Dienstag, 10. August 2021

Klassiker-Rezension: UNTERNEHMEN PETTICOAT (1959)

Originaltitel: Operation Petticoat
Regie: Blake Edwards, Drehbuch: Stanley Shapiro und Maurice Richlin, Musik: David Rose
Darsteller: Cary Grant, Tony Curtis, Joan O'Brien, Dina Merrill, Gene Evans, Arthur O'Connell, Dick Sargent, Robert F. Simon, Virginia Gregg, Robert Gist, Gavin MacLeod, George Dunn, Dick Crockett, Marion Ross, Madlyn Rhue, Kirk Douglas
Unternehmen Petticoat (1959) on IMDb Rotten Tomatoes: 81% (6,6); US-Einspielergebnis: $23,3 Mio.
FSK: 6, Dauer: 124 Minuten.
Als im Jahr 1959 das altgediente U-Boot der US-Marine "Sea Tiger" verschrottet werden soll, erweist ihm sein ehemaliger Kommandant Matt Sherman (Cary Grant, "Der unsichtbare Dritte") die letzte Ehre – und erinnert sich daran, was er mit diesem U-Boot alles erlebt hat. Sherman befehligte die "Sea Tiger" während des Zweiten Weltkrieges im Pazifik, wo sie im Hafen eines philippinischen Marinestützpunkts während eines japanischen Luftangriffs schwer getroffen wird und eigentlich aufgegeben werden soll. Sherman will das U-Boot allerdings unbedingt wieder seetauglich bekommen und da kommt sein neuer Junior-Offizier Nicholas Holden (Tony Curtis, "Manche mögen's heiß") gerade Recht. Wobei, eigentlich kann Sherman mit dem leichtlebigen und auf die Regeln pfeifenden Holden wenig anfangen, doch für diese spezielle Situation ist Holdens Erfindungsreichtum genau richtig. Letztlich gelingt es ihnen so, die "Sea Tiger" wieder halbwegs zusammenzuklöppeln, auch wenn das zur Bestürzung der Crew in einer rosafarbenen Lackierung resultiert. Aber immerhin, die "Sea Tiger" sticht wieder in See und bekommt es bald mit dem nächsten ungewöhnlichen Problem zu tun: Bei einem Zwischenhalt wird eine Gruppe gestrandeter Krankenschwestern um Lieutenant Dolores Crendall (Joan O'Brien, "Ob blond, ob braun …") und Lieutenant Barbara Duran (Dina Merrill, "Die jungen Wilden") von Holden zur Mitreise auf der "Sea Tiger" eingeladen – dabei weiß doch nun wirklich jeder, daß Frauen auf einem U-Boot großes Unglück bedeuten …
 
Kritik:
Neben unzähligen Kriegs- und Anti-Kriegsfilmen hat Hollywood im Lauf der Dekaden auch eine gute Handvoll von Kriegskomödien hervorgebracht. Das ist logischerweise kein ganz einfaches Genre, da man immer aufpassen muß, nicht das Leid von Millionen Kriegsopfern für ein paar billige Lacher zu mißbrauchen, auch kann man Kriegskomödien sicherlich generell ablehnen. Wenn man etwaige moralische Bedenken ignoriert, besteht jedoch kein Zweifel daran, daß es ein paar richtig gute und lustige Kriegskomödien gibt. Beispiele dafür sind Brian G. Huttons "Stoßtrupp Gold" (1970) mit Clint Eastwood und Arthur Hillers "Nur für Offiziere" (1964) mit James Garner, auch Charles Chaplins "Der große Diktator" (1940), Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" (1942) oder David O. Russells "Three Kings" (1999) kann man dazuzählen sowie als Satiren Stanley Kubricks "Dr. Seltsam" (1964), Robert Altmans "M.A.S.H." (1970) und Mike Nichols' "Catch-22" (1970). Die mit Abstand lustigste Kriegskomödie und darüber hinaus sogar einer der witzigsten Filme aller Zeiten und einer meiner persönlichen Favoriten ist jedoch der 1959 veröffentlichte "Unternehmen Petticoat" vom britischen Komödien-Meister Blake Edwards ("Der rosarote Panther", "Der Partyschreck", "Victor/Victoria"). Die Geschichte eines U-Boot-Kapitäns, der sich nicht nur mit den "normalen" Wirren des Pazifikkrieges im Zweiten Weltkrieg herumschlagen muß, sondern auch mit administrativen Hindernissen, einem erfinderischen und regelaversen neuen Junior-Offizier und zu allem Überfluß noch mit einer Gruppe gestrandeter Krankenschwestern. Das ist der Stoff, aus dem Komödien-Träume gemacht sind und Blake Edwards und seine spielfreudige Besetzung tun wirklich alles, um ihr Publikum zum Lachen zu bringen!
 
