Regie: Josh Boone, Drehbuch: Knate Lee und Josh Boone,
Musik: Mark Snow
Darsteller:
Blu Hunt, Alice
Braga, Maisie Williams, Anya Taylor-Joy, Charlie Heaton, Henry Zaga, Adam Beach, Happy Anderson, Marilyn Manson (Stimme)
FSK: 16, Dauer: 94 Minuten.
Als eine Katastrophe – ein Tornado? Etwas
Übernatürliches? – ein Cheyenne-Reservat zerstört, ist Teenager Danielle Moonstar (Blu
Hunt, TV-Serie "The Originals") die einzige Überlebende. Sie erwacht in
einem abgelegenen Gebäudekomplex in der Wildnis, das sich als eine geheime
Forschungseinrichtung entpuppt, in welcher jugendliche Mutanten von Dr. Cecilia
Reyes (Alice Braga, "Predators") zur Kontrolle ihrer Kräfte trainiert
werden – ob sie wollen oder nicht. Dani hatte jedoch keine Ahnung, daß sie
eine Mutantin ist, auch haben sich ihre Kräfte noch nicht offenbart, weshalb
sie sich noch verlorener fühlt als sie es nach dem Tod ihres Vaters (Adam
Beach, "Feinde – Hostiles") und all ihrer Freunde und Bekannten im
Reservat sowieso wäre. Neben Dani befinden sich vier weitere junge Mutanten in der
Einrichtung: die mitfühlende Rahne (Maisie Williams, TV-Serie "Game of
Thrones"),
der selbstzerstörerische Sam (Charlie Heaton, "Das Geheimnis von
Marrowbone"), der reiche Schönling Roberto (Henry Zaga, TV-Miniserie
"The Stand") und die rebellische Illyanka (Anya Taylor-Joy, "Split"). Die Teenager sind alles andere als ein eingeschworenes
Quintett – vor allem Illyanka sorgt immer wieder für Ärger –, doch als die
Insassen der Einrichtung zunehmend von ihren eigenen schlimmsten Alpträumen und
Ängsten geplagt werden, die irgendwie Gestalt anzunehmen scheinen, müssen sie
sich doch zusammenraufen …
Kritik:
Die Entwicklungsgeschichte dieses
"X-Men"-Spin-Offs kann man als abenteuerlich bezeichnen: Unter der
Leitung des "Das Schicksal ist ein mieser Verräter"-Regisseurs Josh
Boone sollte "The New Mutants" noch vor dem da bereits absehbaren
Ende der Haupt-"X-Men"-Reihe um James McAvoy, Jennifer Lawrence und
Michael Fassbender mit "Dark Phoenix" neue, junge Mutanten etablieren
und als Kombination aus Young Adult-Abenteuer und Horrorfilm eine neue Farbe
ins "X-Men"-Universum einbringen. Die Dreharbeiten fanden 2017 statt,
der Kinostart war für das Frühjahr 2018 fest eingeplant, die Testscreenings
liefen gut, alle waren glücklich. Doch dann kam Ende 2017 Andy Muschiettis Stephen
King-Adaption "Es" in die Kinos und wurde zu einem in dieser Form nie
erwarteten Monsterhit. Da Hollywood bekanntlich gerne auf Trends aufspringt,
kam den Verantwortlichen beim produzierenden Studio Fox die glorreiche Idee, die existenten Horrorelemente von "The New Mutants" noch deutlich stärker
hervorzuheben, wofür umfangreiche Nachdrehs geplant wurden und dementsprechend
der Kinostart um fast ein Jahr verschoben wurde. Danach wurde es länger still um das
Projekt, zu den geplanten Nachdrehs kam es offenbar nie – und als Fox von
Disney übernommen wurde (dessen Verantwortliche wohl nicht überzeugt vom
kommerziellen Potential des Films waren), gab es Spekulationen, "The
New Mutants" könnte niemals ins Kino kommen, sondern beim
Streamingservice Disney+ seine Premiere feiern. Das bestätigte sich nicht, doch dafür wurde
"The New Mutants" von der Corona-Pandemie ausgebremst und kam
schließlich im Spätsommer 2020, nach der ersten Welle, in die noch
von den Corona-Maßnahmen arg gebeutelten Kinos – mit einer Version, die laut
Boone sehr nahe an seinem ursprünglichen Film war. Letztlich also drei Jahre
Zeit- und Geldverschwendung, und dann fielen zudem die Rezensionen ziemlich
schwach aus und die Einspielergebnisse sogar noch schwächer (was aber
sicherlich teilweise dem Start inmitten einer weltweiten Pandemie zuzuschreiben
ist). Mit einer Fortsetzung muß man folglich nicht rechnen, was insofern schade
ist, als "The New Mutants" trotz unbestreitbarer dramaturgischer
Schwächen ein gar nicht uninteressantes Spin-Off darstellt, dessen junge
Protagonisten man durchaus gerne öfter in ihren Rollen sehen würde.
