Sidney Poitier war der erste afroamerikanische Schauspieler, der zu einem weltweiten Hollywood-Superstar avancierte. Sidney Poitier war aber auch ein bescheidener Mensch, der dies weniger seinem eigenen Talent zuschrieb, sondern in erster Linie dem Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein. Damit lag er bis zu einem gewissen Grad sicherlich richtig, dennoch wäre garantiert nicht ausgerechnet Sidney Poitier zu diesem Pionier geworden, hätte er sich nicht durch ein gewaltiges Schauspielkönnen, umwerfendes Charisma und großen Fleiß ausgezeichnet. Sidney Poitier war nicht nur Schauspieler und Star, er war auch Regisseur, Bürgerrechtler, Diplomat und eine Hollywood-Ikone, die Wegbereiter für spätere schwarze Stars wie Eddie Murphy, Will Smith, Denzel Washington, Halle Berry oder Morgan Freeman war. Am 6. Januar 2022 starb Sidney Poitier mit 94 Jahren in seinem Wohnort Los Angeles.
Sidney Poitier, der zwar in den USA geboren wurde (während eines Verwandtschaftsbesuchs) und somit automatisch die US-Staatsbürgerschaft erhielt, dessen Familie aber aus den Bahamas stammt, wo er dann auch aufwuchs, zog mit 18 Jahren nach New York, wo er schnell erste Rollen am Theater respektive am Broadway erhielt und 1947 auch schon mal als Komparse beim Film auftrat. Seine erste echte Filmrolle spielte Poitier 1950 in Joseph L. Mankiewiczs Film noir mit Rassismusthematik "Der Haß ist blind" - zwar noch keine Hauptrolle (davon gab es zu diesem Zeitpunkt eben noch fast keine für schwarze Schauspieler), aber eine wichtige Nebenrolle als junger Arzt, in der er auf sich aufmerksam machen konnte. Dennoch dauerte es einige Jahre, bis er erneut in einem Rassismus-Drama auffiel: in Richard Brooks' "Die Saat der Gewalt" (1955), wo er trotz seiner bereits 28 Jahre glaubhaft einen Schüler spielte. Die erste große Hauptrolle und damit der endgültige Durchbruch zum ersten afroamerikanischen Hollywood-Star mit weltweiter Strahlkraft folgte 1958 mit Stanley Kramers Abenteuer-Drama "Flucht in Ketten", in dem zwei Häftlingen während eines Gefangenentransports in den Südstaaten die Flucht gelingt. Das Problem an der Sache: Der schwarze Noah (Poitier) und der weiße Joker (Tony Curtis) sind buchstäblich aneinandergekettet, was es zu einer höchst anspruchsvollen Aufgabe macht, ihren Häschern zu entkommen ... Wie bei den meisten großen Erfolgen von Sidney Poitier spielt auch hier der Rassismus eine Rolle, denn Noah und Joker sind sich zunächst in ihrer der jeweiligen Hautfarbe geschuldeten herzlichen Abneigung einig, müssen sich aber zusammenraufen, um eine Chance zu haben. Dabei erweisen sich Poitiers energisches, leidenschaftliches Schauspiel und Curtis' locker-lässiger Stil als perfekte Kombination, die "Flucht in Ketten" zu einem echten Genreklassiker macht. Und ganz nebenbei wurde Poitier für seine Darbietung als erster Afroamerikaner für den OSCAR für den besten Hauptdarsteller nominiert.
Gewinnen sollte er den prestigeträchtigen Academy Award fünf Jahre später für Ralph Nelsons feinfühlige und lebensbejahende Tragikomödie "Lilien auf dem Felde" (1963), womit er natürlich auch der erste afroamerikanische OSCAR-Gewinner in dieser Kategorie wurde. Als Gelegenheitsarbeiter Homer, der einigen aus der DDR geflohenen Nonnen zunächst nur widerwillig (weil er selbst Baptist ist) beim Bau einer neuen Kapelle hilft, eroberte Poitier das Herz des Publikums und das zur Abwechslung sogar in einer Geschichte, in der Rassismus kaum eine Rolle spielt. Generell konnte Poitier sich in den 1960er Jahre aufgrund seines durch den OSCAR untermauerten Status in verschiedensten Genres ausprobieren, so agierte er etwa in Otto Premingers Opern-Verfilmung "Porgy und Bess" (1959) und in Daniel Petries exzellentem Sozialdrama "Ein Fleck in der Sonne" (1961), spielte in Jack Cardiffs farbenfrohem Wikinger-Abenteuer "Raubzug der Wikinger" (1964) an der Seite von Richard Widmark einen Scheich, wirkte in George Stevens' epischer Bibelverfilmung "Die größte Geschichte aller Zeiten" (1965) als Simon von Cyrene (der auf Jesus' Kreuzweg das Kreuz von ihm übernahm) mit, verkörperte in James B. Harris' Kalter Kriegs-Abenteuer "Zwischenfall im Atlantik" (1965) einen Reporter und drehte mit Ralph Nelsons "Duell in Diablo" (1966) sogar einen Western. Doch die drei nächsten Meisterwerke in seiner Filmographie nahmen dann doch wieder die Rassismus-Thematik auf, wenngleich höchst unterschiedlich: So freundet sich Poitier in Guy Greens hochgelobtem Melodram "Träumende Lippen" (1965) als gebildeter Gordon mit einem 18-jährigen blinden weißen Mädchen aus denkbar schlechtem Elternhaus an und versucht, ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Poitiers vielleicht bekannteste Rolle ist allerdings die als impulsiver Mordermittler Virgil Tibbs, der in Norman Jewisons Kult-Thriller "In der Hitze der Nacht" (1967) in Mississippi zunächst alleine aufgrund seiner Hautfarbe und seiner Ortsfremdheit als Mordverdächtiger festgenommen wird, ehe er dem rassistischen Polizeichef Gillespie (Rod Steiger) klarmachen kann, wer er wirklich ist. Daraufhin soll er auf Anweisung seines Chefs bei den Mordermittlungen helfen, was weder ihm noch Gillespie sonderlich gefällt ... Ikonisch und eine die schwarze Bürgerrechtsbewegung der 1960er Jahre trefflich symbolisierende Szene wurde jener Moment, in dem er auf Gillespies Anrede als "Virgil" mit einem ebenso selbstbewußten wie verächtlichen "They call me MISTER Tibbs!" antwortet. 1970 und 1971 kamen mit "Zehn Stunden Zeit für Virgil Tibbs" und "Die Organisation" zwei deutlich schwächere Fortsetzungen in die Kinos.