Bekanntlich hat sich im Komödien-Genre in den letzten Jahrzehnten doch einiges getan – und damit meine ich nicht, daß es seit der Jahrtausendwende immer weniger erfolgreiche und gute US-Kino-Komödien zu geben scheint (was vermutlich der Tatsache geschuldet ist, daß sich Hollywood auf spezialeffektreiche Großproduktionen auf der einen Seite sowie anspruchsvolle, OSCAR-kompatible Dramen auf der anderen Seite konzentriert und deshalb "Mittelware" wie Komödien oder Krimis/Thriller oft auf der Strecke bleibt). Vielmehr ist die größte Veränderung dem stark gestiegenen Tempo geschuldet. Konnten sich Komödien früher viel Zeit nehmen, um das Setting und die Figuren zu etablieren und einzelne Gags penibel vorzubereiten, ist heute eine rasante Vorgehensweise zumindest im Mainstream-Bereich Standard, bei der ein Gag auf den nächsten folgt. Wer mit dieser neuen Herangehensweise aufgewachsen ist, der hat häufig Anpassungsprobleme, wenn es um die schön gemächlichen Komödien des 20. Jahrhunderts geht, speziell jene, die vor 1980 entstanden. Damals galten die Komödien von Blake Edwards als ausgesprochen temporeich, aus heutiger Sicht sind sie das eher nicht mehr – was sie aber keinesfalls schlechter macht! Gerade "Unternehmen Petticoat" mit seiner doch ungewöhnlichen Prämisse beweist, wie lustig das Kino des 20. Jahrhunderts sein konnte, und das zumeist mit völlig harmlosem, familientauglichen Humor (auch wenn die Frauen-Darstellung heute natürlich nicht mehr wirklich zeitgemäß ist). Die Situationen, in die Sherman und die Crew der "Sea Tiger" geraten, punkten vor allem mit gut getimtem Slapstick (die Sache mit dem als "Funker Hornsby" verkleideten Schwein), absurden Momenten (das rosa U-Boot), dem gekonnten und gewitzten Aufeinanderprallen verschiedener Welten (die selbstbewußten Krankenschwestern auf einem U-Boot, dessen Besatzung Frauen an Bord für Pechmagneten hält, nach der langen Zeit unter Männern im Krieg aber zugleich jede Gelegenheit sucht, um den Schönheiten nahe zu sein), denkwürdigen Zitaten ("Tanker gesichtet, LKW versenkt.") und einer so erstklassigen wie spielfreudigen Besetzung.
 
Cary Grant war nicht ohne Grund einer der größten Stars in "Hollywoods Goldener Ära" und mit seinem gewaltigen Charisma, dem leicht linkischen Charme und einem exzellenten Comedy-Timing glänzte er vor allem in (romantischen) Komödien-Meisterwerken wie "Die Nacht vor der Hochzeit", "Leoparden küßt man nicht" oder "Arsen und Spitzenhäubchen". "Unternehmen Petticoat" reiht sich da nahtlos ein, wobei Grant im Verbund mit dem jungen Tony Curtis – für den sympathische Draufgänger wie dieser Nicholas Holden seine Paraderolle waren – vielleicht sogar noch ein Stückchen besser funktioniert als sonst. Der routinierte, eigentlich regeltreue Sherman und das lebenslustige, kampfunerfahrene Improvisationstalent Holden spielen sich die humoristischen Bälle mit Verve zu und auch wenn Sherman permanent genervt ist von Holdens Alleingängen, ist offensichtlich, daß sie sich mögen. Als beide unter den Krankenschwestern ein "Love Interest" finden – die von Joan O'Brien herrlich tollpatschig gespielte Dolores für Sherman, Dina Merrills Barbara für Holden – verteilen sich die Rollen etwas mehr, ohne daß es dadurch weniger amüsant würde. Kurzum: "Unternehmen Petticoat" liefert zwei Stunden lang glänzende Unterhaltung, die einfach gute Laune macht – und völlig zu Recht mit einer OSCAR-Nominierung für das glänzende Drehbuch des Duos Stanley Shapiro ("Ein Hauch von Nerz") und Maurice Richlin ("Der rosarote Panther") belohnt wurde! Aufgrund des großen Erfolges an der Kinokasse ebenso wie bei den Kritikern folgte übrigens anderthalb Jahrzehnte später eine Neuauflage der Geschichte als TV-Serie, in der passenderweise Tony Curtis' Tochter Jamie Lee Curtis ("Halloween") zu Beginn ihrer Karriere eine der Hauptrollen spielte. Die erste Staffel kam 1977 gut an, trotzdem krempelte man die Serie danach beinahe komplett um, was die Quoten einbrechen ließ und das Aus nach der zweiten Staffel bedeutete. Zum Schluß möchte ich noch anmerken, daß "Unternehmen Petticoat" in Deutschland um mehr als 20 Minuten gekürzt in die Kinos kam – auf DVD ist schon lange die Originalfassung erhätlich, jedoch nur auf Englisch mit Untertiteln. Erst 2020 wurden die fehlenden Stellen der Kinofassung nachsynchronisiert, logischerweise nach so langer Zeit mit anderen Sprechern. Diese Fassung lief im TV bereits bei Arte und ist wohl auch bei Amazon Prime zu sehen, scheint (Stand: August 2021) aber noch nicht auf DVD oder Blu-ray veröffentlicht worden zu sein.
 
Fazit: Blake Edwards' "Unternehmen Petticoat" ist einer der witzigsten und sympathischsten Filme aller Zeiten, der mit einer ungewöhnlichen Prämisse, einem geistreichen Drehbuch und den glänzend aufgelegten Hauptdarstellern Cary Grant und Tony Curtis bis heute begeistert.
 
Wertung: 10 Punkte.
 
 
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