"The New Mutants" beginnt nach einem kurzen Prolog
recht vielversprechend, indem er das Publikum gemeinsam mit Dani ins kalte
Wasser wirft und das mysteriöse Forschungsinstitut und seine überraschend
wenigen Bewohner nach und nach kennenlernen läßt. Dabei gibt sich Josh Boone
erkennbar Mühe, uns die jugendlichen Mutanten vorzustellen – allerdings
versäumt er es, den Figuren echte Tiefe zu verleihen. Zwar verbringen wir
viel Zeit mit dem zunächst nicht allzu harmonischen Quintett, richtig nahe
kommen wir den Teenagern jedoch nicht. Immerhin erfahren wir im Lauf der nur eineinhalb
Stunden, daß sie alle eine mehr oder wenige tragische Hintergrundgeschichte
haben, weshalb sie von Alpträumen geplagt werden – die dann eben dummerweise
Realität zu werden scheinen. Aus dieser Entwicklung zieht "The New
Mutants" eine Horrorkomponente, die auffällig an "Es" erinnert, dank gut gemachter Traumsequenzen
mit durchaus schaurig gestalteten Kreaturen aber ziemlich gut funktioniert. Ein
echter Horrorfilm ist "The New Mutants" deshalb natürlich noch lange
nicht, dafür bleibt alles doch etwas zu zahm, aber es ist zumindest ein für die
"X-Men"-Reihe einigermaßen frischer Ansatz. Daß man trotz überschaubarer Story, oberflächlicher Figurenzeichnung und eines eher
einfallslosen Coming of Age-Ansatzes den fünf begabten Teenagern gern zusieht,
liegt primär an der gut ausgewählten Besetzung. Bei der schneiden die
Mädels insgesamt deutlich besser ab als die Jungs, was nicht nur an der
zahlenmäßigen Überzahl und daran liegt, daß Dani eindeutige
Protagonistin der Geschichte ist. Zudem sind Shooting Star Anya Taylor-Joy und
"Game of Thrones"-Liebling Maisie Williams die beiden bekanntesten
Namen und obwohl auch Blu Hunt, Charlie Heaton und Henry Zaga ihre Sache gut
machen, hat die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch deutlich weniger bekannte
Anya Taylor-Joy den besten Handlungsbogen. Die von ihr verkörperte Illyanka
entwickelt sich von einer unsympathischen und arroganten Göre zum gar nicht so
heimlichen Stars des Films, vor allem im Showdown hat sie einige beeindruckende
Szenen.
Als etwas problematisch erweist sich die Idee, auf einen
richtigen Antagonisten zu verzichten. Zwar gibt es die höchst ambivalente Dr.
