emmanuel – sowie wenig überraschend Schweighöfers realer Lebensgefährtin Ruby O. Fee als schlagfertiger Hackerin Korina – stimmt die Chemie und generell ist die Besetzung gut ausgewählt. Ärgerlich sind dagegen einige Logikfehler und Glaubwürdigkeitsmängel. So erscheint es wenig sinnvoll, den ungemein komplexen Siegfried-Tresor ausgerechnet auf einem fahrenden Laster zu knacken, wenn man doch auch irgendwo versteckt anhalten könnte. Klar, sie sind unter Zeitdruck, aber dafür sollte die Zeit definitiv reichen und es ist sehr offensichtlich, daß für Sebastians stylish in Szene gesetzten, aber für sich genommen wenig aufregenden Knackversuch schlicht etwas zusätzliche Spannung generiert werden soll. Auch das Verhalten des Interpol-Agenten Delacroix bleibt speziell gegen Ende rätselhaft, unerklärt und eher wenig nachvollziehbar – er wirkt trotz seiner vorherigen Präsenz in der Story fast wie ein klassischer Deus ex machina. Zu den Pluspunkten von "Army of Thieves" zählt die klangvolle, verspielte Musik von Altmeister Hans Zimmer und seinem Schüler Steve Mazzaro (arbeitete mit Zimmer u.a. an "Dunkirk", "Dune" und "Keine Zeit zu sterben"). Positiv hervorheben darf man auch, daß Schweighöfer und sein Team größtenteils vor Ort gedreht haben – in Deutschland, Österreich und der Tschechischen Republik –, was man sieht und zur gelungenen Atmosphäre beiträgt. Insgesamt ist Matthias Schweighöfer ein trotz mangelnder Originalität sehr solider, amüsanter und sympathischer Film gelungen, der kein Must-See ist, "Army of the Dead" aber qualitativ deutlich übertrumpft.

Fazit: Das "Army of the Dead"-Prequel "Army of Thieves" ist ein recht überraschungsfreier, aber von Matthias Schweighöfer routiniert und unterhaltsam inszenierter Heistfilm mit sympathischer Besetzung.

Wertung: 7 Punkte.

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