Ebenfalls 1967 folgte mit Stanley Kramers Tragikomödie "Rat mal, wer zum Essen kommt" der nächste Meilenstein, in dem er als schwarzer Verlobter der weißen Joanna für Entsetzen bei deren (von den Hollywood-Legenden Spencer Tracy und Katharine Hepburn verkörperten) Eltern sorgt - und dem Publikum den ersten gemischtrassigen Hollywood-Filmkuß beschert (wenn der auch nur im Rückspiegel eines Autos zu sehen ist ...). Trotz seiner großen Erfolge und seiner Pionierstellung als schwarzer Schauspieler in Hollywood war Sidney Poitier allerdings gerade in der afroamerikanischen Gemeinde nicht unumstritten, zum Teil wurde ihm vorgeworfen, sich willig als Feigenblatt für den sonstigen Mangel an Diversität in der Traumfabrik herzugeben. Das traf Poitier durchaus und trug dazu bei, daß er ab den 1970er Jahren deutlich weniger Rollen vor der Kamera annahm, stattdessen häufiger selbst Regie führte (und dabei anderen schwarzen Schauspielern Hauptrollen gab) und sich verstärkt als Bürgerrechtler engagierte. Poitiers insgesamt neun Regiearbeiten, überwiegend Komödien, erreichten zwar nicht die Qualität seiner besten Filme als Schauspieler, waren aber oft kommerziell erfolgreich und wurden teilweise auch mit guten Kritiken bedacht. Vor allem seine aus "Samstagnacht im Viertel der Schwarzen" (1974), "Drehn wir noch'n Ding" (1975) und "Ausgetrickst" (1977) bestehende inoffizielle Trilogie mit Poitier selbst und Bill Cosby als schlagfertigen Hauptdarstellern erfuhr viel Lob, sein größter Erfolg war jedoch "Zwei wahnsinnig starke Typen" (1980) mit Richard Pryor und Gene Wilder - der erste von einem Afroamerikaner gedrehte Film, der in Nordamerika mehr als $100 Mio. einspielte!
In den 1980er Jahren ließ sein Erfolg als Regisseur jedoch nach und mit dem gefloppten "Ghost Dad" mit Bill Cosby beendete er seine Karriere hinter der Kamera im Jahr 1990. Das konnte er sich allerdings auch leisten, da ihm just zu dieser Zeit nach über zehnjähriger Pause ein beachtliches Comeback als Kino-Schauspieler gelang mit Roger Spottiswoodes Thriller "Mörderischer Vorsprung" (1988) mit Tom Berenger, Richard Benjamins Spionagethriller "Little Nikita" (1988) mit River Phoenix und Phil Alden Robinsons Heist-Thriller "Sneakers - Die Lautlosen" (1992) an der Seite von Robert Redford und Ben Kingsley. In den 1990er Jahren trat Poitier häufiger im Fernsehen auf und wurde für die Miniserie "Gleichheit kennt keine Farbe" (1991) sowie für seine Darstellung von Nelson Mandela in "Mandela und De Klerk - Zeitenwende" (1997) jeweils für einen Emmy nominiert. Sein letzter Auftritt als Schauspieler fand 2001 in dem positiv rezensierten TV-Film "The Last Brickmaker in America" statt, danach und passend zum Ehren-OSCAR im Jahr 2002 setzte er sich zur Ruhe, zumal er bereits 1997 zum Botschafter der Bahamas in Japan berufen worden war (was er bis 2007 blieb) und 2002 zum Botschafter bei der UNESCO (ebenfalls bis 2007). Von Sidney Poitiers vier Töchtern wurde Sydney Tamiia Poitier ebenfalls eine erfolgreiche Schauspielerin.
Am Freitag, 6. Januar 2022, verstarb Sidney Poitier in seinem Haus in Los Angeles im Alter von 94 Jahren. R.I.P.
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