Cecilia Reyes, die von Alice Braga überzeugend im Spannungsfeld zwischen
fürsorglicher Betreuerin und manipulativem Fiesling verkörpert wird, aber sie wirkt trotz
eigener Kräfte nur bedingt bedrohlich; man kann sich sogar fragen, warum
sich die Jugendlichen letztlich immer so leicht von ihr unterbuttern lassen,
wobei auch das komplett fehlende Personal der Einrichtung ins Spiel kommt und wenig
glaubwürdig wirkt. Ein richtiger Bösewicht fehlt aber, wenn man einmal von
Dr. Reyes' offenbar sinistren Vorgesetzten absieht, über die man aber kaum etwas
erfährt; die hätten sich wohl erst in einer Fortsetzung offenbart. Als
Ausgleich arbeitet Josh Boone mit den Alpträumen der jungen Mutanten, was, wie
erwähnt, für sich genommen einen ganz guten Eindruck macht, als Ersatz für
einen echten Antagonisten aber doch etwas schwach auf der Brust ist. Generell
muß man sagen, daß die Story eine Stunde lang gefällig, aber ziemlich
ereignislos vor sich hinplätschert, ehe sie direkt in das actionreiche Finale
übergeht – dramaturgisch ausgefeilt ist das definitiv nicht. Dafür kann sich
der Showdown sehen lassen. Zwar erreichen nicht alle CGI-Effekte Blockbuster-Niveau, was angesichts des im Vergleich zur Hauptreihe klar
zurückgeschraubten (wenngleich immer noch beachtlichen) Budgets im höheren
zweistelligen Millionen-Bereich kaum überrascht. Doch das wird mit ein paar
netten Ideen und dem gelungenen Kreaturendesign aufgewogen, zudem
erzeugt die Musik von "Akte X"-Veteran Mark Snow (der zuvor seit 2014 keinen Score mehr komponiert hatte) eine angemessen gruselige Stimmung. Insgesamt wirkt
"The New Mutants" eher wie ein aufwendiger Pilotfilm für eine
TV-Serie (die ich mir anschauen würde) und weniger wie ein vollwertiger Kinofilm aus
der populären "X-Men"-Reihe, aber wer ein Faible für
Marvels Mutanten hat, sollte sich solide unterhalten fühlen.
Fazit: "The New Mutants" ist ein
"X-Men"-Spin-Off, das ein paar neue Facetten in die Reihe einbringt, allerdings trotz guter Besetzung zu ereignisarm und unspektakulär daherkommt, um
wirklich Eindruck zu hinterlassen.
Wertung: 6,5 Punkte.
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Ich hatte den Film bei seinem kurzen Kino-Gastspiel gesehen und war nur mäßig von ihm angetan. Das Szenario war einfach nicht sehr glaubwürdig: fünf Jugendliche die ihre eigenen für sich und andere sehr gefährliche Fähigkeiten nicht im Griff haben, werden in einer von einer einzigen Ärztin geführten Anstalt weitgehend sich selbst überlassen? Von gelegentlichen Gruppentherapie-Sitzungen abgesehen scheint diese jedenfalls kaum Versuche zu unternehmen auf diese einzuwirken. Der zentrale Twist bezüglich der Fähigkeiten der Protagonistin war für mich zudem stark vorhersehbar, denn er war beinahe eins zu eins vom dritten Teil der "Nightmare on Elm Street"-Reihe übernommen, mit er ausserdem auch noch das Setting in einer geschlossenen Anstalt teilt. Die Darsteller machen ihre Sache gut und richtige langweilig ist der Film auch nie, aber er wirkt nicht nur dadurch dass sich die Action allein auf das überlange CGI-Finale konzentriert sehr unausgewogen und irgendwie unfertig. Ob Nachdrehs daran etwas geändert hätten werden wir wohl nie erfahren.
AntwortenLöschenJa, das kann ich im Grunde genommen alles so unterschreiben (abgesehen davon, daß ich "Nightmare 3" nie gesehen habe, aber die Enthüllung war auch so ziemlich schnell vorhersehbar).
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